Gespräch

Mit Kultur den Ukraine-Krieg begreifen – Berliner Ausstellung „Früchte des Zorns“ zeigt moderne Kunst der Ukraine

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INTERVIEW
Frauke Oppenberg

Eine Gruppenausstellung ukrainischer Künstler*innen will in Berlin zeigen: Moderne Kunst kann helfen, die zerstörerische Kraft eines Krieges besser zu verstehen.

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Auch der Krieg wirft Früchte ab

Eine Gruppenausstellung ukrainischer Künstler will in Berlin zeigen: Moderne Kunst kann helfen, die zerstörerische Kraft eines Krieges besser zu verstehen. Außerdem beweist die Schau die hohe Qualität des zeitgenössischen Kunstschaffens in dem von Russland angegriffenen Land.

Der Titel „Früchte des Zorns“ erinnere nur oberflächlich an den berühmten Roman von John Steinbeck, sagt die Co-Kuratorin der Ausstellung, Kateryna Rietz-Rakul, im Gespräch mit SWR2. „Krieg ist zerstörerisch, hat nichts Konstruktives – trotzdem schaffen es die Künstler, dass der Krieg auch Früchte abwirft“. Denn Kunst könne helfen, einen Krieg zu verstehen: „Die Auswirkungen von Krieg, die kann man durch Kunst begreifen.“

Ukrainische Kunst ist im europäischen Kontext gut lesbar

Rietz-Rakul und Eleonara Frolov, die den Überblick im „Haus am Lützowplatz“ in Berlin gemeinsam erarbeitet haben, entschieden sich bewusst für eine große Bandbreite an neuen Kunst-Zeugnissen.

Lichtskulptur, Fotografien, Installation, Textilcollage, Keramik-Skulptur und Gemälde. „Wir wollten zeigen, dass ukrainische Kunst hohe Qualität aufweist, dass sie im europäischen Kontext sehr gut lesbar ist“, begründet Rietz-Rakul die Auswahl.

Gestreckte Zeitachse

Einige der Objekte seien kurz vor dem Majdan 2013 und der Einnahme der Krim durch Russland 2014 entstanden: „Sie bringen ein Vorgefühl des Krieges“, meint Kuratorin Rietz-Rakul zum atmosphärischen Gehalt der Exponate.

Andere Werke stammten dagegen aus den vergangenen Monaten nach dem russischen Angriff. Die Zeitachse haben die Kuratorinnen bewusst gestreckt. „Wir versuchen, einen Schritt zurückzugehen, um über den Krieg zu sprechen“, so Rietz-Rakul.

Auch Raub von Kunst wird thematisiert

Für wichtig erachten die Macherinnen auch den imperialen Aspekt, den Russland mit seinem Angriff auf die Ukraine zeige. Dieser sei für Moskau ein „neo-kolonialer Befreiungskrieg“, sagt Rietz-Rakul. Und das verfange im Westen, wo man viele zeitgenössische Künstler aus der Ukraine fälschlicherweise für Russen halte. Die Ausstellung thematisiere daher auch Fragen wie den Raub von Kunst durch Russland.

„Früchte des Zorns – Versuch einer Annäherung: Ukraine“ ist bis zum 19. März im Haus am Lützowplatz in Berlin zu sehen. Kateryna Rietz-Rakul stammt aus Lviv in der Westukraine. Sie hat dort und in Berlin Philologie studiert. Seit 1998 lebt sie in Berlin, wo sie als Kulturmanagerin und Übersetzerin arbeitet.

Kultur Das Netzwerk Kulturgutschutz Ukraine will das kulturelle Gedächtnis retten

Beim Krieg in der Ukraine geht es nicht nur darum, Territorium zu erobern. Die Angriffe zielen auch auf die Identität der Ukraine. Mit Denkmälern und Kunstwerken sind ihr kulturelles Gedächtnis und einzigartige Museumsschätze in Gefahr. Das Netzwerk Kulturgutschutz Ukraine bietet praktische Hilfe: Beispielsweise schützt Brandschutzlack die berühmten Holzkirchen der Westukraine und Museumsstücke werden verpackt und in sichere Verstecke gebracht.

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Eine Mainzer Ballettschule organisiert Hilfstransporte in die Ukraine. Um das kulturelle Erbe vor dem Krieg zu schützen, werden auch Feuerlöscher und Polsterfolien geliefert. Das Netzwerk der Tänzer*innen arbeitet dabei an vorderster Front.

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Die Videobotschaft des Ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij hat im restlos belegten Congress Center der Frankfurter Buchmesse umgehend für Stille gesorgt. „Der Auftritt glich dem eines Popstars auf einer großen Bühne“, sagt SWR2-Literaturkritiker Carsten Otte, „er hat das Publikum direkt angesprochen – sie sollen ihre Chance nutzen im Propagandakampf, ihren Einfluss wahr zunehmen. Selenskij sieht die Literaturwelt sozusagen als verbündete Kulturtruppe und so ganz Unrecht hat er damit nicht.“
Den Stand der Ukraine kann man auf der Buchmesse schon von Weitem sehen. „Da blinkt ein großer, tiefroter Leuchtwürfel als Zeichen, dass sich hier ein Land im Kriegszustand befindet. Mit dem Motto „Persistence of Being“ – „Beharrlichkeit des Seins“ will die Ukraine beweisen, dass sie auch kulturell ein eigenständiges Land ist."
Leider sei Russland bis auf wenige Dissidenten gar nicht auf der Messe vertreten. „Ein Dialog zwischen verfeindeten Standpunkten kann so nicht zustande kommen.“

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Frauke Oppenberg