Tote Pferde als Bild für den Krieg
Da liegt es, mitten im lichtdurchfluteten Raum, auf einem Podest: ein totes Pferd. Berlinde De Bruyckere hat es in Wachs abgegossen und mit echtem Pferdefell überzogen. Das Pferd hat keine Augen, sieht uns nicht an. Und doch lässt sich sein Schicksal erahnen.
„Ich habe darüber nachgedacht, eine Metapher für den Krieg zu finden, für den Tod im Krieg“, sagt De Bruyckere über die Skulptur. „Ich habe sie in den Körpern der Pferde gefunden. Es gibt aus dem ersten Weltkrieg Bilder von Städten, die menschenleer sind und wo nur noch die toten Körper der Pferde auf den Straßen liegen.”
Skulpturen aus der Materie herausschälen
Berlinde De Bruyckere arbeitet oft jahrelang an einem Thema, stellt es in verschiedenen Facetten da. So finden wir auch im Außenbereich zwei tote Fohlen, aus Blei gegossen.
Die Künstlerin interessiert sich auch für Mythologie. Zu den besonders grausamen Mythen gehört die Geschichte des Marsyas, der lebendig gehäutet wird. Daher auch der Name der Ausstellung, „Pel”. Im Niederländischen bedeutet das „pellen” oder „schälen”.
„Es geht darum zu zeigen, wie sich aus Materie eine Skulptur generiert, in dem ein Körper dazu kommt oder weggelassen wird“, erläutert die Kuratorin Julia Mattern das Konzept der Ausstellung. Manchmal sind nur die Felle zu sehen, ohne die Körper und im anderen Fall verbirgt sich unter Fellen ein Körper, der sich aus diesen Fellen herauszuschälen scheint.“
Deformierte und gehäutete Menschenleibe
Die Metzgerstochter Berlinde De Bruyckere ist eine leidenschaftliche Sammlerin. Sie sammelt Möbel, Decken, Rahmen und collagiert diese Dinge dann mit ihren Skulpturen. Ihre Arbeiten polarisieren.
Auch weil sie zum Beispiel in ihren wächsernen Abgüssen von Tänzern und Tänzerinnen einen Realismus erreicht, der schwer zu verdauen ist. Inspiriert von Tänzern der Kompanie des belgischen Choreografen Alain Platels und den Gemälden von Lucas Cranach hat sich Berlinde De Bruyckere sehr mit der Hautoberfläche befasst, die sie malerisch überarbeitet
„Man sieht ein Geäder unter der Haut durchschimmern, rötlich, bläulich. Manchmal signalisiert die Körperoberfläche auch Tod“, sagt Julia Matten. „Es sind Abgüsse echter Körper und sie setzt einzelne Körperteile zusammen. Zum Teil gibt es wulstige Narben.”
Leicht zu ertragen ist diese Ausstellung nicht
Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass die Künstlerin die Wachsabgüsse nochmal nachbearbeitet hat. Denn die Gliedmaßen sind langezogen, als wären sie auf einer Streckbank gewesen und die Füße liegen in abnormen Positionen.
Deformation und Dualismus, Schönheit und Hässlichkeit, Sexualität und Tod: Diese Dualismen machten die Spannung in den Werken von Berlinde De Bruyckere aus, sagt Julia Matten. Leicht zu ertragen ist diese Ausstellung nicht, man muss schon das Schöne im Schrecklichen suchen wollen.
Teppiche zum Beispiel, so Berlinde De Bruyckere, hätten etwas zutieftst Menschliches. Man kann auf ihnen schlafen oder sich mit ihnen zudecken. In der Ausstellung sind auch wandgroße Installationen aus Teppichen zu sehen. Allerdings sind diese völlig verrottet.
„Für mich ist die Gesellschaft gescheitert“
„Für mich ist die Gesellschaft gescheitert“, sagt Berlinde De Bruyckere. Also habe sie die Teppiche draußen gelagert. „Nach einiger Zeit sind sie fast auseinandergefallen und wurden immer fragiler. Das war der Punkt, an dem ich sie wieder zurückgeholt habe.“
Berlinde De Bruyckeres großes Thema ist die Verletzlichkeit – die verotteten Teppiche, ihre deformierten Menschenleiber und die gehäuteten Pferde bringen das im Bahnhof Rolandseck in einer gleichermaßen schauerlichen, wie faszinierenden Ästhetik zutage.