Ihre geometrisch abstrakten Großformate versetzen den Betrachtenden in Schwingung und die Kunstwelt in Erstaunen: Das Basler Kunstmuseum entdeckt Shirley Jaffe – eine der großen Künstlerinnen des 20. Jahrhundersts.
Wie konnte Shirley Jaffe unentdeckt bleiben?
Da produziert eine Künstlerin ein Leben lang ein stringentes, umfassendes Werk und kaum jemand merkt es. Shirley Jaffe konnte zwar einzelne Galeristen und Sammler für sich interessieren, blieb aber zeitlebens unter dem Radar der großen Öffentlichkeit. Manchmal habe sie schlicht nicht genug Geld für Farben gehabt.

„Natürlich ist es frustrierend, weil man denkt, warum Institutionen manchmal auf beiden Augen blind sind“, sagt Kuratorin Olga Osadtschy. „Gleichzeitig fühlt man sich wie Kind, das beim Ostereier suchen das größte und schönste Ei gefunden hat. Weil man dann natürlich ein ganzes Werk entdecken kann.“
Eine Amerikanerin in Paris
Dieses Werk entstand im Laufe von 70 Jahren in Paris. Shirley Jaffe war 1949 ihrem Mann in die Stadt gefolgt, nachdem sie in New York ihr Kunststudium beendet hatte.
Sie blieb in Paris, auch nachdem die Ehe zerbrach. Zunächst malte sie Großformate im Stil der Zeit, im abstrakten Expressionismus. Während eines Stipendiums in Berlin 1963 fand die Jüdin zu ihrer ganz eigenen Bildsprache.
Plötzlich leuchten die Farben
Ein Gemälde markiert diesen Selbstfindungs-Prozess: „The Big Square“, das mit seinen wilden Pinselstrichen noch sehr expressiv wirkt.

„Hier sieht man, dass Jaffe zum einen auf einmal Geld für leuchtende kräftige Farben hatte: satte Grüntöne, ein wundervolles Orange, was herausleuchtet. Und es formieren sich schon klare Dreiecke heraus, Balken, Kreise.“
Diese und andere Formen wird die Künstlerin in den kommenden Jahren auf weißen Grund setzen. Schläuche, Linien, Zacken - immer neue Farbflächen in immer neuen Spannungsverhältnissen. In immer neuen, fesselnden Farbkompositionen.
Großformate in beengten Verhältnissen
Wie konzentriert forschend Shirley Jaffe arbeitete, vermitteln in der Basler Ausstellung zahlreiche Skizzenblätter, auf denen sie akribisch dokumentierte, welche Farbtöne, welches Mischverhältnis sie verwendete. Kaum zu glauben, dass all diese Großformate in ihrer kleinen Pariser Wohnung entstanden:
„Das war ein kleiner Raum, Dreiviertel davon hat sie zum Malen verwendet und ein Viertel zum Leben, da fand dann alles statt, also kochen, schlafen und lesen. Es war auch ein Begegnungsort für viele amerikanische Künstler und Künstlerinnen.“

Schwung und Experimentierfreude in jedem Werk
Shirley Jaffe las drei Tageszeitungen, diskutierte leidenschaftlich gern und konnte stundenlang durch Paris laufen, um später den Rhythmus der Stadt in ihre Formensprache zu übersetzen. Dieses Schwingen, diese Experimentierfreude und dieser Mut leuchten von den Basler Ausstellungswänden und hat eine unmittelbare Wirkung auf den Betrachter, sagt auch Olga Osadtschy:
„Die Gemälde leuchten von innen, keine Form wiederholt sich zweimal. Man kann eigentlich gar nicht anders als mit guter Laune die Ausstellung verlassen.“
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