Der Berliner Künstler Boris Eldagsen hat einen der wichtigsten Fotopreise der Welt abgelehnt. Er sollte den Sony World Photography Award in der Kategorie „Creative“ bekommen – für ein KI-generiertes Bild. „Weder hat Sony Award mein Diskussionsangebot angenommen noch haben sie den Leuten gesagt, dass das Bild KI-generiert ist“, sagt der Künstler in SWR2.
Boris Eldagsen lehnt den Preis ab
Boris Eldagsen ist ein routinierter Fotograf, seit rund 30 Jahren erfolgreich als Künstler, Digital-Stratege und Dozent. Als er am 13. April in London beim Sony World Photography Award die Bühne bestieg, als Gewinner der Kategorie „Creative“, da war er doch reichlich nervös.

Denn schließlich hatte Eldagsen in diesem Moment nichts weniger vor, als einen der wichtigsten Fotopreise der Welt abzulehnen. „Ich habe mich diesmal nicht beworben, weil ich wollte, dass meine Fotografie gesehen wird, sondern meine Bewerbung war ein Test.“
Bewerbung um den Preis war ein Test
Dieser Test bestand darin, bei einem Foto-Wettbewerb Bilder einzureichen, die zwar aussehen wie Fotografien, aber keine sind – sondern Ergebnisse von KI. In Sachen KI als Bilderzeuger ist Boris Eldagsen einer der profiliertesten Spezialisten und glücklich mit den neuen neuen digitalen Instrumenten.
„Ich brauche keine bestimmte Ausrüstung, keine bestimmten Modelle, keine bestimmten Locations mehr. Es gibt nur die Grenze meiner Vorstellungskraft“, sagt der Künstler.
Sony ließ Publikum über das KI-Bild im Dunkeln
Die einschlägigen Programme sind kostenlos und kinderleicht zu bedienen. Innerhalb von Sekunden spucken sie nach Eingabe von Suchbegriffen oder von Bildern Resultate aus, die aussehen wie echte Fotos, aber etwas ganz anderes sind, nämlich virtuelle Konstruktionen.
Ein Unterschied, der dem Veranstalter des Sony Fotowettbewerbs offenbar nicht interessiert, sagt Eldagsen: „Weder hat Sony Award meine Angebote, das zu diskutieren, angenommen noch haben sie in einer Pressemitteilung den Leuten gesagt, dass das Bild KI-generiert ist.“
Eldagsen hatte früh alles offen gelegt
Dabei hatte Eldagsen bereits nach der Gewinnbenachrichtigung alles offen gelegt, auf seiner Website ist detailliert erklärt, wie das Siegerbild entstanden ist – ein eigentümliches berührendes Doppelporträt von zwei Frauen im Stil der 40er Jahre, Teil einer Werkgruppe mit dem schönen Namen „Pseudomnensia“, was in etwa bedeutet: falsche Erinnerung.
„Das hier ist ein Anliegen, was die ganze Foto-Community angeht: Ist das noch Fotografie?Diese Fragen sollten sich alle Wettbewerber, Museen, Festivals stellen. Was ich aber in der Praxis erlebe, ist, dass das überhaupt nicht gewollt wird.“
Andere Wettbewerbe disqualifizieren KI-Bilder
Auch andere Wettbewerbe mit unklaren Regeln in puncto KI hatte Boris Eldagsen in den letzten Monaten systematisch mit seinen KI-Bildern beschickt. Jedes Mal wurde er disqualifiziert, jedes Mal ohne öffentliche Debatte.
Das ist ähnlich fatal wie die eigentümliche Dickfelligkeit des Sony-Awards, der das KI-Bild nun zwar akzeptiert, aber seinen wahren Charakter verschweigt, sagt Eldagsen: „Museen und Festivals müssen sich überlegen, wie sie das zeigen wollen. Jetzt, wo das Fotografische als Bildsprache sich selbständig gemacht hat, muss es Regeln geben.“
Alternative Fakten in Bildern
Vor allem aber sind KI-generierte Pseudo-Fotos ein gesellschaftliches Problem. Das gefakte Foto vom Papst im Daunenmantel ist eine nette Spielerei.
Aber die gleiche Illusionserzeugung angewendet auf Bilder von politischen Inhalten oder gar Kriegsschauplätzen öffnet der Lüge und der Desinformation enorme Möglichkeiten, warnt auch Boris Eldagsen: „Wir werden in Zukunft alternative Fakten haben, auch in Bildern, denen man nicht ansieht, ob sie echt oder Fake sind.“
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