Die Kunst von Wolfgang Laib kennt nur eine Richtung: Zurück zum Wesentlichen. Seine Installationen sind von radikaler Einfachheit. Sie herzustellen aber bedeutet enormen Aufwand.
Reis. Eine ganze Halle voll. In zehntausend kleinen Häufchen ausgestreut im Kunstmuseum Stuttgart. Zwei Etagen tiefer kniet der Mann, der sich dieses Kunstwerk ausgedacht hat, auf dem schwarzen Betonboden. Langsam und bedächtig überzieht er ihn aus einem Küchensieb mit einer zarten Schicht aus leuchtend gelben Blütenpollen.
Alles an Wolfgang Laib ist Achtsamkeit. Und dass er mit dem kahlen Schädel und der runden Brille ein wenig wie Mahatma Gandhi ausschaut, stört ihn sicher nicht. Er zitiert ihn sogar gerne: „Meine Ideen sind nicht neu, sondern so alt, wie die Berge, die mich umgeben“.
Reis, Pollen und Bienenwachs sind seine Materialien, Stein und Milch. Seit 45 Jahren schafft er aus ihnen immer wieder die gleichen Formen: Eier, Häuschen, Boote. Oder einfach Quader: Seine Milchsteine haben ihn weltberühmt gemacht. Blöcke aus makellosem weißem Marmor, wochenlang von Hand geschliffen. Aber erst, wenn Laib am Ende ein wenig Kuhmilch auf ihnen ausgießt, werden sie perfekt und spiegelblank.
Ausstellung Naturschön und streng: Die meditative Kunst von Wolfgang Laib im Kunstmuseum Stuttgart
Der Biberacher Künstler Wolfgang Laib ist ein stiller Star: Mehrfacher documenta- sowie Biennale-Teilnehmer, Ausstellungen und Preise weltweit. Nun zeigt das Kunstmuseum Stuttgart eine große Schau mit Laibs Werken aus natürlichen Materialien wie Blütenstaub und Bienenwachs. „Es geht mir ums große Ganze“, sagt der Künstler, „um Sinn, Leben und Tod – und darum, wie uns die Kunst eine bessere Welt zumindest vorschlagen kann.“
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Geschichte der weiblichen Kriminalität Baden-Badener Ausstellung zeigt „Criminal woman“ – Straftäterinnen passten nicht ins Frauenbild
Eine ungewöhnliche Ausstellung im Baden-Badener Kunsthaus LA 8 beschäftigt sich mit Frauen als Straftäterin. Manche wurden berühmt - wie etwa Charlotte Corday. Doch sind Mörderinnen die absolute Ausnahme. Viele Delikte werden Frauen von der Gesellschaft "zugeschrieben" - etwa Prostitution oder Diebstahl, auch mitunter politische Straftaten. Diese Sichtweise beruht häufig auf Vorstellungen des 19.Jahrhunderts, die sich zäh halten.
Frauen, die eine Straftat begingen, wurden in Geschichte und Kunstgeschichte oft zum Spektakel gemacht. "Weil das nicht mit der Vorstellung von einer Mutter, einer liebenden Frau zusammengebracht werden konnte", sagt Co-Kuratorin Jadwiga Kamola im Gespräch mit SWR2. Die Wirklichkeit sei aber ganz anders gewesen als die Klischees, die in Fernseh-Serien unterbreitet werden. Statistisch gesehen liege der Frauenanteil bei Mord-Vorwürfen bei unter einem Prozent. "Das war ein sehr seltenes Delikt", sagt Kamola.
Den Macherinnen der Baden-Badener Ausstellung ging es in ihrem Konzept um die Frage, wie Frauen kriminalisiert wurden - und für welche Taten. Das Ergebnis: "Das waren in erster Linie Prostituierte; das waren Frauen, die als asozial thematisiert wurden; das waren politische Widerstandskämpferin; das waren Frauen, die abtrieben". Mörderinnen wie die biblische Judith, die Holofernes köpft, oder Charlotte Corday, die während der Französischen Revolution Jean-Paul Marat ersticht, sind die Ausnahme.
Bestraft wurden Frauen oft anders als Männer. Es gab so genannte "Zuchthäuser" für Männer und für Frauen. Und in der NS-Zeit auch gesonderte Frauen-KZ, zum Beispiel Ravensbrück. Allerdings endeten die Unterschiede, wenn eine Verurteilung wegen Mordes erfolgte. "Entweder mit der Guillotine, der Richt-Axt mit dem Schwert", so Kamola über das dann fällige Todesurteil.
Die Objekte, die im LA 8 gezeigt werden, sind teilweise kunstgeschichtlicher Natur - Bilder, Gemälde oder Grafiken. Andere sind Zeugnisse von bestraften Frauen. Kamola berichtet: "Wir zeigen total berührende Objekte aus Ravensbrück, kleine Arbeiten von Frauen, die kriminalisiert wurden - beispielsweise kleine Broschen oder Miniatur-Pantoffeln."
Die Ausstellung zeigt, dass der Kriminalisierung von Frauen häufig Vorurteile aus dem 19.Jahrhundert zugrunde liegen - am häufigsten bei Sinti*zze und Rom*nja, die pauschal des Diebstahls verdächtigt wurden - und werden. "Wir möchten darauf hinweisen, dass Frauen noch heute kriminalisiert werden", bilanziert Kamola.
Jadwiga Kamola ist Kunst- und Ideenhistorikerin. Sie beschäftigt sich als freie Kuratorin mit den Schnittstellen von Kunst und Medizin sowie den Berührungspunkten von Kunst und Politik.