Kunst-Biennale 2019 in Venedig

Zólyom über ihre Arbeit am deutschen Pavillon

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Die 43jährige Franciska Zólyom wird den deutschen Beitrag auf der Kunst-Biennale 2019 in Venedig kuratieren. Die gebürtige Ungarin, die derzeit die „Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig“ leitet, sieht ihre Ernennung im SWR2-Interview auch als Ermutigung für künstlerische Arbeit in autoritär regierten Ländern. Dem Gedanken einer "Leistungsschau" in Venedig wolle sie künstlerische Vernetzung und Reflexion entgegensetzen.

Den Pavillon in Venedig ohne Besucher sehen

Franciska Zólyom freut sich darauf, den deutschen Beitrag bei der Kunst-Biennale 2019 in Venedig zu kuratieren.

Ein erster Besuch des Pavillons sei ihr sehr wichtig, sagt die 44-jährige im Gespräch mit SWR2. "Es gibt ja nur eine ganz kurze Zeit im Jahr, in der dieser Pavillon leersteht. Ich möchte auch einen Eindruck davon bekommen, wie die Giardini sind zu einem Zeitpunkt, an dem keine Besucher und keine Besucherinnen da sind, um mir Gedanken machen zu können."

Ermutigung für Kulturarbeit unter widrigen Bedingungen

Ihre Ernennung sieht die gebürtige Ungarin auch als Ermutigung für Künstlerinnen und Künstler, die in autoritären staatlichen Strukturen arbeiten müssten.

"Die Reaktionen meiner Kolleginnen und Kollegen in Ungarn, aber eben auch in den Ländern, wo wir Kooperationsprojekte hatten, war so positiv", erklärt Zólyom, "ich hatte regelrecht das Gefühl, dass das als Ermutigung genommen wird oder gesehen wird, die Kulturarbeit unter widrigen Bedingungen fortzusetzen, daran festzuhalten."

Sie habe großen Respekt vor der Leistung von Künstlerinnen und Künstlern, die in Ländern wie der Ukraine oder Weißrussland arbeiteten, wo es für künstlerische Tätigkeit keine institutionellen Strukturen gäbe.

Biennale im Erbe der Weltausstellungen

Die Erwartungen an eine Biennale der Superlative und einen Wettbewerb der Pavillons möchte sie sich nicht zueigen machen. "Die Biennale steht im Erbe von Weltausstellungen, ist eine Leistungsschau gewissermaßen", so die Ungarin. Anderes jedoch sei wichtiger.

"Es geht darum zu zeigen, woran in bestimmten Ländern gearbeitet wird, was die akuten, die dringendsten, die interessantesten Fragen und Themen sind. Für mich persönlich ist gar nicht so sehr der Wettbewerb interessant beziehungsweise ich halte ihn gewissermaßen auch für absurd, weil die Beiträge zum Teil so unterschiedlich sind, dass man Äpfel mit Birnen vergleichen würde."

Giardini in Venedig als Raum für Reflexion

Franciska Zólyom setzt demgegenüber auf eine Vernetzung der Kunstwerke im Stadtraum: "Was ich so toll finde ist, dass man durch die Giardini läuft, durch den Stadtraum läuft und in diesem Raum zwischen den Pavillons entsteht dann eine Reflexion dessen, was man gesehen hat, man fängt an, unweigerlich Verbindungen zu knüpfen. Daraus entsteht meines Erachtens tatsächlich auch ein sehr vielansichtiges Bild von Gegenwart - wie Kunst sich der Gegenwart nähert."

Regierung Orbán: An der Grenze des Legalen

Mit Sorge betrachtet Zólyom den Vormarsch des Rechtspopulismus. So argumentiere die Regierung Orbán "immer an der Grenze des Möglichen oder des Legalen und macht damit auch Räume auf für xenophobe, antisemitische, für militante Positionen".

Während das Land über der Bewertung des sozialistischen Erbes gespalten werde, würden die radikalen Tendenzen irgendwann nicht mehr zu bändigen sein. "Das darf man weder in Bezug auf Ungarn noch in Bezug auf hiesige politische Veränderungen unterschätzen. Wenn der Geist einmal aus der Flasche ist, will er da so schnell nicht wieder hinein."

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SWR