Abgründe, die sich unter dem Reiz der Oberfläche verbergen: Das Schauwerk Sindelfingen zeigt mit Untiefen in Gemälden und Skulpturen die Glanzstücke der Sammlung Schaufler. Es gehe um drängende Fragen der Gegenwart, sagt die Direktorin Barbara Bergmann: „Zeiten wie diese brauchen Ausstellungen, die nicht nur schön sind.“
Der trügerische Reiz der Oberfläche
Mit gleißenden Oberflächen kennt man sich aus im Schauwerk Sindelfingen. Alleine die tausende Quadratmeter makellos weißer Fußboden machen die Hallen zu einem gigantischen Reinraum der Kunst.
In diesem Ambiente eine Sammlungs-Auswahl zu zeigen, die sich mit dem trügerischem Reiz von Oberflächen befasst, spricht für die feine Selbstironie des Hauses. Die Direktorin Barbara Bergmann hat rund dreißig teils noch nie gezeigte Arbeiten von 19 Künstlerinnen und Künstlern zusammengestellt, darunter viele von bestechender Doppelbödigkeit.
Luxus oder Lebenselixier?
Da wäre zum Beispiel, direkt vom Eingang aus zu sehen, der riesige, auf Hochglanz polierte Stahleimer des indischen Künstlers Subodh Gupta – scheinbar ein pompöser Oversize-Sektkühler für eine Mega-Magnum-Schampus-Pulle.
In Wahrheit aber ein Verweis auf Armut; und auf ein fundamentales Lebensmittel, das im Zuge der Klimakrise auch im reichen Europa so langsam knapp wird: Wasser.
„Das ist die Vergrößerung eines Eimers, wie er in Indien verwendet wird, um Wasser zu holen. Gupta spricht damit die Lebensbedingungen in seinem Heimatland an, aber auch die Wasserverschwendung in der westlichen Welt.“, sagt Bergmann.
Todesstern symbolisiert Schusswaffenopfer
Die poppigen, meterhohen Raketen der Schweizer Künstlerin Sylvie Fleury sind lackiert in den Farbtönen von Kosmetik-Produkten. So erinnern sie sowohl an das harmlose Vergnügen von Tim und Struppis Mondfahrt-Comic, als auch an die Konturen der historischen Rakete „Vergeltungswaffe 2“, mit der die Deutschen am Ende des zweiten Weltkriegs die Stadt London mit Tod und Schrecken überzogen.
Finsterer Höhepunkt der Ausstellung ist die goldglänzende Installation „Todesstern“ des US-Amerikaners Robert Longo. Eine Aluminiumkugel, besetzt mit 40 000 Vollmantel-Patronen, hängt an einer Kette in einer großen schwarzen Kammer.

Auch hier sei die Ästhetik zunächst verführerisch, sagt Barbara Bergmann und fügt dann hinzu: „Longo hat mit diesen 40.000 Geschossen die Statistik der Schusswaffenopfer in USA im Jahr 2018 abgebildet.“
Ein aufgepumpter Porsche mit Fettleber
Verglichen damit sind die deutschen Probleme putzige Petitessen: Das Gaspedal als Verkörperung bürgerlicher Freiheiten, wenn man dem liberalen Verkehrsminister folgen mag.
Porsche-Liebhaber wie dessen Parteichef könnten jedenfalls irritiert reagieren auf den Publikumsmagneten im Schauwerk: Ein feuerrotes Porsche 911-Cabrio, das der österreichische Künstler Erwin Wurm absurd aufgepumpt hat.
Die ganze Karosserie und auch die Ledersitze quellen auf wie Fettwülste, so dass niemand mehr in dieses adipöse Blechgetüm einsteigen könnte, geschweige damit fahren. Ein lustiger, aber auch ein ziemlich galliger Schlusspunkt dieser äußerst sehenswerten Ausstellung.
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