Wer Papst ist, zeugt auch Kinder
Wer Papst ist, zeugt keine Kinder, denkt man zumindest. Dass das Zölibat im Mittelalter manchmal mehr Vorschlag als Dekret war, bezeugen eine ganze Reihe von Nachkommen aus der Blutlinie von Kirchenvätern.
Eine davon: Margarete von Savoyen, die als Tochter des späteren Gegenpapstes Felix V. 1420 in Morges am Genfer See zur Welt kommt. Die Ausstellung illustriert das bewegte Leben einer Frau, die im Laufe ihres Lebens mit den Oberhäuptern dreier verschiedener Herrscherfamilien verheiratet war.
Gebildet und belesen
Ungewöhnlich für eine Frau dieser Zeit ist vor allem, dass bis heute noch so vieles von Margarete von Savoyen bekannt ist. Das liege vor allem daran, dass sie als hochgebildete Frau ihren Lebensweg schriftlich festgehalten habe, sagt Peter Rückert, Kurator der Ausstellung. „In 150 Briefen im Hauptstaatsarchiv allein können wir uns ihr wirklich persönlich annähern.“

Viel zu erzählen hatte sie. Schon mit 11 Jahren wurde sie mit dem Titularkönig von Sizilien und Neapel verheiratet. Diesen sollte sie jedoch nie kennen lernen, da er bereits kurze Zeit später verstarb.
Eine begehrte Heiratspartie
1439 wurde ihr Vater auf dem Konzil von Basel zum Papst gewählt, was sie als Königswitwe mit nur 19 Jahren zu einem der begehrtesten Menschen des europäischen Heiratsmarktes machte. Das große Los zog Kurfürst Ludwig IV. von der Pfalz.
Diese Ehe war jedoch ebenfalls nur von kurzer Dauer. Mit 33 Jahren sollte die nun zweifach verwitwete Margarethe ihren letzten Ehemann kennen lernen: Herzog Ulrich V. von Württemberg. Für diesen zog sie dann auch an ihren finalen Wohnort: Stuttgart. Ein Leben verstreut durch halb Europa.
Das Leben einer Adeligen
Doch trotz der vielen unterschiedlichen Wohnorte und Sprachen wissen wir, das Margarethe ihren Interessen meist literarischer Natur stets treu blieb.
„Wir wissen, was sie am liebsten gelesen hat: Ritterromane, Abenteuerromane. Wir wissen, dass sie sehr fromm war, dass sie Pilgerreisen gemacht hat, bis nach Santiago de Compostela und dass sie gerne Badereisen gemacht hat, wo sie sich Literaten herbeirief, die ihr vorlesen sollten. Dadurch können wir wirklich Einblick nehmen in das herausragende adelige Leben dieser Zeit“, sagt Peter Rückert.
Kostbare Exponate
Die ausgestellten Schmuckstücke, Bücher und meterlangen Pergamentrollen erzählen nicht nur die Geschichte einer außergewöhnlichen Frau, sondern platzieren sie auch im Kontext ihrer Zeit. Zeugnis davon gibt auch eines der wertvollsten Schriftstücke der Ausstellung: Das Missale, das Messbuch des Papstes Felix V., Margaretes Vater.
„Eines der berühmtesten und kostbarsten Bücher seiner Zeit in der Hand halten zu dürfen, ist etwas ganz besonderes“, sagt Peter Rückert. Man spüre die Aura von Margarethe selbst in diesem.
Das Buch ist eine Leihgabe aus Turin, andere Exponate stammen vom Genfersee. Die langjährige internationale Kooperation, ohne die die Ausstallung nicht möglich gewesen wäre, stand in den letzten Monaten im Zeichen der Corona-Pandemie.
Geplagt von der Pest in Europa
Darin findet sich aber auch eine Parallele zu Margarethe von Savoyen, die selbst während einer europaweiten Epidemie lebte. „Wir haben hier viele Pestzeugnisse, schon vor ihrer Geburt, wo die Stadt Morges abgeschlossen wird, um nicht ihre Mutter zu gefährden, die schwanger ist“, erläutert Rückert.
Margarete von Savoyen stirbt im Alter von 59 Jahren in Stuttgart. Begraben ist sie in der Stiftskirche. Die Ausstellung im Staatsarchiv erinnert an eine Frau, die zu Lebzeiten hoch begehrt und nach ihrem Tod zu Unrecht in Vergessenheit geriet.