Ausstellung

Die Natur als Erfindung: Max Ernst im Bonner Kunstmuseum

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AUTOR/IN
Henning Hübert

Der im Jahr 1891 in Brühl geborene Maler Max Ernst gilt als Hauptvertreter des Surrealismus. Seine Phantasie war riesengroß, mit der er aus Pflanzen, Tieren oder antiken Frauenfiguren Traumwesen und ganze Traumwelten geschaffen hat. Das Bonner Kunstmuseum zeigt nun eine Schau seiner Werke.

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Jeder Raum beherbergt eines von Ernsts Schlüsselwerken

Große Überschriften führen einen in die Säle des Bonner Kunstmuseums: Anfang der Welt; Die Wälder; Die Vögel; Eva, unsere letzte Hoffnung; Kleiner und schließlich: Großer Kosmos. In jeden Raum hat Kurator Volker Adolphs mindestens ein Schlüsselwerk des Surrealisten hängen können:

 „Wir entfalten die über 200 Werke der Ausstellung in Kapiteln. Zum Beispiel kommt der Wald vor. Die Dunkelheit, Wald, zu finden in weißen Räumen – das ist auch die Kraft der Kunst von Max Ernst.“

Korrespondierende Werke ergänzen die Schau

 Bedrohlich wirken vor knapp einhundert Jahren gemalte Nadelbäume im Bild „Grätenwald“. Auf dem ansonsten ziemlich dunklen Bild in typisch schwarzer Rahmung schimmert über den Bäumen eine kleine Sonne – sie wird Max Ernsts Markenzeichen.

In seiner „Histoire Naturelle“ hat er sie das „Brautbett von Himmel und Hölle“ genannt. Die einzelnen Abschnitte seiner Naturgeschichte gliedern auch den Rundgang durch die Ausstellung.

Zu fast jeder Max-Ernst-Grafik, Zeichnung oder großen Leinwandarbeit hat Kurator Volker Adolphs Korrespondierendes von Zeitgenossen oder ganz aktuellen Künstlern gehängt.

Der Wald kann bei Ernst auch bedrückend wirken

Von Sigmar Polke stammt die größte Hommage: ein auf ein Riesenformat hochgezogenes buntes Bild einer Gaslaterne, die wie magisch Schmetterlinge anzieht. Die Vorlage ist viel kleiner, versteckt in einem Collagenroman mit Bildlegenden aus dem Jahr 1929.

Auch neben dem „Grätenwald“ von Max Ernst hängt wieder ein neues Gemälde: Hartmut Neumanns Waldbild „Winterhart“ wurde 2018 fertig und zeigt Äste und Stämme so, als seien sie Gitterstäbe und würden den Betrachter einsperren. Der Wald – seit Max Ernst liefert er neben Entzücken auch Bedrücken. Herausgearbeitet in reiner Atelierkunst:

Kurator Volker Adolphs: „Er schaut nach innen, wie er sagt. Um aus dem Inneren heraus diese Bilder zu entfalten: Aus Traum und Wirklichkeit ganz eigene, plausible Bilder der Phantasie zu schaffen. Die entstehen experimentierend am Tisch, an der Staffelei.“

Ausstellung „Max Ernst und die Natur als Erfindung" im Kunstmuseum Bonn (Foto: Pressestelle, VG Bild-Kunst Bonn, 2022)
Max Ernst, Fleurs de neige, 1929, Öl auf Leinwand, Fondation Beyeler, Riehen/Basel, Sammlung Beyeler, Foto: Robert Bayer Pressestelle VG Bild-Kunst Bonn, 2022

Ernst erfand sich seine eigene surreale Welt

So wie 1953 „Mutter und Kind im nächtlichen Wald“ – das sind eigentlich nur noch Strichmännchen, die aber sehr große Furcht auszudrücken vermögen: Sie stehen in feuerroten Hölzern, ein undurchdringliches Dickicht.

Der Weg in die Dunkelheit scheint versperrt. Um solche visionären Naturbilder überhaupt entwickeln zu können, brauchte der Künstler etwas, was seine Phantasie erst anregte.

Das Bonner Kunstmuseum bietet den ganzen phantastischen Fundus aus dem der Maler und Grafiker Max Ernst heraus seine eigene surreale Welt erfunden hat. Wie er aus Pflanzen, Tieren oder antiken Frauenfiguren Traumwesen und ganze Traumwelten machte.

Ausstellung „Max Ernst und die Natur als Erfindung" im Kunstmuseum Bonn (Foto: Pressestelle, VG Bild-Kunst Bonn, 2022)
Max Ernst, Fleurs de neige, 1929, Öl auf Leinwand, Fondation Beyeler, Riehen/Basel, Sammlung Beyeler, Foto: Robert Bayer Pressestelle VG Bild-Kunst Bonn, 2022

Ernst war kein Pionier der Ökobewegung

Beim Betrachten wirkt die Natur noch verletzlicher als vorher. Ein Pionier der Ökobewegung – das war Max Ernst aber nicht. Im Gegenteil. Volker Adolphs:

„Es geht bei Max Ernst vor allem um Kunst. Es geht nicht um Abbildung, um Reproduktion von Natur. Also Natur war ihm, ach Gott, wenn ich das jetzt sage!: fast egal. Aber sie lieferte Formen und war ein offener Raum des Möglichen.“

Viele Leihgaben bereichern die Ausstellung

Das Bonner Kunstmuseum konnte bei dieser Max-Ernst-Schau auf viele Dauerleihgaben aus der Fitting-Stiftung zurückgreifen, etwa das Erdbeben-Bild aus dem Jahr 1925. Die Fondation Beyeler entlieh das formatmäßig größte Werk des Surrealisten – seine „Schneeblumen“ aus dem Jahr 1929.

Das Titelbild der Ausstellung und auch des 270 Seiten starken Katalogs kommt wiederum aus einer Privatsammlung: Ein von Schimären bevölkerter Garten. Zwar grünt und wächst auf den ersten Blick alles.

Ausstellung „Max Ernst und die Natur als Erfindung" im Kunstmuseum Bonn (Foto: Pressestelle, VG Bild-Kunst Bonn, 2022)
Max Ernst, Jardin peuplé de chimères, 1936, Öl auf Leinwand, Privatsammlung, Foto: David Ertl Pressestelle VG Bild-Kunst Bonn, 2022

Aber guckt man genauer auf die Gräser und ins Blattwerk hinein, dann krümmt sich da eine Gottesanbeterin schon so sehr, dass man spürt: der Verfall ist von Max Ernst schon eingelesen, von Anfang an.

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