Bühne

Stadtführung „City X. Fragmente eines Krieges“ zeigt in Stuttgart das Leben im Ausnahmezustand

Stand
AUTOR/IN
Silke Arning

Wie fühlt es sich an, jeden Tag mit der Bedrohung durch russische Raketen und Panzer leben zu müssen? Wie kommen die Menschen in der Ukraine zurecht, wenn sie längere Zeit gemeinsam in Schutzkellern ausharren müssen? Der Audiowalk „City X“ zeigt in einer inszenierten Führung durch Stuttgart wie es ist, mit dem Krieg zu leben.

Audio herunterladen (4,3 MB | MP3)

Nadja ist die Stimme im Ohr

Friedliche Parkatmosphäre, grüne Wiese: Im Rücken das Stuttgarter Theater, nebendran das Rauschen der Wasserfontäne, im Ohr die Stimme meiner Führerin Nadja, die mir von ihrem Erleben in der Ukraine erzählt:

„Ich zeige Dir heute meine Stadt und einige der Menschen, die hier leben. Du muss nichts weiter tun, als meiner Stimme und ihren Anweisungen zu folgen.“

Einblick in den Ausnahmezustand

Nach einigen ersten Metern macht Nadja mich auf einen Laternenpfahl aufmerksam, von dem ein Gewirr an Klebebändern schlaff herunterhängt. Ein Plünderungspfahl sei das. So erginge es den Wohnungsplünderern, die mit heruntergelassener Hose angebunden und öffentlich zur Schau gestellt werden, erklärt Nadja.

City X - Fragmente eines Krieges (Foto: SWR, Silke Arning)
Ein Leben im Luftschutzbunker: Die Menschen hätten sich an den Ausnahmezustand gewöhnt, sagt Autorin Luda Tymoshenko.

Ein paar Ecken weiter geht es abwärts in die Untiefen einer Tiefgarage, an Müllcontainern vorbei, durch lange schmale, zum Teil nur schummrig beleuchtete Gänge mit dicken Entlüftungsrohren an der Decke, Treppe runter, Treppe rauf, durch unzählige Stahltüren.

Ukrainischer Kriegsalltag mitten in Stuttgart

Hinter der Tür öffnet sich ein einzelner kahler, dunkler Raum, nackte Betonwände, Eine Matratze liegt am Boden, daneben ein Notfallkoffer. Das sei ihr Zuhause im Schutzraum, meint Nadja und fordert mich auf, alles genau anzuschauen: Ihre Papiere und Zeugnisse, das winzige Foto ihres verstorbenen Mannes.

Ukrainischer Kriegsalltag mitten in Stuttgart – die Geschichten zum Audiowalk „City X“ haben die beiden ukrainischen Hausautorinnen am Schauspiel Stuttgart, Luda Tymoshenko und Maryna Smilianets, geschrieben, während Regisseur Gernot Grünewald die entsprechenden Räume in der Stadt gefunden und bespielt hat.

City X - Fragmente eines Krieges (Foto: SWR, Silke Arning)
Auf verschlungenen Wegen geht es durch den Stuttgarter Untergrund.

„Der Gedanke war, Stuttgart zu überschreiben mit einer Kriegswirklichkeit. Wir wollten mit ukrainischen Statistinnen arbeiten“, sagt Grünewald. „Es war eine bereichernde Entdeckung, dass die allermeisten der geflüchteten Menschen diese Geschichten mitbringen.“

Eine Frau rollt „Schützengrabenkerzen“

Noch eine Tür, ein weiterer, funzelig beleuchteter Kellerraum. Eine junge Frau rührt in einem Topf mit heißem Kerzenwachs herum. Dann schneidet sie schmale Pappstreifen zurecht, rollt sie zusammen und stopft sie in eine alte Blechdose.

„Das sind Schützengrabenkerzen“, flüstert mir Nadja ins Ohr. Zum Tee- oder Kaffee-Aufwärmen. Elektrokocher sind an der Front eben kaum zu haben.

Mit dem Krieg leben

Sanitätsraum, Waschraum, ein Kinderzimmer, ein Raum für Tiere,  ein Keller zum Gedenken an die Gefallenen, in dem sich die Stiefel der toten Soldaten reihen – mit jeder neuen Tür vervollständigt sich das Bild von einem Leben im Ausnahmezustand, der zur Normalität geworden ist.

Die Menschen in der Ukraine haben sich an die Gefahr gewöhnt, meint Theaterautorin Luda Tymoshenko, die einen Teil der Texte zum Audiowalk „City X“ geschrieben hat: „Ich habe gesehen, dass die Leute sich nicht mehr fürchten, sie haben gelernt mit dem Krieg zu leben.“

Trostlosigkeit in Stuttgarts Untergrund

Auf verschlungenen, aber immer sicher geleiteten Wegen geht es durch die unterirdische Welt des Parkhauses und des angrenzenden Hotels – einer 5-Sterne-Luxus-Unterkunft am Schlossgarten, die aktuell leer steht. Nach den tristen Betonkellern vermitteln die aufgegebenen Lager- und Büroräume ihren ganz eigenen Charme an Trostlosigkeit und Unbeseeltheit.

Eine gute Stunde später geht es wieder nach draußen, darf ich die kurze, beklemmende Erfahrung des Schutzbunkerdaseins hinter mir lassen, mit der die Menschen in der Ukraine nun schon über ein Jahr lang leben müssen. 

Ausstellung Pop-Collagen von Andy Warhol bis Sigmar Polke in Ludwigshafen

Das Wilhelm-Hack-Museum zeigt mit Werken von Andy Warhol, Sigmar Polke oder Daniel Spoerriden Einfluss der Collage auf die Kunst des 20. Jahrhunderts.

SWR2 Journal am Mittag SWR2

Ausstellung Von der Straße ins Museum: Stadtgalerie Neuwied zeigt Streetart von Newcomern und Banksy

Die Ausstellung „Vandals – Töchter und Söhne der Streetart“ zeigt die Vielfalt der Straßenkunst. Werke von Newcomern sind neben Kunstwerken von Koryphäen wie „Blek le Rat“ und Shootingstars wie Banksy zu sehen. Neben großformatigen Leinwänden finden sich besprühte Straßenschilder und geschnitzte Figuren. Die Straßenkunst, geboren in der Illegalität, wird in dieser Ausstellung salonfähig gemacht. Ein gelungener Spagat, der Spaß macht.

SWR2 Journal am Mittag SWR2

Geschichte der weiblichen Kriminalität Baden-Badener Ausstellung zeigt „Criminal woman“ – Straftäterinnen passten nicht ins Frauenbild

Eine ungewöhnliche Ausstellung im Baden-Badener Kunsthaus LA 8 beschäftigt sich mit Frauen als Straftäterin. Manche wurden berühmt - wie etwa Charlotte Corday. Doch sind Mörderinnen die absolute Ausnahme. Viele Delikte werden Frauen von der Gesellschaft "zugeschrieben" - etwa Prostitution oder Diebstahl, auch mitunter politische Straftaten. Diese Sichtweise beruht häufig auf Vorstellungen des 19.Jahrhunderts, die sich zäh halten.
Frauen, die eine Straftat begingen, wurden in Geschichte und Kunstgeschichte oft zum Spektakel gemacht. "Weil das nicht mit der Vorstellung von einer Mutter, einer liebenden Frau zusammengebracht werden konnte", sagt Co-Kuratorin Jadwiga Kamola im Gespräch mit SWR2. Die Wirklichkeit sei aber ganz anders gewesen als die Klischees, die in Fernseh-Serien unterbreitet werden. Statistisch gesehen liege der Frauenanteil bei Mord-Vorwürfen bei unter einem Prozent. "Das war ein sehr seltenes Delikt", sagt Kamola.
Den Macherinnen der Baden-Badener Ausstellung ging es in ihrem Konzept um die Frage, wie Frauen kriminalisiert wurden - und für welche Taten. Das Ergebnis: "Das waren in erster Linie Prostituierte; das waren Frauen, die als asozial thematisiert wurden; das waren politische Widerstandskämpferin; das waren Frauen, die abtrieben". Mörderinnen wie die biblische Judith, die Holofernes köpft, oder Charlotte Corday, die während der Französischen Revolution Jean-Paul Marat ersticht, sind die Ausnahme.
Bestraft wurden Frauen oft anders als Männer. Es gab so genannte "Zuchthäuser" für Männer und für Frauen. Und in der NS-Zeit auch gesonderte Frauen-KZ, zum Beispiel Ravensbrück. Allerdings endeten die Unterschiede, wenn eine Verurteilung wegen Mordes erfolgte. "Entweder mit der Guillotine, der Richt-Axt mit dem Schwert", so Kamola über das dann fällige Todesurteil.
Die Objekte, die im LA 8 gezeigt werden, sind teilweise kunstgeschichtlicher Natur - Bilder, Gemälde oder Grafiken. Andere sind Zeugnisse von bestraften Frauen. Kamola berichtet: "Wir zeigen total berührende Objekte aus Ravensbrück, kleine Arbeiten von Frauen, die kriminalisiert wurden - beispielsweise kleine Broschen oder Miniatur-Pantoffeln."
Die Ausstellung zeigt, dass der Kriminalisierung von Frauen häufig Vorurteile aus dem 19.Jahrhundert zugrunde liegen - am häufigsten bei Sinti*zze und Rom*nja, die pauschal des Diebstahls verdächtigt wurden - und werden. "Wir möchten darauf hinweisen, dass Frauen noch heute kriminalisiert werden", bilanziert Kamola.
Jadwiga Kamola ist Kunst- und Ideenhistorikerin. Sie beschäftigt sich als freie Kuratorin mit den Schnittstellen von Kunst und Medizin sowie den Berührungspunkten von Kunst und Politik.

SWR2 Journal am Mittag SWR2

Stand
AUTOR/IN
Silke Arning