Ausstellung

„Homosphäre“ – Mainzer Kunsthalle macht Luftraum sichtbar

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AUTOR/IN
Sina Weinhold

Seitdem wir uns vor virustriefenden Aerosolen und Feinstaub schützen müssen oder seit durch den Krieg gegen die Ukraine der Appell laut wurde, den Luftraum zu schließen, ist die Wahrnehmung der Luft über der Erde und ihrer Relevanz plötzlich enorm geschärft. Die Mainzer Gruppen-Ausstellung „Homosphäre“ macht die allgegenwärtige aber unsichtbare Sphäre vielschichtig erfahrbar.

Kunst, die wissenschaftliche Methoden nutzt, um Unsichtbares wahrnehmbar zu machen

Das Ready-made „Die Nebelkammer“ von Carsten Nicolai ist ein seltsames Gerät. Rein äußerlich irgendwas zwischen einem magischen Apparat aus der Zauberwelt von Harry Potter und einem futuristischen EKG-Schreiber. Es sei ein Apparat, den man in der Wissenschaft nutzen könnte, erklärt Stefanie Böttcher, die Leiterin der Kunsthalle Mainz, „aber im Grunde wird der nie benutzt, weil er keine analysierbaren Daten auswirft.“ Der Apparat soll unsichtbare Strahlung sichtbar machen, durch Partikel oder feuerwerksartige Strukturen.

Kunst, die wissenschaftliche Methoden nutzt, um wahrnehmbar zu machen, was nicht abbildbar ist, das ist ein Aspekt der Ausstellung, die das, was wir Homosphäre nennen untersucht. Und auch um die Wechselwirkung zwischen dem Menschen und dem Luftraum der uns umgibt geht es, erklärt Stefanie Böttcher den Ansatz der international bestückten Gruppenausstellung.

So hat der argentinische Performance- und Installationskünstler Thomas Saraceno in seiner Arbeit „We do not breathe the same air“ an verschiedenen Orten von Paris Feinstaubfilter angebracht, um damit die Luftqualität zu messen. Nebeneinandergesetzt und eingerahmt wirken die fast weißen bis dunkelgrauen Punkte wie eine minimalistische Malerei. Dahinter steckt die Konzentration des Giftstoffes, die Menschen einatmen, wie Stefanie Böttcher erklärt.

Gift im Luftraum und der Luftraum als Austragungsort militärischer Angriffe

Gift im Luftraum und die Folgen, damit beschäftigt sich auch das Künstlerkollektiv-Projekt „Don´t follow the Wind“, eine Ausstellung etwa in verlassenen Häusern, in der nuklear verseuchten Zone in Fukushima, wiederbetretbar erst zu einem unbekannten Zeitpunkt in der Zukunft.

Der Luftraum hingegen als Transitort, als Austragungsort militärischer Angriffe auf den Körper, diese Verwundbarkeit visualisiert die 96-teilige Arbeit von Walid Raad sehr eindrücklich. Auf den ersten Blick Fetzen von Blau in allen Schattierungen. Was aussieht wie gemalt, sind tatsächlich Drucke. Es sind Ausschnitte des Himmels von 9/11. In den Gerichtsverhandlungen um den Terrorangriff wurde immer wieder betont, wie strahlend blau der Himmel an diesem Tag gewesen sei. Das ist Walid Raads Inspiration zu seinen 96 Annäherungen an die Farbe des Himmels am 11. September 2001.

Der Himmel über Madrid am letzten Tage der Weltklimakonferenz 2019

Auch die riesigen Fotografien von Almut Linde beschäftigen sich mit dem blauen Himmel und lassen zusätzlich Raum für Spekulationen. Kondensstreifen oder Chemtrails? Fakt ist: bei ihren Air-Traffic-Bildern handelt es sich um den Himmel über Madrid, fotografiert am Morgen des letzten Tages der dort abgehaltenen Weltklimakonferenz 2019. Bilddokumente mit satirischer Qualität.

Zu Almut Lindes Zyklus „Wolkenmeer“ zählt auch eine multimediale Arbeit der Konzeptkünstlerin. Ein vierminütiges Video zeigt, wie 29,7 Tonnen CO2 wunderschön in den Himmel verdampfen. Ausgestoßen von einem der größten Kraftwerke in Norddeutschland. Die hellen, weißen Wölkchen werden nach und nach überlagert von dunklen, grauen Kohlenstoffwolken.

„Homosphäre“ ist eine überraschend sinnliche, positive Ausstellungserfahrung. Was erstaunt, zeigen die Werke doch allesamt die Verschmutzung und Verwundbarkeit unseres Luftraums, den wir in Zukunft besser im Auge behalten sollten.

Ausstellung Kunst als Selbsttherapie: Werke des rumäniendeutschen Künstlers Dorél Dobocan in der Akademie der Wissenschaft Mainz

Der international bekannte Mainzer Künstler Dorél Dobocan wurde 1951 in Rumänien geboren und gehörte der rumäniendeutschen Minderheit an. Mehrere Fluchtversuche, Gefängnis und sogar Zwangspsychiatrie hat er in seiner Jugend erlebt. Die Kunst beschreibt Dorél Dobocan als Selbsttherapie.

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Sina Weinhold