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Für Künstler faszinierend, vom Aussterben bedroht: „Das Insekt“ in der Kunsthalle Mannheim

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Martina Senghas
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Lydia Huckebrink

Die Biomasse von Insekten sinkt dramatisch, was langfristig zu einem biologischem Kollaps führen könnte. Im Rahmen der großen Klimaausstellung „1,5 Grad“ widmet sich die Mannheimer Kunsthalle nun jenen Lebewesen, die Künstler*innen und Wissenschaft gleichermaßen faszinieren.

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Insekten erfahren eine neue Aufmerksamkeit

Insekten. Begegnet man ihnen im Alltag, schnipsen viele sie weg – achtlos, belästigt oder angeekelt. Spätestens seitdem Untersuchungen ergeben haben, dass ihre Biomasse dramatisch gesunken ist und das langfristig zu einem biologischen Kollaps führen kann, erfahren Insekten allerdings eine andere Aufmerksamkeit.

Genau daran knüpft die Schau in Mannheim an. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die Vielfalt von Insekten und die Vielfalt der künstlerischen Auseinandersetzung mit ihnen zu zeigen. Die Ausstellung beginnt im 17. Jahrhundert, sagt Kurator Thomas Köllhofer.

Insekten (Foto: SWR, Martina Senghas)
Das wissenschaftliche Interesse an Insekten schlug sich in aufwendigen detailgetreuen Zeichnungen nieder.

Insektenforscher hätten Insekten schon immer als schöne Lebenwesen dargestellt. „Auf der anderen Seite versuchen Künstler, so präzise wie möglich zu sein. Das heißt, Kunst und Wissenschaft kommen hier ganz nah zueinander.“ 

Erforschung der Natur durchs Zeichnen

Die Erforschung von Insekten durch das Zeichnen, so könnte man den einen Teil dieser Schau betiteln. Perfekt geformte Käfer und Falter, bei denen noch die dünnsten Härchen und Beinchen gezeichnet sind. Oder alte Buch-Drucke mit Raupen- , Motten- und Heuschrecken-Bildern, von denen jedes einzelne nachkoloriert wurde.

 „Eine unglaublich feine und präzise Handarbeit“, sagt Köllhofer. Die Künstler hätten Wert darauf gelegt, die Tiere so darzustellen, wie sie wirklich aussehen.

Vom forschenden zum spielerischen Interesse  

Der Blick auf das Insekt ändert sich im Großen und Ganzen dennoch ab Anfang des 20. Jahrhunderts. Das zeigt der zweite Teil der Ausstellung. Zu bemerken sei ein realistischerer, nüchterner Blick auf das, was passiert. Immer weniger geht es um das forschende Interesse, als um das Insekt als ein Objekt der Projektion, sagt der Kurator der Ausstellung.

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Da gibt es etwa eine skurrile 3-D-Film-Montage, bei der eine Gottesanbeterin in einer biedermeierlichen Wohnung haust und Besuch von einem Männchen bekommt, das sie schließlich auffrisst. Oder ein Plakat mit vergrößerten Darstellungen von scheinbar identischen Stubenfliegen, die bei genauer Betrachtung dann doch ziemlich einzigartig sind.

Fliegen symbolisieren Vergänglichkeit

Die modernen Insektendarstellungen in der Ausstellung sind oft spielerisch. Sie zeigen erfundene Käferarten und überdimensionale Falter aus Japanpapier. Hirschkäfer-Tätowierungen und Miniatur-Bronzegüsse. Was sie dennoch mit den akribischen Zeichnungen aus dem ersten Teil verbindet, ist das Motiv des Morbiden. Allerdings mit einem Bedeutungswandel: von der Begeisterung für die Schöpfung hin zur Wehmut über ihre Endlichkeit. 

„Das Morbide gibt es in den Darstellungen des 17. Jahrhunderts, wo Fliegen als Bild für die Vergänglichkeit gezeigt werden“, sagt Köllhofer. „Heute werden die Insekten selbst Teil der Vergänglichkeit. Und damit auch zum Symbol für die Vergänglichkeit des Menschen.“

 

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