Nichts hält so lange wie ein Provisorium, das weiß jeder, der schon mal umgezogen ist. Das Zentrum für Baukultur in Mainz widmet sich jetzt mit einer Fotoausstellung dem Unfertigen und Vorläufigen. Warum die aus Sicht der Stadtplanung so spannend sind, erklärt die Architektin Hanna Noller in ihrem Eröffnungsvortrag.
Großbaustelle Stuttgarter Bahnhof - ein gutes Beispiel für ein Provisorium
Der Stuttgarter Bahnhof sei ein besonders gutes Beispiel für ein Provisorium im Städtebau, sagt Hanna Noller. Mit der Großbaustelle für Stuttgart 21 würden wir noch eine Weile leben müssen, aber die provisorischen Wege und Übergänge erlaubten es uns zumindest, den Bahnhof während der Bauarbeiten weiter zu nutzen.
Deutlich bunter dagegen die Container City, ebenfalls in Stuttgart: Aus der Notlösung für den Kunstverein Wagenhalle sei mittlerweile ein eigenständig genutzter, kreativer Ort geworden.

Provisorien können auch bewusst für die Stadtgestaltung genutzt werden
Und tatsächlich sind es oft Umbruchs- und Notsituationen, in denen provisorische Architektur entsteht: Sanierungs- und Bauarbeiten, dringend benötigter Wohnraum.
Provisorien könnten dann aber auch ganz bewusst als Medium der Stadtgestaltung eingesetzt werden, sagt Hanna Noller. Diese Idee gebe es schon seit den 1970er-Jahren.
„Da können dann Ideen auch mal Stück für Stück ausgetestet werden, bevor in den Gremien entschieden und viel Geld ausgegeben wird.“ Und da, wo noch nichts festgelegt ist, falle es Menschen auch leichter, sich mit ihren Ideen einzubringen, so Noller.

Ans Provisorium gewöhnen - lieber nicht!
Problematisch werde es, wenn Provisorien zum Dauerzustand würden. „Gerade bei Wohnraum muss ein gewisser Standard gewährleistet sein.“ Deshalb hält es Hanna Noller auch für keine gute Idee, sich ans Provisorium zu gewöhnen. Stattdessen plädiert die Architektin dafür, das kreative Potenzial zu nutzen, das im Unfertigen steckt: „Das Provisorium ist ein gutes Hilfsmittel um auszutesten, wo wir überhaupt hinwollen.“
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