„Kaiser und Sultan. Nachbarn in Europas Mitte 1600–1700“

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Vom Austausch zwischen Orient und Okzident berichtet die große Landesausstellung „Kaiser und Sultan“ im Badischen Landesmuseum Karlsruhe.

Eiserne Kriegskasse (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Uli Deck)
Eckart Köhne, Direktor des Badischen Landesmuseums: „Es ist einer der ältesten Sammlungsbestände, die wir überhaupt haben. Badische Familiengeschichte ist der Ausgangspunkt. Der ,Türkenlouis‘, Ludwig Wilhelm von Baden-Baden, hat auf dem Balkan gekämpft, 1691 die Schlacht von Slankamen gewonnen. Die Familie hat dieses Ereignis über Generationen gefeiert – und auch weitere Stücke gesammelt. Das ist ein Bestand, der wirklich in die Tiefe der badischen Geschichte führt.“ - Auf dem Bild: Eiserne Kriegskasse von 1687 .
Polnische Husarenrüstun (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Uli Deck)
Exotische Trophäen aus einer glorreich gewonnenen Schlacht. So wurden die prunkvollen Sättel, Waffen und Rüstungen, die Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden aus den sogenannten „Türkenkriegen“ mit nach Hause brachte, in seiner Heimat jahrhundertelang stolz präsentiert. - Auf dem Bild: Polnische Husarenrüstung mit Sturmhaube aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.
Edelsteinbesetzter Prunksattel (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Uli Deck)
Auch als die Markgrafen schon längst abgedankt hatten, wurde an dieser Art der Geschichtsschreibung nicht viel verändert. Erst in jüngster Zeit hat man damit begonnen, einen anderen Blick auf die Sammlung zu werfen, generell auf die Epoche des 17. Jahrhunderts im südosteuropäischen Raum. - Auf dem Bild: Edelsteinbesetzter Prunksattelder aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stammt.
Streitkolben (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Uli Deck)
Ungarn, Siebenbürgen, Kroatien und Serbien grenzten direkt an das Osmanische Reich und hatten damit auch die Funktion einer Verbindungsbrücke zwischen Okzident und Orient, erklärt Schoole Mostafawy, Kuratorin der Ausstellung: „Diese Verbindung zwischen den Kulturen wird sichtbar. Zum Beispiel in einem Pfeil-Köcher, der mit orientalischen Arabesken verziert ist, aber in der Mitte eine lateinische Inschrift trägt. Oder an einem osmanischen Streitkolben von 1625, hergestellt in Siebenbürgen, der zum Zepter umfunktioniert wurde und Teil der Kron-Insignien der Badischen Markgrafen, der späteren Großherzöge wurde (s. Bild).“
Osmanisches Zelt (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Uli Deck)
Die Ausstellung zeigt auch, wie fasziniert man hierzulande von der osmanischen Kultur war - nicht umsonst spricht man von der „Turkomanie“. An den mitteleuropäischen Höfen verkleidete man sich mit Turbanen, wallenden Gewändern und Schnabelschuhen. Man übernahm erst zögerlich, dann immer begeisterter das Kaffeetrinken. - Auf dem Bild: Osmanisches Zelt, („Das blaue Zelt“) aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.
Ungarische Prunkbrigantine (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Uli Deck)
Doch der Transfer beschränkte sich nicht nur auf Wissen und Luxusgüter, betont Museumsdirektor Eckart Köhne: „Es sind auch Menschen hin- und hergewechselt. Wo heute Flüchtlinge unterwegs sind, war es damals genauso. Das Habsburger Reich war damals sehr restriktiv, hat gegenreformatorisch den Katholizismus zu stärken versucht. So sind damals viele Protestanten geflohen, von West nach Ost, weil sie im osmanischen Reich einen toleranteren Herrscher vorgefunden haben.“ - Auf dem Bild: Ungarische Prunkbrigantine, ca. 1670 st.
Osmanisches feuervergoldetes Streitbeil (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Uli Deck)
An Multimediastationen kann man die Geschichte von Flüchtlingen, ihre Routen und Beweggründe nachvollziehen. Die Brücke ins Heute schlagen: viele Fluchtursachen sind die gleichen geblieben: Bedrohung durch Kriege, mangelnde Bildungschancen, politische Verfolgung und wirtschaftliche Not. - Auf dem Bild: Osmanisches feuervergoldetes Streitbeil von Ende des 16. Jahrhunderts.
Turbanumwundener Helm (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Uli Deck)
Die aktuelle Ausstellung im Badischen Landesmuseum möchte sich bewusst von früheren Ausstellungen über diese Epoche und die sogenannten „Türkenkriege“ absetzen. Noch eindringlicher wäre das sicher gelungen, wenn nicht doch wieder so viele Waffen, Rüstungen und Schlachtengemälde gezeigt worden wären. Wenn man ein neues Narrativ für dieses Kapitel europäisch-osmanischer Geschichte finden möchte, muss man wohl auch neue Ausstellungsformate finden. - Auf dem Bild: Turbanumwundener Helm von Ende des 17. Jahrhunderts.
Osmanischer Teppich (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Uli Deck)
Doch der Anfang ist gemacht: in der Ausstellung des Badischen Landesmuseums wird deutlich, warum es sich gerade auch mit Blick auf unsere Gegenwart lohnt, von den gegenseitigen positiven Einflüssen zu sprechen- aber auch davon, wie kostbar und zerbrechlich der Frieden in dieser Region ist. - Auf dem Bild: Osmanischer Teppich (Vorläufer der Siebenbürger Teppiche) aus dem 17. Jahrhundert.
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SWR