Die Kölner Fotoagentur laif vertritt seit vierzig Jahren exzellente Dokumentarfotograf*innen. Eine Ausstellung im Stadthaus Ulm zeigt jetzt eine Auswahl von 40 Reportagen aus aller Welt. „Es gibt keinen laif-Stil, aber eine laif-Haltung“, sagt Agenturmitbegründer Manfred Linke, „nämlich klarzumachen, wie ich zu einem Thema stehe.“
Fotos, gedruckt auf Zeitungspapier
Deutsche Fotokunst wird oft gleichgesetzt mit der Düsseldorfer Schule: riesige Formate, sündhaft teuer, chice Bildträger aus glänzendem Plexiglas.
Da ist es eine hübsche Fußnote der Historie, dass nun ausgerechnet eine Fotoagentur aus Köln die alte Konkurrenz zur Nachbarstadt fortsetzt, mit einer sensationellen Ausstellung, die so ziemlich die rotzigste Methode wählt, wie man Fotografie präsentieren kann: gedruckt auf Zeitungspapier und an die Wand gepinnt.
laif-Agentur vertritt Weltklasse-Fotograf*innen
Derzeit zu sehen ist die Ausstellung im Stadthaus Ulm. „Für uns war die Idee, diese Zeitung zu machen, dass die Ausstellung kostengünstig wandern kann. Die Distributionsmöglichkeiten sind großartig“, sagt Fotograf Peter Bialobrzeski, seit 1995 Mitglied der Kölner Fotoagentur Laif.

Die vertritt weltweit über 400 Fotografen und Fotografinnen, viele davon ausgezeichnet mit Pulitzer- und Word-Press-Preisen. Begonnen hat alles Anfang der 80er in Sponti-Kneipen und WGs der Kölner Südstadt.
Von der Kneipen-Idee zur renommierten Agentur
Die war damals ein Biotop, in dem alternative Lebens- und Arbeitsweisen ausprobiert wurden. „Wir saßen wirklich an einem runden Tisch in einer Wohngemeinschaft oder abends in Kneipen und haben diese Idee ersponnen und gemerkt, dass es total spannend ist, sich gegenseitig Bilder zu zeigen oder Projekte zusammen zu machen“, erzählt Laif-Mitgründer Manfred Linke.
„Das gab es vorher fast gar nicht. Und wir haben gemerkt, das ist gut, das hilft uns, und wir entwickelten uns weiter.“
Ein unverwechselbarer Blick auf die Welt
Zu dieser Entwicklung gehörte auch, nach etwa zehn Jahren einen großen Schritt zu wagen – weg vom rein aktivistischen Geist der Gründertage, als Manfred Linke und Kollegen noch auf eigene Kosten Broschüren für die Anti-AKW-Bewegung machten, hin zu einer professionellen Struktur.
Aber auch diese hat den Markenkern von Laif gewahrt: Eine Art von Fotografie zu vertreten, die unverwechselbare, persönliche Blickweisen auf die Welt bietet. „Es gibt keine Laif-Bildsprache“, sagt Linke, „aber eine Laif-Haltung – eine eigene Position einzubringen, erkennbar zu machen, wie ich zu diesen Themen stehe.“
Kunst, Krieg, Kanzlerschaften: Visuelle Chroniken des Weltgeschehens
Dieses Geschäftsmodell bringt zugleich eine visuelle Chronik hervor, die ihres Gleichen sucht. Aus jedem der vierzig Jahre von Laif haben die Kuratoren eine Bildgeschichte ausgewählt.
Alle Beiträge handeln davon, was Menschen tun und hervorbringen – Kunst, Krieg, Landwirtschaft, Rap, Drogenkartelle, Kanzlerschaften. Alles ist unmittelbar verständlich, aber nichts platt oder klischeehaft.
Die einzelnen Stories haben Autorenqualität
Jede einzelne Story ist sorgfältig komponiert, mit Zwischen- und Untertönen, und je eigener visueller Handschrift. Genau wegen dieser Autorenqualität fürchtet Peter Bialobrzeski auch nicht die aktuelle Expansion der Künstlichen Intelligenzen, die ja jedes beliebige Foto-Motiv in Sekundenbruchteilen hyperrealstisch herstellen können.
Gute Fotoreportagen sind Fenster zum Weltgeschehen, jede für sich ein belastbarer Zugang zur Realität da draußen. Das macht ihren Wert für demokratische Gesellschaften aus – und es ist der Grund, warum man der Ausstellung von Laif in Ulm gar nicht genug Besucher wünschen kann.
40 Jahre laif. 40 Positionen dokumentarischer Fotografie
Ausstellung bis zum 1. Mai 2023 im Stadthaus Ulm
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