Helmut Oehring, Komponist und Vertreter des modernen Musiktheaters, zitiert Beethoven in seinem doku-poetischem Hörspiel über dessen „Konversationshefte", seine Briefe und dem "Heiligenstädter Testament". Diese Zeugnisse konfrontiert Oehring mit O-Ton-Interviews zum Thema "Hören", die vom Instrumentalisten bis zum Gehörlosen reichen, und mit einem autonomen Musik-Kosmos aus eigenen, mit Beethovens Werk splitterhaft vernetzten Kompositionen. Das Genie Beethoven dabei auf seine Tauglichkeit für die zeitgenössische Kunst und das heutige Leben überprüft.
"Was das Ertauben Ludwig van Beethovens für ihn als Menschen und Komponisten, Musikanten bedeutete und zur Folge hatte, unabhängig von dem Erlernen oder Ersterben verschiedenster Kommunikationsmechanismen und -taktiken, können wir Hörenden uns nicht vorstellen. Das ist eine Dimension von Stille, Erstummen, die wir Hörenden nicht ermessen können. Was ist Hören, was ist Hörvermögen? Wie verband Beethoven die hörbare mit der unhörbaren Welt, in der er lebte? Er schob verschlüsselte Informationen, Partituren, wie Kassiber durch den Türspalt seiner kreischend detonierenden, eruptiven Innenwelt."
Die musikalische Ebene versucht dabei, jegliche Illustration zu unterlaufen, und ist als autonomer Kompositions-Kosmos angelegt, in dem Oehring splitterhaft (und sich damit bewusst auf die frühromantische Fragmenttheorie beziehend) die Musik Beethoven "erhört" und für sich "nachhört".
Helmut Oehring, geboren 1961 in Ost-Berlin, lebt in der Märkischen Schweiz nahe Berlin. Als Kind gehörloser Eltern wurde er, in der DDR als Wehrdienstverweigerer vom Studium ausgeschlossen, nach der Wende Meisterschüler der Kompositionsklasse von Georg Katzer an der Akademie der Künste zu Berlin, deren Mitglied er heute ist. Vielfach ausgezeichnet, zählt er zu den erfolgreichsten Komponisten, Autoren und Regisseuren zeitgenössischer Musik und des Musiktheaters. Für den SWR realisierte er 2015 sein erstes Hörspiel "Mit anderen Augen" nach seiner gleichnamigen Autobiografie, 2018 folgte "Mit diesen Händen. Ein Stück voller Poesie und Schmutz" zum 100. Geburtstag Heinrich Bölls.
Mit: Gregor Wiest, Daniel Roy, Christoph Staude und der Band BUG ROZER Kompositorische Mitarbeit, Sound- und Klangregie: Torsten Ottersberg / GOGH surround musicproduction
Komposition und Regie: Helmut Oehring
Produktion: SWR 2020