Krimi-Podcast mit Bastian Pastewka

Warum sind Radio-Krimis Kult? – Ein Gespräch

STAND
AUTOR/IN
Bastian Pastewka

Audio herunterladen (328,5 MB | MP3)

Warum sind Radio-Krimis Kult? Bastian Pastewka hat nachgefragt bei Ekkehard Skoruppa: Als Dramaturg hat er beim Süddeutschen Rundfunk von 1988 bis 1998 die legendäre Reihe „Aus Studio 13“ betreut.

Bastian Pastewka:
Welche Ziele haben Sie sich denn damals gesetzt?

Ekkehard Skoruppa:
Es gab viele sehr gute Produktionen. Aber manches erschien mir doch ein wenig zu nett und zu harmlos. Zu viele bewährte, aber auch allzu gängige Muster. Die Stoffe wurden dünner. Ich habe versucht, ein paar Farben hinzuzusetzen: etwas zeitkritischere Stoffe, zeitgenössische Autoren (Rendell, Waters, Paretsky), Bearbeitungen von großen Klassikern (Highsmith, King), damals noch kaum bekannte Neuerscheinungen (Donna Leon), Originalarbeiten (van de Wetering), Julian Rathbone, Breinersdorfer und andere deutsche Autorinnen und Autoren. Und ich bastelte am Versuch, einen gemeinsamen Krimitermin in der ARD zu initiieren. Landete aber erst mal auf dem Bauch. Bis zum ARD Radio Tatort brauchte es weitere 10 Jahre. Er kam, unter allerlei Geburtswehen, 2008. Und verhalf dem deutschsprachigen Hörspielkrimi zu neuer Popularität. Bis dahin waren mehr Stoffe aus anderen Ländern gefragt, vor allem aus Großbritannien.

Ekkehard Skoruppa, Sekretär des Karl-Sczuka-Preises bis 2020 (bei der Jurysitzung im Jahre 2016) (Foto: SWR, Frank Halbig)
Ekkehard Skoruppa Frank Halbig

Bastian Pastewka:
Wie hat man es in der Frühzeit geschafft, an internationale Radioskripte zu kommen? Wie kam man an Rodney David Wingfield, Michael Brett, Michael Dines usw. heran?

Ekkehard Skoruppa:
Die allermeisten angelsächsischen Stücke kamen über Marianne de Barde und Hubert von Bechtolsheim. Sie hatten beste Drähte und persönliche Beziehungen vor allem nach England, zu AutorInnen, AgentInnen und Verlagen (und überdies zur BBC), und schickten eine Vielzahl von Manuskripten (oft Originale fürs Radio). De Barde und Bechtolsheim fungierten als eine Art Durchlauferhitzer und Agentur, und sie waren die Rechte-InhaberInnen der Stücke für den deutschsprachigen Raum, haben die AutorInnen vertreten. Zudem übersetzten sie etliche, ja eigentlich die meisten Stücke ins Deutsche.

Bastian Pastewka:
Ich war seit meiner Teenager-Zeit (80er-Jahre) ein Fan jeglicher Radiohörspiele, als alter Bonner kam ich in das Vergnügen, sowohl den WDR als auch den damaligen SWF zu empfangen, terrestrisch wohlgemerkt. In dieser Zeit habe ich daher sehr viele Krimis gehört, auch die Namen Marianne de Barde und Hubert von Bechtolsheim sagen mir deshalb etwas. Ebenso wie die vielen AutorInnen, die Sie genannt haben. Die Phase der Chandler-, Malet-, Highsmith-, Montalbán- und van de Wetering-Krimihörspiele haben mich mehr oder weniger sozialisiert.

Ekkehard Skoruppa:
Geprüft wurden die Angebote in der originalsprachigen Fassung (gelegentlich Skripte mit BBC-Label); nach der Produktionsentscheidung übersetzten de Barde / Bechtolsheim selbst, oder der Auftrag wurde anders vergeben. Anschließend gab’s nochmals eine gründliche dramaturgische Durchsicht – manchmal unter Einschaltung des Original-Autors / der Original-Autorin –, die dann in die deutsche Sendefassung mündete. De Barde / Bechtolsheim hatten einen guten Blick für die Hörspieltauglichkeit in Deutschland. Und sie hatten eine Vertrauensstellung gegenüber ihren AutorInnen. Überdies war es immer angenehm, mit ihnen zu arbeiten.

Bastian Pastewka:
Laut Deutschem Rundfunkarchiv sind zirka 700 Neuproduktionen für „Studio 13“ entstanden …

Ekkehard Skoruppa:
Das konnte ich erst selbst kaum glauben. Aber die Produktionszahl 647 für die Jahre 1957 bis 1998 stimmt offenbar, ich habe die Liste durchgesehen und mich an vieles gut erinnert. Abziehen muss man allerdings knapp100 Science-Fiction-Produktionen, die als Spin-off auf dem Termin liefen. Bei etlichen Sendern sind viele (und gute) Krimiproduktionen entstanden. Die Krimis vom SDR waren jedenfalls keine Solitäre in der Hörspiellandschaft. U. a. der WDR hat tolle Stücke und Serien (wie „Paul Temple“) produziert, auch der BR hat schöne Sachen gemacht und nicht zuletzt die damalige SDR-Konkurrenz Südwestfunk im benachbarten Baden-Baden.

Pastewka bei den Hörspieltagen 2013 (Foto: SWR / Peter A. Schmidt)
Bastian Pastewka bei den Karlsruher Hörspieltagen SWR / Peter A. Schmidt

Bastian Pastewka:
Verblüfft bin ich immer wieder, dass etliche Hörspiele, die fürs „Studio 13“ produziert wurden, nahezu baugleich auch in anderen Sendern eine alternative Fassung erfahren haben. Für „Kein Mucks!“ bekamen wir kürzlich vom hr den Krimi „Tod von unbekannter Hand“ vorgeschlagen, und natürlich wundert es mich nicht, dass sich der Titel auch in Ihrem Programmheft wiederfindet. Den Rekord scheint ein Krimi von John Whiting namens „Die Treppe“ zu halten. Von diesem Stück wurden ab Ende der 50er-Jahre offenbar vier Versionen hergestellt: eine im hr, eine im WDR, zehn Jahre später noch eine im SR, und im „Studio 13“ ebenfalls unter dem Titel „Die Rattenfalle“. Ich habe glücklicherweise rund 65 weitere „Studio 13“-Schätze in meinem Archiv und bin daher mit den Vor- und Abspännen versorgt. Und da mir vom SWR auch noch die komplette Erkennungsmusik des „Studio 13“ ohne Ansage zugesendet wurde, die spätere Titelmusik von Eugen Thomass, bin ich schon überglücklich. Und, glauben Sie es mir oder nicht, ich habe herausbekommen, wo der klassische „Studio 13“-Indikativ ursprünglich herkam. Aus dem All …

Ekkehard Skoruppa:
Aus dem All also – ich hatte keine Ahnung.

Bastian Pastewka:
Der britische Filmkomponist Jack Beaver hat diesen „Spaceways“-Titel Ende der 1950er-Jahre eingespielt und als Versatzstück für Weltraumfilme zur Verfügung gestellt. In den späten 1960ern gelangte dieses Musikstück noch einmal zu kleinem Ruhm, da es als Hintergrundmusik der Serie „The Prisoner“ (in Deutschland: „Nummer 6“) erklang.

Ekkehard Skoruppa:
Du liebe Güte! Wem, lieber Herr Pastewka, wollte ich da eigentlich was erzählen? Sie wissen ja schon alles! Und noch mehr, als ich ohnehin vermutete. Ach, ich freue mich, dass Sie so graben und fahnden – und dann alles zurückspielen ins Medium! Da muss ich mich nicht mehr mucksen, sondern kann hören, was mir entgangen ist.

Bastian Pastewka:
Und das, was Sie mit auf den Weg gebracht haben. Sicherlich viel zu spät, aber doch von Herzen: DANKE dafür!

weitere Folgen bei SWR2

SWR2 Krimi | Kein Mucks! Der Krimi-Podcast mit Bastian Pastewka Patricia Highsmith: Der Killer

Bastian Pastewka präsentiert seine liebsten Krimihörspiel-Klassiker des SWR. Initiiert wurde „Kein Mucks!“ von Bremen Zwei, nun sind ARD und Deutschlandfunk Kultur mit am Start.

SWR2 Krimi SWR2

Der Krimi-Podcast mit Bastian Pastewka Rod Beacham: Wer ist wer?

Ein Killer erhält von einem englischen Baulöwen den Auftrag, einen Erpresser zu beseitigen. Ein spannendes Verwirrspiel, in dem niemand weiß, wer der Jäger und wer der Gejagte ist.

SWR2 Krimi SWR2

SWR2 Krimi | Kein Mucks! Der Krimi-Podcast mit Bastian Pastewka Rodney David Wingfield: Gruselgrab

Gastgeber Bastian Pastewka über "Kein Mucks!“: "Aus der Zeit, als die Platzpatronen durch die Studios knallten, geraucht wurde und der Whisky bereitstand, um die Stimme zu ölen.“

SWR2 Krimi SWR2

Hörspiel Krimi-Klassiker. Zeitlos gut

Simenon, Durbridge, van de Wetering und Co. SWR2 holt zum Ferienbeginn zwei Dutzend Hörspiele mit Krimiklassikern exklusiv aus dem Archiv und stellt sie online. Eine mordsmäßige Extraportion Spannung.

STAND
AUTOR/IN
Bastian Pastewka