Karl-Sczuka-Preis 2010

Oswald Egger und Iris Drögekamp: Ohne Ort und Jahr

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AUTOR/IN
Oswald Egger und Iris Drögekamp

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Das Hörstück ereignet sich-in-sich: als geraumes Ineinander von Vorgängen Wort für Wort: Gegenwarten ohne worteigene Begebenheit, welche — ebenbildlich nicht in einzelne Rollen isoliert — gleich und zugleich: trennen, teilen, Part für Part abspalten aber — Hand aufs Wort beides, unverursacht und unverhandelt — sich in sich verunsilben quasi und ins Offene verlieren.

Eine Reihe von Vorstellungen, unzusammen, d.i.: ununterbrochen, welche man über beide Ohren in Folge folglich bringen müsse, wenn endlich ein selbstordnendes Scharnier gefunden ist, ein ataktierendes, außerordentliches Prinzip fast, worum sich die Wortsätze wie Satzworte wechselständig (undurchdringend) umund umtunneln: aber weniger, um der inneren Metrik des Amorphen zu gehorchen, als ihre impliziten Formen zu uneinsilbig zu verhören (d.i. verbindlich zu formulieren übers Ohr: ihre Ligaturen von Wort zu Wort).

Zwei Stimmen teilen sich einen Text, wobei dieser beinahe willkürlich zergliedert und neu zusammengestückt wirkt; in Wirklichkeit durchdringen sich beide: Anfang und Ende wechselständig (intermittierend), d.h. in jedem Zeitpunkt interferieren und untertunneln sich Wort für Wort und heben sich ungegenständlich auf (und wiegen sich) unumständlich, so dass zuletzt beide Sprechrollen den gesamten Text ganz gesprochen haben werden.

Das Stück gleicht mithin selbst eherhin einem Aggregat von Einwürfen und Zustandsformen als den direktiven Fäden eines strikten Geschehens. Die Partitur zum Text ist so beschaffen, dass vom einzelnen Part abgesehen werden kann bzw. lediglich „Herde" der Rede angegeben sind, dass beide Rollen partout zugeteilt oder eben auch von mehreren, je nach Maßgabe der Möglichkeiten, ausgesprochen werden konnten, dass eine Rolle auch in eine oder mehrere Sprecher aufgetrennt, zerstückelt wird oder mehrere Sprecher einen Part teilten in beständiger Partition, die mithin gesplittet oder auch mosaiziert wirkt.

Ob Monolog oder Dialog, ob Chor oder Rezitativ - man mag und wird die Sätze in Teile - einzelne Silben oder ganze Sentenzen - parzellieren, diese auch neu zusammenfügen, die Stücke in anderer Reihung, Wiederholung und Variation arrangieren, ich präzisiere: diese stetige Unfertigkeit spielt im Spiel zwischen Wort und Wort, allenthalben aber, wo auf ein offenes ein weiteres Wort schließt, diese Iliade von Silben: ein Wortsatz von Satzwörtern erzählt keine Handlung, sondern tut sie, Wörter, die dann (in sich bezirkt) fokussieren eine Stille, welche sich-in-sich versagt (aber anhält) und bleibte — irgendwie innenwändig — und verstummt.

Hörspiel von Oswald Egger
Regie: Iris Drögekamp
Produktion: SWR
Ursendung: 21.05.2010

Wettbewerb 2010 und Jurybegründung

Über die Zuerkennung der Preise hat am Freitag, 23. Juli 2010, in Baden-Baden eine unabhängige Jury unter Vorsitz der Publizistin und ehemaligen Kulturstaatsministerin Christina Weiss entschieden.

2010 wurden 65 Wettbewerbsbeiträge aus sieben Ländern eingereicht. Die Preisverleihung fand am 16. Oktober als öffentliche Veranstaltung im Rahmen der Donaueschinger Musiktage 2010 statt.

"Das Hörstück „Ohne Ort und Jahr“ des Dichters Oswald Egger setzt die zeitliche Linearität der Sprachfolge durch gegenläufige Textspuren und Satzinseln außer Kraft. Die Regisseurin Iris Drögekamp komponiert daraus einen fünfstimmigen poetischen Raum, in dem sich „Wort für Wort“ imaginative Prozesse entzünden: Aus wuchernden Wortschätzen entsteht suggestives sprachliches Geschehen von großer Sinnlichkeit. Oswald Egger und Iris Drögekamp ist mit „Ohne Ort und Jahr“ ein beglückendes Hörwerk gelungen."

Über Iris Drögekamp und Oswald Egger

Iris Drögekamp, geboren 1967 in Hagen/ Westfalen, studierte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und an der Universität Hamburg, wo sie 1999 mit einer Arbeit über Grenzüberschreitende Hör-Spiel-Kultur abschloss. Als redaktionelle Mitarbeiterin und Regieassistentin arbeitete sie bis 2001 bei DLR Berlin, HR, NDR, RB, SR, SWR und WDR. Daneben war sie freie Autorin bei der taz Hamburg und arbeitete beim Freien Sender Kombinat (FSK) Hamburg mit. Sie wurde 2001-2002 beim SWR zur Hörspiel-Regisseurin ausgebildet und lebt seit 2002 als freie Regisseurin und Dramaturgin in Baden-Baden. Seit 2007 hat sie außerdem einen Lehrauftrag für Hörspiel an der HFG Karlsruhe, Workshops an der Hochschule Darmstadt und der HDM Stuttgart. Ihre Produktionen wurden mehrfach ausgezeichnet.

Oswald Egger, geboren 1963 im Südtiroler Ort Lana, lebte in Wien, wo er 1992 mit einer Poetik des Hermetischen („Wort für Wort") sein Universitätsstudium abschloss. Er veranstaltete 1986-1995 die Kulturtage Lana, war 1989-1998 Herausgeber der Zeitschrift ,Der Prokurist" und der „edition per procura" und ist seit 2003 Herausgeber von „Das böhmische Dorf". Er hatte 1995 und 2001 ein österreichisches Staatsstipendium für Li­teratur, 1996 ein Aufenthaltsstipendium der „Akademie Schloss Solitude", Stuttgart, 1999 ein Aufenthaltsstipendium im Schloss Wiepersdorf, war 2000 Writer in residence der Chinati-Foundation in Texas und 2001 der Villa Aurora in Los Angeles. Seit 2002 lebt und schreibt er auf der Raketenstation Hombroich, wohin er ebenfalls mit einem Fellowship Literatur gekommen ist. 2003 war er Gastprofessor für Poetik an der Cornell University, Ithaka. 2005-2007 bekam er das Elias Canetti Stipendium. Er erhielt zahlreiche Preise. Egger schreibt Gedichte und Essays und arbeitet seit 1998 auch mit Komponisten zusammen, so mit Burkhard Stangl, Michael Pisaro, Antoine Beuger (mit letzterem 2003 bei der Uraufführung von „wort für wort [geraum]" bei den Donaueschinger Musiktagen) und Mark Polscher. Sein literarisches Schaffen, international verbreitet durch Übersetzungen ins Französische, Englische, Ungarische, Schwedische und Arabische, liegt in folgenden Buchveröffentlichungen vor: „Die Erde der Rede" (1993), „Blaubarts Treue" (1997), „Und: der Venus trabant" (1997), „Juli, September, August" (1997), „Sommern" (1998), „Herde der Rede" (1999)„.Poemandern Schlaf" (1999), „To Observe The Observe" (2000), „Nichts, das ist" (2001), „-broich" (2003), „Room of Rumor" (2003), „Prosa, Proserpina, Prosa" (2004), „Tag und Nacht sind zwei Jahre" (2006), „nihilum album" (2007), „Diskrete Stetigkeit. Poesie und Mathematik" (2008) und „Die ganze Zeit" (2010).

Karl-Sczuka-Förderpreis 2010 Sung Hwan Kim und David Michael DiGregorio: One from In the Room

"Ich habe mir einen Raum vorgestellt, der wie eine Schachtel angelegt ist und von dem pulsierend eine Geschichte ausgeht."

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AUTOR/IN
Oswald Egger und Iris Drögekamp