Karl-Sczuka-Preis 2008

Thomas Meinecke und David Moufang: Übersetzungen / Translations

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AUTOR/IN
Thomas Meinecke
David Moufang

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Seit zehn Jahren produzieren der Musiker und Studiobetreiber David Moufang alias Move D und der Schriftsteller und Musiker Thomas Meinecke gemeinsam Sonic Fiction für die Abteilung Hörspiel und Medienkunst des Bayerischen Rundfunks. Meistens basierten diese Stücke auf literarischen Texten Meineckes, waren (wie Tomboy, Freud’s Baby oder Flugbegleiter) musikalische Variationen auf seine zugleich entstehenden (und im Suhrkamp Verlag erscheinenden) Romane, syntaktisch, nicht selten dekonstruktivistisch verwoben mit den überwiegend elektronisch generierten Patterns Move D’s, der eine international gefeierte Größe der instrumentalen Techno Music ist (auf dem eigenen Source Label, jedoch auch auf Warp, Compost, City Center Offices, Workshop usw.), nicht selten aber ebenso mit Jazzmusikern wie dem Vibraphonisten Karl Berger zusammenarbeitet (der auf Tomboy und Freud’s Baby mitwirkte).

Ansatz- und Ausgangspunkt der aktuellen Produktion Übersetzungen / Translations war der Wunsch, einmal eine Arbeit zu erstellen, bei der nicht zuerst (und damit letzten Endes übergeordnet) ein Text existierte, sondern die eher abstrakte, serielle Narrativität der Musik als gleichberechtigt, eigentlich sogar tonangebend erscheinen würde. In einem Studio des Bayerischen Rundfunks in München sprach beziehungsweise sang Thomas Meinecke das deutsche und englische / amerikanische Alphabet in allen zwölf Tönen der Tonleiter ein und nahm diese Aufnahme, einzelnen Tasten einer Schreibmaschine gleich, mit nach Heidelberg, wo in Moufangs Re-Source Studio Wörter und Töne, ohne Einsatz eines Mikrophons für die Stimme, spontan ineinander verschränkt, gleichsam synchron (zusammen-) gesetzt wurden, mit dem einzigen übergeordneten Prinzip: einer Übersetzung vom Deutschen ins Englische, respektive umgekehrt. Diese auffallend lakonisch gelagerten Übertragungen mußten nicht immer in verbaler Weise (Osterglocke / Daffodil) stattfinden, sondern ihr Schwerpunkt, ihr Drall, ihr Gefälle konnte auch kulturell (Ursula Andress), politisch (Henry Kissinger) oder ökonomisch (Mini Cooper) kodiert sein.

Thomas Meinecke, der seit 1980 in der Münchner Band F.S.K. spielt, brachte seine Pocket Trumpet mit und griff einmal auch zu David Moufangs Gitarre. Zehn sehr verspielte, in ihrer Vertracktheit mitunter an surrealistische Vexierbilder erinnernde bis unmittelbar (und vor Ort als solche getestete) clubtaugliche Tracks sind auf diese Weise binnen einer Woche am Neckar entstanden, eher ein Album als ein Wörterbuch

Stimme, Trompete, Gitarre: Thomas Meinecke
Electronics, Klavier: David Moufang
Komposition und Realisation: Thomas Meinecke/ David Moufang
Redaktion: Herbert Kapfer
Produktion: BR 2007
Ursendung: BR am 19. Oktober 2007

Das vom BR produzierte Preiswerk ist innerhalb des CD-Doppelalbums "flugbegleiter" & "übersetzungen / translations" im Label Intermedium Records erschienen.

Wettbewerb 2008 und Jurybegründung

Insgesamt sind 2008 89 Wettbewerbsbeiträge aus 22 Ländern eingereicht worden, davon 38 freie Autorenproduktionen.

Über die Zuerkennung der Preise hat eine unabhängige Jury entschieden. Jurymitglieder waren der Musiktheater-Regisseur und frühere Rektor der Freiburger Musikhochschule Johann-Georg Schaarschmidt (Vorsitz), der Schriftsteller Marcel Beyer, der Journalist und Medienkritiker Frank Kaspar, die Musikkritikerin Monika Lichtenfeld sowie die Publizistin, Literaturwissenschaftlerin und ehemalige Kultur-Staatsministerin Christina Weiss.

Die Preisverleihung fand am 18. Oktober als öffentliche Veranstaltung im Rahmen der Donaueschinger Musiktage 2008 statt.

"In ihrer Gemeinschaftsarbeit 'Übersetzungen/ Translations' entwickeln Thomas Meinecke und David Moufang (alias Move D) aus dem Alphabet als Lautvorrat zehn musikalische Miniaturen. Semantisch und akustisch assoziationsreiche Wortpaare wie Osterglocke – Daffodil werden zerlegt, rebuchstabiert und mit Klängen und Mustern der Club- und Jazzmusik verzahnt. Ein ironisch-reflektierendes Spiel zwischen Sprachen und Stilebenen, zwischen zwei souverän interagierenden Künstler-Freunden, das die Phantasie des Hörers an der langen Leine spazierenführt."

Die Preisträger

Thomas Meinecke, geboren 1955 in Hamburg, studierte 1977-1983 Theaterwissenschaften, Neuere deutsche Literatur und Kommunikationswissenschaften in München. Magisterarbeit über Karl Philipp Moritz ("Theatromanie und Melancholie"). 1978-1986 Mitherausgeber der Zeitschrift ‚Mode & Verzweiflung‘. Seit 1980 ist er Mitglied in der Band ‚‘F.S.K.‘ 1983-1987 Kolumne "Die aktuelle Kurzgeschichte" im Feuilleton der ‚Zeit‘. Seit 1985 ist er als freier Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks Radio-DJ im ‚Zündfunk‘.

Als Schriftsteller zählt er seit 1986 mit zahlreichen Romanen und Erzählungen im Suhrkamp Verlag zu den wichtigen Vertretern junger deutscher Literatur. Als Musiker veröffentlichte er in diesem Jahr mit seiner Band F.S.K. ein neues Album auf Daniel Richters Buback Label. Kollaborationen mit Move D. entstanden in erster Linie für den Bayerischen Rundfunk seit 1998, daneben auch Soloprojekte, zum Beispiel auf der ersten "Clicks and Cuts" Compilation (Mille Plateaux). Darüber hinaus ist er als Radio-DJ mit einer eigenen Sendung im Bayerischen Rundfunk und in zahlreichen urbanen nächtlichen Clubs zu hören. Er lebt mit seiner Frau Michaela Melián und ihrer gemeinsamen Tochter Juno in einem oberbayerischen Dorf.

Für die "Manifesta 7 – Projected Scenarios" verfasste er den Beitrag "Aquatic Invasion". Im Herbst erscheint im Suhrkamp Verlag sein neuer Roman "Jungfrau". – Neben zahlreichen Tonträgern erschirenen folgende Buchveröffentlichungen: "Mit der Kirche ums Dorf", Erzählungen (Suhrkamp, 1986), "Holz", Erzählung (Kiepenheuer & Witsch, 1988), "The Church of John F. Kennedy", Roman (Suhrkamp, 1996), "Tomboy", Roman (Suhrkamp, 1998), "Mode & Verzweiflung", Prosa und Manifeste 1977-1996 (Suhrkamp, 1998), "Hellblau", Roman (Suhrkamp, 2001), "Musik", Roman (Suhrkamp, 2004), "Plattenspieler", Protokolle, gemeinsam mit Frank Witzel und Klaus Walter (Edition Nautilus, 2005), "Feldforschung", Erzählungen (Suhrkamp und Museum Ludwig, 2006), "Meinecke hört", Kolumnen, (Sukultur, 2007), "Lob der Kybernetik", Songtexte 1980 – 2007 (Suhrkamp, 2007), "Jungfrau", Roman (Suhrkamp, 2008).

Frühere Auszeichnungen waren ein Aufenthaltsstipendium des Literarischen Colloquiums Berlin (1987), der Förderpreis zum Heimito von Doderer Preis (1997), der Rheingau Literaturpreis (1997) und das Förderstipendium des Deutschen Literaturfonds (1997), der Literaturpreis Kranich mit dem Stein des Deutschen Literaturfonds (1998), eine Einladung als Poet in Residence an die Universität/GH Essen, (1998/99), der Literaturpreis der Stadtsparkasse Düsseldorf (2003), der Tukan-Preis der Landeshauptstadt München (2004), die Dozentur Manuskriptum an der Ludwig-Maximilians-Universität München (2004/2005) und ein Stipendium der Niedersächsischen Literaturbüros, (2005).

David Moufang (alias Move D), geboren 1966 in Heidelberg, hatte neben dem humanistischen Gymnasium 1977-1883 klassischen Schlagzeugunterricht an der Musikschule Heidelberg/ Mannheim und in den achtziger Jahren privaten Jazzgitarren- und Klavierunterricht.

Nach dem Abitur 1986 durchlief er sein Toningenieur-Studium an der SAE Frankfurt bis zum Abschluss mit Diplom 1990. Danach übernahm er Auftragsarbeiten zur Industriefilmvertonung (Musik), sowie kleinere Fernsehproduktionen. Von Mitte der achtziger Jahre bis 1992 war er Gitarrist in diversen lokalen Bands. 1983 erste Plattenveröffentlichung. Seit 1992 eigenes Plattenlabel 'Source Records' zusammen mit Partner Jonas Grossmann; seit 1996 zweites eigenes label 'KM20' (ebenfalls mit Jonas Grossmann). Seit 1994 zahlreiche Auftritte in Clubs und als DJ bzw electronic live act auf Festivals, u.a. bei ‚Intermedium 1‘ 1999 in Berlin, ‚Intermedium 2‘ 2002 in Karlsruhe, ‚Donaueschinger Musiktage‘ 2002 und ‚Hörkunsttage Erlangen‘ 2003.

Seit 1996 mehrere Veranstaltungen mit dem Goethe Institut (London, München und Budapest). Seit 1998 Auftragsarbeiten für den Bayerischen Rundfunk: Gemeinschaftsarbeiten mit Thomas Meinecke (alle erschienen auf CD bei Intermedium Records): "Tomboy" (1998), "Freud's Baby" (2000), "Konvent" (2002), "Flugbegleiter" (2004), "Translations – Übersetzungen" (2007); Solo-Arbeiten: "Tonspuren 1-10" (2003/2004; erschienen auf CD bei BineMusic).

2002-2007 hatte David Moufang eine Gastdozentur an der Bauhaus Universität in Weimar/ Lehrstuhl für experimentelles Radio, Fachbereich: Musik im experimentiellen Radio

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Thomas Meinecke
David Moufang