Karl-Sczuka-Preis 2006

Preisträger: Asmus Tietchens

Stand

Der Karl-Sczuka-Preis für Hörspiel als Radiokunst geht in diesem Jahr an den Hamburger Klangkünstler Asmus Tietchens. Tietchens erhält die mit 12.500,- Euro dotierte Auszeichnung für seine Klangkomposition "Trois Dryades".

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"Asmus Tietchens gelingt in seinem Radiostück ‚Trois Dryades’ eine ungewöhnliche Verschränkung von Ruhe und Spannung. Aus ganz unscheinbarem Material - den mikroskopisch abgehörten Binnengeräuschen, die beim Spalten eines Baumstamms entstanden - entwickelt er eine suggestive Komposition in drei Sätzen. Das Zusammenspiel von vibrierenden Klangflächen und scharfkantigen Klangimpulsen, das Changieren zwischen Konkret und Abstrakt, der Wechsel von kontemplativer Weite und physischer Bedrängung - ein Hörerlebnis von besonderem Reiz und Anspruch."

Preisträger

Biografie:

Asmus Tietchens wurde 1947 in Hamburg geboren.

1965
erste Experimente mit Tonbandgeräten und elektronischen Klangerzeugern (Sinusgeneratoren, Rhythmusmaschinen) und konkretem Geräuschmaterial.

1971
Arbeit mit dem Minimoog. Komplexere Ergebnisse durch Verwendung achtspuriger Tonbandgeräte.

1975
Entscheidung, elektro-akustische Musik "hauptberuflich" zu komponieren und zu realisieren.

1980
erste LP-Veröffentlichung ("Nachtstücke") in Frankreich, produziert von Peter Baumann (‚Tangerine Dream’).

1982
stilistische Hinwendung zur Industrial Music. LP "Formen letzter Hausmusik" (1984) auf dem britischen Label ‚United Dairies’.

Bis 1989
mehrere LPs auf internationalen Labels der Industrial Music (z.B. Esplendor Geometrico, Hamster Records, Multimood, A-Mission u.a.), darunter Arbeiten mit präpariertem Klavier, Wassergeräuschen und anderem konkretem
Material.

1985
Experimente mit dem Fairlight CMI.

1986
erste Reise im Auftrag des Goethe-Instituts mit Gesprächs-Konzerten nach Brasilien.

Seit 1989
Lehrauftrag für Sounddesign, Kommunikationsdesign und Klangforschung an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW).

1991
zweite Reise im Auftrag des Goethe-Instituts mit Gesprächskonzerten nach Argentinien, Chile und Uruguay.

Seit 1991
diverse CD-Veröffentlichungen auf internationalen Labels (Staalplaat, Soleilmoon, Selektion, Mille Plateaux u.a.). Zusammenarbeit mit diversen Komponisten der sogenannten Noise Music (Merzbow, Achim Wollscheid, Thomas Köner, Vidna Obmana u.a.).

2003
Karl-Sczuka-Preis für "Sechs Heidelberger Studien", 2006 für "Trois Dryades".

Bis heute mehr als 50 LP- und CD-Veröffentlichungen, zahlreiche öffentliche Auftritte im In- und Ausland.

"Kein Studium, keine akademische Ausbildung, keine Stipendien sondern: learning by doing = autodidaktische Aneignung gestalterischer Fähigkeiten und des Umgangs mit analoger und digitaler Studiotechnologie. Bin mein eigener Tonmeister. Den ästhetischen Lebenslauf kann ich leider nicht an Daten festmachen. Die Entwicklungen verliefen zu gleitend, Fort- und Rückschritte kann selbst ich im Nachhinein kaum nachvollziehen." (Asmus Tietchens)

Preiswerk

Asmus Tietchens über "Trois Dryades":

Ein in der Längsrichtung langsam gespaltener Baumstamm war das "Instrument", die dabei im Inneren des Stamms entstandenen, mit bloßem Ohr nicht hörbaren Geräusche das Basismaterial für die drei Teile des Stückes. Empfindliche Kontaktmikrophone machten es möglich, das feine Knistern präzise abzubilden. Dies allein wäre nicht mehr als eine kleine Hörsensation und bestenfalls eine interessante Feldaufnahme unter vielen. Wenn da nicht dieses komplexe Frequenzspektrum gewesen wäre, welches mich in die Lage versetzte, mittels extensiver Filterungen und einer Reihe anderer, jedoch keineswegs exotischer technischer Maßnahmen aus den Innengeräuschen des Baumstamms eine Vielzahl kompositorisch relevanter Strukturen zu erwirtschaften. Die drei Teile der TROIS DRYADES zeigen völlig unterschiedliche Herangehensweisen an das Material, welches in seiner Originalgestalt lediglich im dritten Teil für kurze Zeit zu hören ist. Man erwarte deshalb keine akusto-dendrologischen Schallereignisse, sondern vielmehr ein nach rein gestalterischen Gesichtspunkten eingerichtetes Geräusch- und Klangkontinuum mit kaum noch wahrnehmbaren Verweisen auf das Ausgangsmaterial.

Warum ein französischer Titel? Warum Dryaden? Letztere waren in der griechischen Mythologie Baumnymphen, welche ihre Behausung verließen, wenn der Baum starb. Und der französische Titel ist eine kleine Verbeugung vor Pierre Schaeffer, dem Erfinder der konkreten Musik; aber auch vor Claude Debussy, der nicht nur die Idee der Klangfarbenkomposition vorangetrieben hat, sondern insbesondere mit "Trois Nocturnes" einen Teil der antiken Welt impressionistisch dargestellt hat. Von hier über die Dryaden bis zu meinem Baumstamm war es nicht weit. Kompositorisch liegen allerdings Welten und hundert Jahre Zeit dazwischen.

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AUTOR/IN
SWR