Karl-Sczuka-Preis 2014

CM von Hausswolff: Circulating over Square Waters (ZKM Kubus)

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AUTOR/IN
Carl Michael von Hausswolff

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Mit einem aus 12 Sinus-Oszillatoren bestehenden elektronischen Instrument lotet Carl Michael von Hausswolff mit seiner sehr physischen, mit tiefen Frequenzen durchsetzten Drone-Musik die Resonanzen des Konzertsaals ZKM Kubus aus und spielt mit dessen Eigenschwingungen.

Carl Michael von Hausswolff über sein Werk

Dieses Werk hat seinen Ursprung in der Tradition der elektroakustischen Musik und schließt die Klänge reiner elektronischer Sinuswellen und die musique concrete mit ein. Das Stück folgt einem A nach B-Format und hat einen sehr strengen Rahmen, der aber eine Vielfalt von Improvisationsmöglichkeiten bietet. Da eines der Elemente der Komposition auf den akustischen Qualitäten des Spielorts beruht, ist jede Aufführung des Stückes einmalig. Vor dem Konzert wird der Raum während des Soundchecks mit einer Auswahl an Sinuswellen ausgelotet und so die individuelle Kalibrierung eingestellt. Es ist deshalb sehr wichtig, dass der Ort als Exoinstrument funktioniert, sodass das Stück mit dem Raum verschmelzen kann — der Konzertsaal wird eine Echokammer, ein Resonanzkasten.

Auf diese Weise können die Zuhörer die Musik auch mit ihren Körpern fühlen und dadurch die körperliche mit der intellektuellen Erfahrung verbinden — was auch für den Musiker eine wichtige Erfahrung ist, da das Stück mit intellektueller Wahrnehmung (die gegenwärtige Partitur) und körperlicher Präsenz (die „Hier und Jetzt"-Situation) aufgeführt werden muss.

Circulating over Square Waters ist schon viele Male und an den unterschiedlichsten Orten aufgeführt worden, von rauen Bierkneipen bis zu renommierten Konzertsälen mit sitzendem Publikum. Zu Beginn (um 1996) legte ich den Schwerpunkt auf den jeweiligen 50-Hz-Klang des Stromnetzes und benutzte zudem zwei alte Philips-Oszillatoren für die Tieffrequenztöne. Später (2004) bat ich den finnischen Konstrukteur Jari Lehtinen (bekannt durch seine Arbeit für Mika Vainio und Erkki Kurenniemi), mir ein Instrument mit zwölf Oszillatoren zu bauen, das auch Rechteck- und Sägezahnwellen erzeugen kann. Dieses Instrument ist jetzt die Grundlage, auf der das Stück aufgeführt wird.

Im Lauf der Jahre sind verschiedene Quellen für die Mittel- und Hochfrequenztöne verwendet worden: Sonar, 0-Ton und EVP-Aufnahmen und selbstverständlich mittel- und hochfrequente Sinuswellen. Für die Aufführung im Kubus des ZKM Karlsruhe benutzte ich die zwölf Sinusoszillatoren zusammen mit drei Scans von Radiosignalen (in Echtzeit), die sich hin und her bewegten, sowie ein einfaches Whispers 2000 Mikrophon, durch welches meine Stimme gefiltert und in einen extrem verzerrten Klang verwandelt wurde.

Die komplexe Raumaufnahme in 5.1 Surround wurde mit dem SWR und dem ZKM Institut für Musik und Akustik so geplant, dass alle Aspekte des Konzerts in die Rundfunkversion Circulating over Square Waters (ZKM Kubus) übertragen wurden. Im Gegensatz zu den meisten anderen Aufführungsorten stand mir im ZKM Kubus ein sehr hochwertiges und korrekt eingemessenes Beschallungssystem in einem akustisch optimierten Raum, in dem die Musik frei fließen kann, zur Verfügung. Diese besonderen Verhältnisse waren ideal für das Experiment einer Radiofassung und transportieren das Gefühl der räumlichen Dynamik und der Schwankung im Raum-/Zeitverhältnis so, wie es die konzertante Fassung herbeiführen will.

Sinus Oszillatoren und Mischpult: CM von Hausswolff
Komposition und Realisation: CM von Hausswolff
Produktion: SWR/ZKM Institut für Musik und Akustik 2013/14
Ursendung am 4. Februar 2014 in SWR2.

Die Jury-Begründung

"Der schwedische Künstler Carl Michael von Hausswolff tritt mit minimalistischen Mitteln in einen musikalischen Dialog mit der Materialität von Räumen und deren Klangeigenschaften. Sein Instrumentarium besteht aus zwölf Sinusgeneratoren und zwei Lautsprechern. Mit deren Hilfe werden die Eigenschwingungen des Raumes ausgelöst und in einem kontinuierlichen Crescendo hörbar gemacht. Unbeirrbar konsequent benutzt Carl Michael von Hausswolff in 'Circulating over Square Waters (ZKM Kubus)' den vorhandenen Raum wie ein Instrument und steigert die Intensität der Klänge mit hoher Sensibilität und großer künstlerischer Sicherheit. In der radiophonen Realisation werden so aus den Klangwellen auf der Zeitachse imaginäre Klangräume geschaffen, in die sich der Hörende versenken kann wie in die Betrachtung eines monochromen Bildes."

Karl-Sczuka-Preis 2014

In diesem Jahr wurden 89 Wettbewerbsbeiträge von 134 Bewerbern aus 20 Ländern eingereicht.

Über die Zuerkennung der Preise hat am Donnerstag, 24. Juli 2014, in Baden-Baden eine unabhängige Jury unter Vorsitz der ehemaligen Kulturstaatsministerin Christina Weiss entschieden, der weiterhin Margarete Zander, Helmut Oehring, Marcel Beyer und Michael Grote angehörten.

Die Preisverleihung fand am 19. Oktober als öffentliche Veranstaltung im Rahmen der Donaueschinger Musiktage 2014 statt.

Der Autor

Carl Michael von Hausswolff, geboren 1956 in Linköping (Schweden). Lebt und arbeitet in Stockholm (Schweden). Seit dem Ende der 1970er Jahre arbeitet Carl Michael von Hausswolff als Komponist mit den Mitteln des Tonbandgeräts und der Sinuswellen als Hauptinstrumentarium.

Seine Konzerte sind oft dynamische Gebilde, die sich die Akustik eines bestimmten Raumes zunutze machen. Seine Veröffentlichungen besitzen eine konzeptuelle und intellektuelle Grundlage, die die komponierten Klänge zwischen dem klingenden Objekt und der Musik hin und her schwingen lassen. Als konzeptueller bildender Künstler arbeitet er mit Performance Art, Licht- und Klanginstallationen sowie Fotografie.

Sein Interesse an Architektur und Topographie führte auch zu Filmen wie z.B. Hashima, (Japan 2002), Al Qasr, Bahriyah Oasis, Egypt (2005) und Electra, Texas (2008), die in einer Kollaboration mit dem Filmemacher Thomas Nordanstad entstanden sind. 1997 begann er mit einer Reihe von Werken unter dem Titel Operations of Spirit Communication. Die Werke, die ihre Inspiration aus Methoden der Electronic Voice Phenomena (EVP) (Tonbandstimmen) beziehen, kombinieren und verschmelzen Ton und Bild mit Analog- und Digitaltechnologien wie z.B. Oszilloskope, Radar und Sonar. Diese handelsüblichen Geräte deuten die Möglichkeit des Daseins von Geistern und anderen Lebensformen innerhalb bestimmter Räumlichkeiten oder im Stromnetz an. Die Städte Paris, Linz, Bangkok, Shanghai, Banja Luka, Berlin, Kuala Lumpur, New York City, Tokyo, Frankfurt am Main, Stockholm und Kopenhagen wurden unter diese geisterhafte Lupe genommen.

Jüngst wurde die Ausstellung The Complete Operations of Spirit Communication im OK Centrum in Linz, Österreich präsentiert. Carl Michael von Hausswolff hat auch mit EVP-Forscher Michael Esposito in mehreren Sitzungen zusammen­gearbeitet. Im Frühjahr 2005 vollendete Carl Michael von Hausswolff sein Starhouse-Projekt für The Land Foundation, organisiert von Kamin Lertchaiprasert und Rirkrit Tiravanija in Chiangmai, Thailand.

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Carl Michael von Hausswolff