Hörspiel nach dem Roman von James Joyce

Ulysses

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AUTOR/IN
Manfred Hess

Alle Folgen ab dem 27. Dezember

Der "Ulysses" von James Joyce zählt zu den Büchern, die selbst mutige Leser vor lauter Ehrfurcht nicht lesen, sondern nur bestaunen. Die SWR-Hörspielfassung hat jetzt den Deutschen Hörbuchpreis 2013 als bestes Hörspiel gewonnen und wurde zuvor bereits als Hörbuch des Jahres ausgezeichnet.

James Joyce | Kollage SWR (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa - Josef Breitenbach | Hörverlag)

"Wenn nur jemand mal sagen würde, dass das Buch so verdammt lustig ist."

James Joyce wünschte sich, dass vor seinem Roman "Ulysses" die Leser und Leserinnen nicht wie das Kaninchen vor der Schlange erstarren, erstarren vor Ehrfurcht angesichts seiner Berühmtheit. So kapitulieren viele und schauen sich vielleicht lieber nur den Buchrücken im Regal an, als sich an dieses Meisterwerk der literarischen Moderne zu wagen.

Selber schuld ist Joyce schon. Denn: "Ich habe so viele Rätsel und Geheimnisse hineingesteckt, dass es die Professoren Jahrhunderte lang in Streit darüber halten wird, was ich wohl gemeint habe, und nur so sichert man sich seine Unsterblichkeit."

Aber müssen wir auf das Vergnügen am "Ulysses" verzichten, wenn wir nicht alle Rätsel lüften und alle Geheimnisse enträtseln können? Nein. Bertolt Brecht weist den Weg, als ob er Joyces Wunsch ernst genommen hätte: "Das Buch habe ich von ganz intelligenten Lesern wegen seines Realismus loben hören. Ich gestehe, dass ich über den 'Ulysses' (trotz seiner zahlreichen Manierismen) beinahe ebenso gelacht habe als über den 'Schweijk', und für gewöhnlich lacht unsereiner nur bei realistischen Satiren."

Ob Joyce eine Satire geschrieben hat, sei dahingestellt. Brecht betont den Realismus und den Unterhaltungswert des Romans. Er holt ihn auf den Boden zurück. Und genau dieses Urteil übernimmt die SWR-Hörspielfassung als Zielvorgabe: Sie will den Roman in seinen Bedeutungsebenen akustisch erfahrbar machen, ohne unstatthaft zu vereinfachen, aber auch ohne in weihevoller Ehrfurcht zu erstarren.

Das lässt sich in unseren Augen – und Ohren – mit einer Hörspielfassung besser erreichen als mit einer Lesung des vollständigen Textes. Die Mittel des Hörspiels sind: inszenatorische Verlebendigung und Dechiffrierung, Staffelung des akustischen Raumes zur Verdeutlichung von Erzählhaltungen und -perspektiven, Vernetzung der Motive. Das alles ist umsetzbar über eine akustische Bearbeitungsstrategie, mit Hilfe von Schauspielern in Rollen- und Erzählerhaltungen sowie den Möglichkeiten, die Musik und Geräusche einer Inszenierung und Motivverknüpfung bieten. Es versteht sich von selbst, dass diese Hörspielfassung dabei der Vorgabe folgt entlang des Originaltextes. Es gibt kein Wort, das nicht von Joyce stammt – in der kongenialen Übersetzung von Hans Wollschläger.

Die akustische Welt ist eine selbstständige. Sie tritt hier nicht in Konkurrenz zum Buch und dem Akt des Lesens, sondern soll eine sinnliche Übertragung des "Ulysses" in ein anderes Medium sein. So verbindet sich mit dem "akustischen" Joyce die Hoffnung, das Hörspiel möge auf den Roman verweisen, zum Nach- und Wieder-Lesen ermutigen und ihn bereichernd für Leser und Hörer deuten.

Sirenen und ein Tenor

Klaus Buhlert, geboren 1950 in Oschersleben in Sachsen-Anhalt, flüchtete 1972 in den Westen. Nach einem Studium der Musik, Akustik und Informatik ging er an das Massachusetts Institute of Technology in Cambridge/USA und bekam kurz darauf einen Lehrauftrag für Elektronische und Computer-Musik an der TU Berlin.

Nach 1983 schrieb er Bühnenmusiken für George Tabori und arbeitete als Komponist für Theater und Film.

Seit 1992 arbeitet Buhlert zumeist in Personalunion als Autor oder Bearbeiter, Komponist und Regisseur für verschiedene Hörspielabteilungen der ARD.

Vielen gilt der "Ulysses" als ein unverständliches und schwieriges Werk. Wie sehr teilen Sie diese Einschätzung?

Allen, die diesen Roman unverständlich und schwierig finden, kann ich vielleicht nachfolgenden hilfreichen Ratschlag geben, ohne natürlich aufdringlich erscheinen zu wollen: Machen Sie es wie ich: Lesen Sie ihn lange und laut. Ich habe mich für einige Monate mit etwas beschäftigt, was die Meisten abschreckt. Es liegt deshalb nahe, dass ich nach Abschluss dieser Produktion als eine Art Experte in Sachen "Ulysses" gelte und auch so behandelt werde.

Zum Beispiel werden mir fremde Menschen sich entschuldigend anvertrauen, dass sie den Roman nur teilweise oder gar nicht ... aber nächste Woche dann, besonders jetzt, wo man das Hörspiel... Ich habe aber immer noch nicht die leiseste Ahnung, wie man den "Ulysses" richtig lesen sollte, wenn man das überhaupt kann. Das einzige, was ich behaupten darf, ist, dass wir den Roman im Tonstudio lange und laut gelesen haben. Und einigen, die das Ergebnis hören, wird das wohl großen Spaß machen.

Was macht den "Ulysses" für eine Hörspielbearbeitung so reizvoll?

Über reizvolle Hörspielbearbeitungen zu reden ist in der Regel bequemer, als so eine Bearbeitung – zum Beispiel aus dem "Ulysses"-Roman – zu fertigen. Es gilt unzählige Einzelheiten zu entscheiden. Unter Produktionsdruck muss manches notdürftig und schnell passieren. Und dazu sind leider ein paar Kenntnisse nötig, die gewissermaßen solche Entscheidungen erst möglich machen. Aber bei einem Werk wie dem "Ulysses" äußern sich Theoriespezialisten auf Nachfrage oder Nachschlagen hin meist präzise und allgemeingültig – und wenn es unbedingt erforderlich ist, auch verständlich.

Der Reiz für eine Hörspielbearbeitung des "Ulysses" besteht wohl darin, den Schreibmustern im Roman, ihrer Poesie und ihrem Rhythmus und nicht zuletzt diesem Jonglieren mit Stilistik und Form, nachzuspüren und akustische Entsprechungen dafür zu finden.

Worin bestand die größte Herausforderung bei der Realisierung des Hörspiels?

Das Lesen des Romans stellt den Leser, wie wir alle erfahren haben, vor gewisse Anforderungen. Man kann sich vorstellen, dass diese Anforderungen nicht gerade kleiner werden, wenn man den Roman ein weiteres Mal – nun aber laut – lesen möchte. Geht man noch einen Schritt weiter und beschließt, sich den Roman von anderen Menschen vorlesen und vorspielen zu lassen, wird man schnell vom komplexen Hintergrund solch eines Vorhabens überzeugt sein. Gott sei Dank waren es in meinem Falle außergewöhnlich gute Schauspieler!

Bei Joyce kommt noch erschwerend hinzu: Im Text des Romans wird die Illusion spontaner Mündlichkeit niemals zerstört – und das obwohl immer vom Autor scharf kalkulierte Schriftlichkeit zugrunde liegt. Wir alle kennen den Satz: "Schreibe, wie du sprichst!" Und der wird bei Joyce ins Gegenteil verkehrt. Das macht die Arbeit für die Schauspieler und den Regisseur im Studio nicht einfacher.

Das Hörspiel ist mit erstklassigen Schauspielern besetzt. Wie bereiten Sie den Einsatz der Schauspieler vor?

Alles, was ich tun kann, ist, mich selbst vorzubereiten. Mit den meisten Schauspielern unseres "Ulysses" verbindet mich langjährige Erfahrung in der Arbeit, zum Teil auch Freundschaft. Man kann sich aufeinander verlassen, auch wenn es manchmal reichlich unübersichtlich wird im Studio.

Schauspieler bereiten sich ganz individuell und auf ihre Weise auf solche nicht alltäglichen Texte vor. In dieser Richtung mache ich überhaupt keine Vorgaben mehr. Manchmal, wenn es 'tricky' werden könnte, dann trifft man sich zu einer Vorbesprechung oder auch kleineren Probe vor der eigentlichen Aufnahme.

Wichtig für mich ist, dass bei den eigentlichen Aufnahmen viel von der spontanen Individualität des Schauspielers erhalten bleibt. Trotz meines Bauplans und den damit verbunden Vorstellungen über Inszenierung und Figuren im Kopf.

Bei der Musik greifen Sie auch auf Kompositionen zurück, die Joyce selbst gesungen bzw. am Piano begleitet hat. Wie sind Sie darauf gestoßen?

Joyce war ein begabter Tenor und begleitete seinen Gesang selbst am Piano. Das war Familientradition, denn auch von seinem Vater wird berichtet, dass er eine überdurchschnittliche Tenorstimme besaß. Zu diesem Thema gibt es eine nette Geschichte: Ein Zeitgenosse aus Dublin soll auf die Frage, ob er den Schriftsteller James Joyce gekannt habe, geantwortet haben: "Schriftsteller? Ich kenne einen James Joyce, aber das war ein Tenor." Um dann nach einigem Nachdenken hinzuzufügen: "Ach, ja ein paar Bücher soll er auch geschrieben haben!"

Joyce‘ musikalischer Nachlass landete in mehreren Schuhkartons verpackt in einer Universitätsbibliothek in den USA. 1982 kam ein "James Joyce Songbook" heraus, das den dankenswerten Versuch unternimmt, diese Sammlung loser Blätter zu bündeln und in Beziehung zum literarischen Gesamtwerk von James Joyce zu setzen. Dieses "Songbook"-Material wurde zur musikalischen Quelle für uns.

Und einige gute Beispiele dafür sind sicherlich in Kapitel 11 hörbar. Kapitel 11 trägt übrigens den programmatischen Titel "Sirenen". Wie der Name andeutet, stehen Musik und musikalische Techniken in seinem magnetischen Zentrum. Klänge, Metaphern, Rhythmen werden von diesem Magneten gleichsam angezogen und zu Sprache und Gesang geordnet. Nicht einfach zu entschlüsseln und dennoch faszinierend in seiner Art.

"Eine der inspirierendsten Sprecherarbeiten"

Im großen "Ulysses"-Hörspiel spielt 'Tatort-Kommissar' Dietmar Bär die Hauptrolle des Leopold Bloom.

Haben Sie die Rolle des Leopold Bloom spontan übernommen oder brauchten Sie Bedenkzeit?

Spontane Zusagen halte ich generell für töricht, aber schon nach meiner ersten persönlichen Begegnung mit dem Regisseur Klaus Buhlert wusste ich: Diesmal hätte ich eine Ausnahme machen können.

Wann hatten Sie zum ersten Mal den Roman "Ulysses" in der Hand?

Nach dem ersten Telefonat mit Klaus Buhlert, in der Buchhandlung.

Was hören Sie ansonsten im Radio?

Sendungen über die Geschichte des Groschenromans zum Beispiel. Darüber habe ich zuletzt im Deutschlandfunk etwas gehört.

Was macht den Reiz einer Hörspielarbeit aus?

Da ist einmal die Konzentration auf den reinen Text. Dazu kommen die Möglichkeiten, die sich für die Darstellung nur mit akustischen Mitteln ergeben. Und ganz nebenbei die Wiedersehensfreude mit so manchen lieben Kolleginnen und Kollegen im Studio.

Welche Herausforderungen ergeben sich aus der Rolle des Leopold Bloom? Und wie viel Freiraum hatten Sie bei der Darstellung?

Jeden. ― Wie immer in unserem Beruf als Schauspieler geht es darum, eine Figur lebendig zu machen!

Wie lief die Arbeit im Studio mit Klaus Buhlert ab?

Die Arbeit am "Ulysses" war für mich eine der inspirierendsten und angenehmsten Sprecherarbeiten, die ich erleben durfte! Ich fühle mich sehr geehrt, zu einem "Klaus-Buhlert-Hörspiel-Ensemble" gehört zu haben, und bin unglaublich neugierig auf das Endprodukt!

"Was ist das denn Verrücktes?"

Bei einem Hörspiel-Großprojekt wie dem "Ulysses" gibt es zahllose künstlerische Fragen zu entscheiden. Aber auch die organisatorischen Probleme müssen gelöst werden. Das verlangt von allen Beteiligten Flexibilität, Einsatz und Erfindungsreichtum, wie SWR2-Chefdramaturg Manfred Hess berichtet. Erst dann kann wer die nötige Kondition hat am Bloomsday 22 Stunden "Ulysses" hören.

Als Roman umfasst der "Ulysses" rund 1000 Seiten. Seine Besonderheit sind ununterbrochene, viele Seiten lange Gedankenströme. Das Hörspiel wird in SWR2 am 16. Juni an einem Stück gesendet? Wer kann so etwas durchgehend hören?

Kein Mensch kann das. Dieser Radiotag ist ein Kulturevent, er zeigt, dass der SWR als öffentlich-rechtliche Sendeanstalt nicht nur Kultur widerspiegelt, sondern auch, wie bei seinen Festspielen, Konzerten und Musikreihen, Kultur produziert. Das steht hier – neben dem Ereignis "Bloomsday" – im Vordergrund.

Wie sorgen Sie dafür, dass Hörer, die erst im Laufe des Tages einsteigen, dennoch jederzeit der Geschichte folgen können?

Wir bieten dem Hörer zuallererst ein klares Sendeschema, nach dem die einzelnen Teile des Romans, die 18 Kapitel, jeweils nur zur halben oder vollen Stunde beginnen, begleitet von einer kurzen Einführung und Zusammenfassung des Geschehens. Ausführlichere Informationen findet der Hörer dann in einer kleinen, praktischen Broschüre, unserem "Hörplan".

Nicht zuletzt bietet der Roman selbst den Quereinstieg an, denn jedes Kapitel hat einen eigenen literarischen Stil und ein Thema. Er ist zwar ein großes Ganzes, lässt sich aber auch in seinen Teilen – und das ist vielleicht das 'Postmoderne' an ihm – 'konsumieren'. Es sind also in gewissem Sinne 18 unterschiedliche Hörspiele, die den Hörer erwarten.

Mit der Produktion eines 22stündigen Hörspiels sind enorme Anstrengungen verbunden. So ein großes Projekt kann nur über eine Vielzahl von Beteiligten realisiert werden und die Verantwortlichen von SWR2 mussten zuvor Etats und Sendezeit freimachen. Was waren die größten Schwierigkeiten bei der Realisierung?

Renommierte Schauspieler kommen gerne für ein bis zwei Tage ins Hörspielstudio, da sie hier anständige und niveauvolle Texte sprechen können. Sehr schwierig wird es hingegen, wenn der namhafte Schauspieler in einem Zeitraum von drei bis fünf Monaten immer wieder für einzelne Tage und insgesamt zehn bis zwanzig Tage verpflichtet werden muss. Wir konnten ja nicht einfach die Rolle umbesetzen, wenn Manfred Zapatka oder Dietmar Bär zu den Terminen nicht konnten oder krankheitsbedingt absagen mussten.

Normalerweise würde dann die Produktion stecken bleiben. Hier nun mussten wir alle, vor allem Regisseur Klaus Buhlert, die Nerven bewahren. Wir mussten an anderen Teilen weiterarbeiten, das Ganze aber dabei immer im Kopf behalten und flexibel Lösungsmöglichkeiten entwickeln.

Für mich als Dramaturg hieß das: Sich immer wieder neu zu konzentrieren und mit dem Erarbeiteten nicht deshalb einverstanden zu sein, nur weil es lange gedauert hat. 

Was hat Sie bewogen, Klaus Buhlert als Bearbeiter und Regisseur anzufragen?

Klaus Buhlert ist in meinen Augen der Geeignetste für dieses Projekt. Er verfügt technisch über das nötige Know-how, um flexibel produzieren zu können: Er hat in den USA am Massachusetts Institute of Technology (MIT) geforscht und ist ausgebildeter Tonmeister. Er kennt wie kaum ein anderer in der Hörspielbranche längere Probenkonstellationen und große Drucksituationen, vor allem durch seine langjährige Arbeit als Theaterkomponist von George Tabori.

Nicht zuletzt ist er ein 'alter Hase' in der Umsetzung von literarischen Hörspiel-Großprojekten. Neben Robert Musils "Der Mann ohne Eigenschaften" oder Hermann Brochs "Die Schlafwandler" hat er 2008 die "Ilias" in der Neuübersetzung von Raoul Schrott realisiert.

So wie der Joyce-Roman viele Stilregister zieht, von beinahe postmodern zu nennenden Stilexperimenten und Montagetechniken bis hin zu klassischen Erzählformen, hat Buhlert all diese Formen in seinen verschiedenen Einzelprojekten erprobt und umgesetzt, so dass er sich jetzt an sein 'opus magnum' machen konnte.

Nicht zu vergessen: Ich arbeite schon lange mit ihm zusammen und für so einen Radiotag braucht man Vertrauen in die Zusammenarbeit, auch wenn's zwischendurch mal 'kracht'. 

Wie kamen Sie und Klaus Buhlert darauf, die Hauptrolle des Leopold Bloom mit Dietmar Bär zu besetzten, den die meisten nur aus dem "Tatort" kennen?

Viele Rollen waren Klaus Buhlert und mir recht früh klar und die Schwierigkeit des Besetzungsbüros bestand darin, für die längeren Aufnahmen Zeitkorridore zu finden – so bei Corinna Harfouch, Thomas Thieme, Manfred Zapatka, Jens Harzer oder Werner Wölbern. Dagegen war die Figur des Leopold Bloom lange Zeit offen.

In Gesprächen mit Ursula Wein-Schaeffer vom SWR-Besetzungsbüro kam dann der Name Dietmar Bär plötzlich ins Spiel. Mit ihm hat tatsächlich ein Casting stattgefunden: Klaus Buhlert, der zuvor nicht mit Bär gearbeitet hatte, traf sich mit ihm zwei Mal zu Proben - und dann sind sie es beide angegangen. 

Noch ist die Produktion nicht vollständig abgeschlossen. Wie lange wird es beim "Ulysses" von der Idee bis zum fertigen Hörspiel dauern?

Seit Januar 2011 sitzen wir konkret an der Textfassung, wobei gut ein Jahr zuvor eine gründliche Lektüre und Entwicklung einer Konzeption eingesetzt hatte. Im Mai 2011 begannen die ersten Wortaufnahmen mit den Schauspielern und seit November 2011 sitzt Klaus Buhlert an der Mischung einzelner Kapitel.

Dazwischen wurde und wird der Text überarbeitet, erfolgen Nachaufnahmen und so weiter. Abgeschlossen wird das Projekt dann im Mai 2012 sein. Also: reine Arbeitszeit eineinhalb Jahre und ein Jahr Reifung der Idee und konzeptionelle Vorbereitung. 

Welche persönlichen Erwartungen verbinden Sie mit diesem Projekt? Welche Resonanz auf die Ausstrahlung im Radio erwarten Sie?

Neben dem vordergründigen Öffentlichkeitseffekt wünsche ich mir, dass die Hörerinnen und Hörer – ob am Radiotag oder später, wenn die Einzelfolgen in SWR2 wiederholt werden – den Respekt vor den großen Meisterwerken verlieren.

Ich habe natürlich die Hoffnung, dass sie die Sinnlichkeit der akustischen Umsetzung zu der Frage führt: "Was ist das denn Verrücktes? Sowas habe ich ja noch nie gehört!" Sie mögen bemerken, wie reich sie mit Erfahrungen, die sie zuvor vielleicht nicht hatten, beschenkt werden, wenn sie sich auf solche Texte einlassen.

Wenn der SWR2-Hörspielfassung dies gelingen sollte, wäre ich sehr froh und wüsste, dass die Arbeit erfolgreich war und sich der Kulturauftrag des Senders erneut unter Beweis gestellt hat.

Ulysses | Das Hörspiel

Hörspiel nach dem Roman von James Joyce

Besetzung
ErzählerManfred Zapatka, Corinna Harfouch, Jürgen Holtz, Thomas Thieme, Werner Wölbern, Rufus Beck
Leopold BloomDietmar Bär
'Molly' BloomBirgit Minichmayr
Stephen DedalusJens Harzer
Simon DedalusErnst Stötzner
Buck MulliganWerner Wölbern
Gerty MacDowellAnna Thalbach
Joe HynesJosef Bierbichler
Blazes BoylanWolfram Koch
LenehanMilan Peschel
Zoe HigginsNatali Seelig

In weiteren Rollen:

Anatol Aljinovic, Hendrik Arnst, Bibiana Beglau, Margit Bendokat, Leo Burkhardt, Alberto Fortuzzi, Eva Gosciejewicz, Judith Hofmann, Lyonel Hollaender, Franz Jährling, Peter Kurth, Michael Lucke, Jacqueline Macaulay, Hans Werner Meyer, Mira Partecke, Lars Rudolph, Mandy Rudski, Michel Stieblich, Stefan Wilkening, Graham Valentine, Felix von Manteuffel, Maximilian von Pufendorf

Buttons Ulysses (Foto: SWR, SWR -)
Produktionsstab
Hörspielbearbeitung, Musik und RegieKlaus Buhlert
TonKlaus Buhlert und Andreas Meinetsberger
SchnittKlaus Buhlert und Andreas Meinetsberger
Besetzung und ProduktionsplanungUrsula Wein-Schaeffer
ProduktionSüdwestrundfunk und Deutschlandfunk 2012
DramaturgieManfred Hess

Das Gilbert-Schema

Die Hörspielfassung des "Ulysses" übernimmt die Struktur des Romans, der in seinem Aufbau Homers "Odyssee" folgt. Im "Ulysses" schildert James Joyce einen Tag in Dublin in 18 Kapiteln. Jedem Kapitel er hat eine Figur und einen Gesang aus der "Odyssee" zugeordnet sowie eine Uhrzeit, einen Ort in Dublin, eine Kunstrichtung, eine Farbe, ein Symbol und eine Erzähltechnik.

James Joyce-Manuskript (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa -)
Seite aus dem Manuskript des "Ulysses"

Seinem Freund Stuart Gilbert erstellte Joyce 1921 ein Schema, das die in den einzelnen Kapiteln sich spiegelnden Elemente auflistet.

Dieses so genannte "Gilbert-Schema" ist hilfreich, Bezüge herzustellen und sich im Roman grob zu orientieren.

1. KapitelTelemachos
Szene Turm: Martello Tower am Strand von Sandcove, Dublin • Uhrzeit 8.00 Uhr • Kunst Theologie • Symbol Erbe • Technik Erzählung (eines jungen Mannes)

2. KapitelNestor
Szene Schule: College im Dorf von Dalkey bei Dublin • Uhrzeit 10.00 Uhr • Kunst Geschichte • Symbol Pferd • Technik Katechismus (personal)

3. KapitelProteus
Szene Strand von Sandymount • Uhrzeit 11.00 Uhr • Kunst Philologie • Symbol Flut • Technik Monolog (männlich)

4. KapitelKalypso
Szene Haus • Uhrzeit 8.00 Uhr • Organ: Niere • Kunst Ökonomie • Symbol Nymphe • Technik Erzählung (erwachsen)

5. KapitelLotophagen
Szene Bad • Uhrzeit 10.00 Uhr • Organ: Genitalien • Kunst Botanik, Chemie • Symbol Eucharistie • Technik Narzissmus

6. KapitelHades
Szene Friedhof • Uhrzeit 11.00 Uhr • Organ: Herz • Kunst Religion • Symbol Totengräber • Technik Inkubismus

7. KapitelAiolos
Szene Zeitung • Uhrzeit 12.00 Uhr • Organ: Lunge • Kunst Rhetorik • Symbol Redakteur • Technik Ethymem

8. KapitelLaistrygonen
Szene Essen • Uhrzeit 13.00 Uhr • Organ: Speiseröhre • Kunst Architektur • Symbol Polizisten • Technik Peristaltik

9. KapitelSkylla und Charybdis
Szene Bibliothek • Uhrzeit 14.00 Uhr • Organ: Gehirn • Kunst Literatur • Symbol Stratford, London • Technik Dialektik

10. KapitelSymplegaden
Szene Straße • Uhrzeit 15.00 Uhr • Organ: Blut • Kunst Mechanik • Symbol Bürger • Technik Labyrinth

11. KapitelSirenen
Szene Konzertsaal • Uhrzeit 16.00 Uhr • Organ: Ohr • Kunst Musik • Symbol Bardamen • Technik Fuga per canonem

12. KapitelDer Kyklop
Szene Pub • Uhrzeit 17.00 Uhr • Organ: Muskeln • Kunst Politik • Symbol Nationalist • Technik Gigantismus

13. KapitelNausikaa
Szene Felsen • Uhrzeit 20.00 Uhr • Organ: Auge, Nase • Kunst Malerei • Symbol Jungfrau • Technik Tumeszenz, Detumeszenz

14. KapitelRinder des Helios
Szene Krankenhaus • Uhrzeit 22.00 Uhr • Organ: Gebärmutter • Kunst Medizin • Symbol Mutter • Technik Entwicklung des Embryos

15. KapitelKirke
Szene Bordell • Uhrzeit 00.00 Uhr • Organ: Bewegungsapparat • Kunst Magie • Symbol Hure • Technik Halluzination

16. KapitelEumaios
Szene Kutscherkneipe • Uhrzeit 1.00 Uhr • Organ: Nerven • Kunst Navigation • Symbol Matrose • Technik Erzählung (alt)

17. KapitelIthaka
Szene Haus • Uhrzeit 2.00 Uhr • Organ: Skelett • Kunst Wissenschaft • Symbol Komet • Technik Katechismus

18. KapitelPenelope
Szene Bett • Organ: Fleisch • Symbol Erde • Technik Monolog (weiblich)

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Manfred Hess