Hörspiel nach dem Roman von James Joyce

Ulysses

Stand
AUTOR/IN
Manfred Hess

Alle Folgen ab dem 27. Dezember

Der "Ulysses" von James Joyce zählt zu den Büchern, die selbst mutige Leser vor lauter Ehrfurcht nicht lesen, sondern nur bestaunen. Die SWR-Hörspielfassung hat jetzt den Deutschen Hörbuchpreis 2013 als bestes Hörspiel gewonnen und wurde zuvor bereits als Hörbuch des Jahres ausgezeichnet.

James Joyce | Kollage SWR (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa - Josef Breitenbach | Hörverlag)

"Wenn nur jemand mal sagen würde, dass das Buch so verdammt lustig ist."

James Joyce wünschte sich, dass vor seinem Roman "Ulysses" die Leser und Leserinnen nicht wie das Kaninchen vor der Schlange erstarren, erstarren vor Ehrfurcht angesichts seiner Berühmtheit. So kapitulieren viele und schauen sich vielleicht lieber nur den Buchrücken im Regal an, als sich an dieses Meisterwerk der literarischen Moderne zu wagen.

Selber schuld ist Joyce schon. Denn: "Ich habe so viele Rätsel und Geheimnisse hineingesteckt, dass es die Professoren Jahrhunderte lang in Streit darüber halten wird, was ich wohl gemeint habe, und nur so sichert man sich seine Unsterblichkeit."

Aber müssen wir auf das Vergnügen am "Ulysses" verzichten, wenn wir nicht alle Rätsel lüften und alle Geheimnisse enträtseln können? Nein. Bertolt Brecht weist den Weg, als ob er Joyces Wunsch ernst genommen hätte: "Das Buch habe ich von ganz intelligenten Lesern wegen seines Realismus loben hören. Ich gestehe, dass ich über den 'Ulysses' (trotz seiner zahlreichen Manierismen) beinahe ebenso gelacht habe als über den 'Schweijk', und für gewöhnlich lacht unsereiner nur bei realistischen Satiren."

Ob Joyce eine Satire geschrieben hat, sei dahingestellt. Brecht betont den Realismus und den Unterhaltungswert des Romans. Er holt ihn auf den Boden zurück. Und genau dieses Urteil übernimmt die SWR-Hörspielfassung als Zielvorgabe: Sie will den Roman in seinen Bedeutungsebenen akustisch erfahrbar machen, ohne unstatthaft zu vereinfachen, aber auch ohne in weihevoller Ehrfurcht zu erstarren.

Das lässt sich in unseren Augen – und Ohren – mit einer Hörspielfassung besser erreichen als mit einer Lesung des vollständigen Textes. Die Mittel des Hörspiels sind: inszenatorische Verlebendigung und Dechiffrierung, Staffelung des akustischen Raumes zur Verdeutlichung von Erzählhaltungen und -perspektiven, Vernetzung der Motive. Das alles ist umsetzbar über eine akustische Bearbeitungsstrategie, mit Hilfe von Schauspielern in Rollen- und Erzählerhaltungen sowie den Möglichkeiten, die Musik und Geräusche einer Inszenierung und Motivverknüpfung bieten. Es versteht sich von selbst, dass diese Hörspielfassung dabei der Vorgabe folgt entlang des Originaltextes. Es gibt kein Wort, das nicht von Joyce stammt – in der kongenialen Übersetzung von Hans Wollschläger.

Die akustische Welt ist eine selbstständige. Sie tritt hier nicht in Konkurrenz zum Buch und dem Akt des Lesens, sondern soll eine sinnliche Übertragung des "Ulysses" in ein anderes Medium sein. So verbindet sich mit dem "akustischen" Joyce die Hoffnung, das Hörspiel möge auf den Roman verweisen, zum Nach- und Wieder-Lesen ermutigen und ihn bereichernd für Leser und Hörer deuten.

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Manfred Hess