Bis in die fünfziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts musste Emily Dickinson (1830 – 1886) warten, bis ihre knapp 1800 Gedichte in einer Gesamtausgabe erscheinen konnten. Gedichte, die die amerikanische Literaturgeschichte inzwischen dazu veranlasste, die scheinbar weltentrückte "Einsiedlerin von Amherst" zu ihrer größten Dichterin auszurufen.
Zu Lebzeiten wurden von ihr lediglich sieben Gedichte veröffentlicht. Natur, Liebe, Tod, die metaphysische Obdachlosigkeit des modernen Menschen, die Transzendenz des Zeitlichen, Unsterblichkeit – das waren ihre Themen.
Die Hörspielarbeit taucht ein in die Welt ihrer Gedichte und ihrer (literarischen) Briefe, denen sie oft Gedichte beilegte oder in das Geschriebenen mit einfließen ließ, um die Schönheit, Originalität und Modernität, die Eigenheit ihrer Poesie zu feiern.
Um ihre Frage von 1862 an den Bostener Publizisten und Frauenrechtler Thomas Wentworth Higginson neu zu beantworten: "Leben meine Verse?"
„Jedes Wort in dieser auf den ersten Blick sehr unzugänglichen Gedichten wirkt unbekannt, wie frisch getauft. Deswegen kann, wer diese Gedichte liest, nichts wiedererkennen, nur erkennen, wie zum ersten Mal, wie ein Kind. Das ist im harmlosen Lektürefall erfrischend, im Ernstfall erschütternd“.
Kai Grehn, geboren 1969, wuchs in Ostberlin auf. Arbeiten als Postzusteller, redaktioneller Mitarbeiter sowie als Regie-Assistent beim TanzTheater Skoronel, Studium der Theaterregie an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch“. Seitdem Arbeiten fürs Theater und Rundfunk, Prosaarbeiten und literarische Übersetzungen aus dem Englischen. Grehn erhielt u.a. den Prix Marulic Spezialpreis 2001 und 2005, den Deutschen Hörbuchpreis 2012 für die Hörspielarbeit "Die künstlichen Paradiese“ nach Charles Baudelaire, sowie 2019 den Gold Radio Award des New York Festivals für sein Hörspiel „MU! oder People must be punished“. 2016 wurde er für seine Prosaarbeiten mit dem erstmals vergebenen Literaturpreis Mecklenburg-Vorpommern ausgezeichnet. Kai Grehn lebt als freier Autor und Regisseur in Berlin.
Mitwirkende: Birgit Minichmayr (Emily Dickinson), Christopher Nell (Stimme, Gesang)
Regie: Kai Grehn
Ton und Mischung: Jean Szymczak
Komposition: CocoRosie
Dramaturgie: Holger Rink
Produktion: RadioBremen/Dlf 2021