Film

Neokolonialismus im Film: Netflix und der „Kalasha Film-Markt“ in Nairobi

STAND
AUTOR/IN
Rüdiger Suchsland

Einen Einblick in die afrikanische Filmlandschaft bietet der „Kalasha Filmmarkt“ im kenianischen Nairobi. Präsentiert wurde da unter anderem mit viel Eigenlob eine Reihe mit afrikanischen Filmen des Streaminggiganten Netflix. Die deutsche Initiative „One Fine Day Films“ dagegen bemüht sich seit Jahren um eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe.

Audio herunterladen (4 MB | MP3)

Auf dem diesjährigen Kalasha Filmmarkt im kenianischen Nairobi, auf dem sich die großen Player des Filmbusiness treffen, konnte man beobachten, wie

Wie unverblühmt Netflix auf dem amerikanischen Markt um neuen Abonnenten buhlt.

Das globale Filmbusiness in Kenia

Nairobi, Kenia. Hier findet im Herzen der kenianischen Hauptstadt der „Kalasha Filmmarkt“ statt, einer der wichtigsten Filmmärkte des afrikanischen Kontinents. Geschäfte machen viele in Afrika, auch aus dem globalen Filmbusiness.  

Das konnte man in Nairobi bestens verfolgen, wenn man sich den Auftritt des Streaming-Giganten Netflix vornahm. Gleich drei große Veranstaltungen an den drei Tagen des Filmmarkts wurden allein von Netflix bestritten.  

Netflix macht in Nairobi Propaganda

Die waren im Ergebnis von erstaunlich unverblümter Unverfrorenheit. Man brauchte noch nicht einmal einen Moderator, sondern vier Netflix-Mitarbeiter moderierten sich selbst bei einer komplett unkritischen Vorführung der eigenen Arbeit, die – kaum überraschend – in den höchsten Tönen und in einem sehr konventionellen amerikanischen Marketing-Stil gelobt wurde. Keine Präsentation, sondern eine Propagandaschau.   

Im Gegensatz zu vergleichbaren europäischen Auftritten sagte Netflix hier auch ganz offen, dass man die Menschen vom Kino fernhalten will, und dass es nicht um irgendeine Form von Demokratisierung geht, oder eine Beteiligung von Machern und Publikum, sondern das kuratierte Inhalte präsentiert werden sollen, die einem globalen Publikum gefallen müssen.

Gehirnwäsche für das Publikum vor Ort

Authentizität interessiert nicht. Umgekehrt passt man sich den Gegebenheiten vor Ort in politischer Weise erstaunlich opportunistisch an. Die Formel "Rücksichtnahme auf lokale Verhältnisse" meint, man achtet die Gesetze vor Ort, auch dann, wenn die einzelnen Länder strengster Zensur unterliegen, die keineswegs mit den Werten des Westens vereinbar sind.

Das Ziel des Ganzen ist es, billige Inhalte produzieren zu können und möglichst viele Abonnenten auch in Afrika zu gewinnen.  Das neueste Produkt des Netflix Engagements ist „African Folk tales reimagined“ also "Afrikanische Märchen neu erzählt".   

Es sind keine schlechten Filme. Aber es ist sehr amerikanisches Erzählen, keineswegs afrikanisch. Schlechtestenfalls Gehirnwäsche fürs Publikum vor Ort. Bestenfalls lernen die afrikanischen Beteiligten Kniffe und Handwerk, das sie mittelfristig für bessere Filme verwenden können.   

Neokolonialismus als Vermarktungsstrategie

Im Ergebnis handelt es sich aber um eine Form von Neokolonialismus, die sich kultureller Mittel bedient, um global verkäufliche Inhalte herzustellen. Natürlich sind kenianische Filmemacher ebenso wie die anderen afrikanischen Länder in das Projekt mit eingebunden. Doch es ist niemals ein Verhältnis auf Augenhöhe.  

Zumal auch das nicht-englischsprachige Afrika, immerhin mehr als ein Drittel des Kontinents, ignoriert wird – auch hier zählt nur der angloamerikanische Markt.

Nachhaltiges Empowerment statt schneller Verwertung

Besser machen es ohne Frage die Deutschen. Schon vor 15 Jahren gründete der Berliner Regisseur Tom Tykwer zusammen mit seiner Frau Marie Steinmann und der Berliner Produzentin Sarika Lakhani kar das Projekt "One fine day Films".

Seitdem gibt es mehrmals im Jahr in Kenia Workshops mit einheimischen Filmemachenden, aber auch mit Schauspielern, Drehbuchautoren und neuerdings einer Journalistenausbildung.   

Mehrere Filme wurden produziert, die Arbeit vor Ort ist Basisarbeit und dauert ihre Zeit, aber es ist dafür nachhaltiges Empowerment, nicht schnelle Verwertung.

Film Erschütterndes Geschichtsdrama: „Der vermessene Mensch“ von Lars Kraume

Es ist der erste deutsche Film über den Völkermord an den Herero und Nama im heutigen Namibia. Regisseur Lars Kraume erzählt in „Der vermessene Mensch“ wie brutal das deutsche Kaiserreich in seiner Kolonie agierte.

SWR2 am Morgen SWR2

Serie Netflix-Serie „Transatlantic“ – Wie Marc Chagall und Hannah Arendt vor den Nazis flohen

Marc Chagall, Lion Feuchtwanger, Hannah Arendt: Sie alle flohen von Frankreich aus vor den Nazis. Netflix erzählt ihre Geschichte jetzt als Serie.

SWR2 Kultur aktuell SWR2

STAND
AUTOR/IN
Rüdiger Suchsland