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ZDF-Serie „The Gymnasts“: Mord, Missbrauch und Manipulation in der Welt des Kunstturnens

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Karsten Umlauf

Wenn Jugend und ein kindlicher Körper in der Welt des Leistungsports Wettbewerbsvorteile verschaffen können, kann es schnell kriminell werden. Die Geschichte des Kunstturnens ist voller Missbrauchsfälle und unwürdiger Trainingsmethoden. Die ZDF-Serie „The Gymnasts“ ist erzählt wie ein Krimi: Bei einem Tunier in den Abruzzen werden die jungen Turnerinnen über ihre körperlichen und mentalen Grenzen hinaus getriben – bis der Druck schließlich zu groß wird und ein Mord geschieht.

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Filmstill (Foto: ZDF Neo)
Die 15-jährige Martina del Bianco ist Kunstturnerin bei "Vis Invicta", einem Team aus Neapel. Bild in Detailansicht öffnen
Nach einer längeren, verletzungsbedingten Pause nimmt Martina zum ersten Mal wieder an einem Wettkampf teil. Bild in Detailansicht öffnen
Dabei muss sie nicht nur ihre Angst überwinden, noch einmal zu stürzen, sondern auch ihren Platz in der Mannschaft wiederfinden. Bild in Detailansicht öffnen
Denn hier gibt inzwischen die dominante Carla den Ton an. Carla (Giada Savi), im Hintergrund von links: Carla (Giada Savi), Nadia (Federica Cuomo), Anna (Giada Pirozzi), Benedetta (Eva Iurlaro) und Rachele (Antonia Truppo) Bild in Detailansicht öffnen
Beim renommierten Winter-Fox-Turnier misst sich Martina gemeinsam mit der italienischen Mannschaft eine Woche lang in der kargen, verschneiten Landschaft der Abruzzen mit anderen europäischen Teams. Bild in Detailansicht öffnen
Ihre größte Konkurrenz: die Rumäninnen mit Starturnerin Angelica Ladeci. Bild in Detailansicht öffnen
Die Mädchen des italienischen Teams Vis Invicta wollen bei dem wichtigen Turnturnier in den italienischen Abruzzen unbedingt glänzen, um sich so einen Platz im Olympiakader ihres Landes zu sichern. Bild in Detailansicht öffnen
Ihr eigener Ehrgeiz wird dabei noch von Mannschaftsarzt Alex angetrieben und auch von Trainerin Rachele herausgefordert. Bild in Detailansicht öffnen
So gehen Martina und ihre Mannschaft bis an ihre körperlichen und mentalen Grenzen und darüber hinaus – bis der Druck schließlich zu groß wird und ein Mord geschieht. Bild in Detailansicht öffnen
„'he Gymnasts“ ist ein modernes Märchen über die obsessive Suche nach körperlicher und geistiger Perfektion und ewiger Jugend. Der Hauptschauplatz der Geschichte ist die klaustrophobische Welt eines Kunstturnwettbewerbs in den Abruzzen.“ (Cosima Spender und Valerio Bonelli, Regie) Bild in Detailansicht öffnen

Krimi in der Welt des Leistungssports

Beim Turnturnier in den italienischen Abruzzen gab es einen Mord. Wer der Mörder oder die Mörderin ist, erfährt man natürlich erst am Ende der sechs Folgen. Aber auch das Opfer bleibt einem bis zum Schluss verborgen. Die Rahmenhandlung bildet die Befragung der Kommissarin, durch die man überhaupt erfährt, dass etwas passiert ist. Und die Serie blendet dann zurück, erzählt mit jeder Folge einen Tag, beginnend mit dem Montag, dem Tag der Abreise der Mannschaft von Vis Invicta aus Neapel zum Turnier.

Filmstill (Foto: ZDF Neo)
„'he Gymnasts“ ist ein modernes Märchen über die obsessive Suche nach körperlicher und geistiger Perfektion und ewiger Jugend. Der Hauptschauplatz der Geschichte ist die klaustrophobische Welt eines Kunstturnwettbewerbs in den Abruzzen.“ (Cosima Spender und Valerio Bonelli, Regie)

Verordneter Teamgeist und gepflegte Zickigkeit

Trainerin Rachele liebt ihre fünf Mädels, das spürt man. Vom Eisbaden bis zur gemeinsamen Meditation beschwört sie den Teamgeist. Und doch liegt etwas Unehrliches in der Luft. Unter den 15-jährigen ist die Grenze zwischen blöden Sprüchen und Mobbing fließend. Es herrscht gepflegte Zickigkeit.

„The Gymnasts" ist eine Coming-of-Age-Serie unter den speziellen Bedingungen des Leistungssports, das ist allein schonmal eine faszinierende Idee. Die erste Periode, erster Sex, Alkohol, der Wunsch, nicht mehr Kind zu sein, sich selbst zu finden - das sind ganz normale Teeniethemen, die aber hier immer mit der Angst vor einem möglichen Karriereende verbunden sind.

Filmstill (Foto: ZDF Neo)
So gehen Martina und ihre Mannschaft bis an ihre körperlichen und mentalen Grenzen ­– und darüber hinaus. Bis der Druck schließlich zu groß wird und ein Mord geschieht.

Erwachsene im Umfeld manipulieren die Turn-Kinder

Wie in der Romanvorlage "Corpo Libero" von Ilaria Bernardini spielt die besondere Verantwortung von Erwachsenen eine entscheidende Rolle, die die Kinder oft nicht schützen, sondern sie für einen kurzen Moment scheinbarer Perfektion ihrer jugendlichen Leichtigkeit berauben. Sie manipulieren, zwingen sie in ein System und lassen sie dann mit ihren Ängsten und existenziellen Unsicherheiten in dieser sensiblen Lebensphase alleine.

Filmstill (Foto: ZDF Neo)
Die Mädchen des italienischen Teams Vis Invicta wollen bei dem wichtigen Turnturnier in den italienischen Abruzzen unbedingt glänzen, um sich so einen Platz im Olympiakader ihres Landes zu sichern.

Gelungener Cast aus echten Kunstturnerinnen

Was diese Serie noch außergewöhnlich macht: man sieht viel guten Sport: Eleganz, ehrliche Begeisterung, Ehrgeiz. Was daran liegt, dass die jungen Hauptdarstellerinnen von Haus aus Kunstturnerinnen sind. Ihr Casting ist rundum gelungen, sie spielen vielleicht nicht immer ganz so geschliffen, dafür umso natürlicher, direkter.

Dabei vermitteln sie auf sehr berührende Weise, dass sich auch hinter ihrer maskenhaften Schminke und den glitzernden Anzügen Dramen abspielen, bei denen die perfekte Landung eher nicht vorgesehen ist.

Trailer der ZDF-Serie „The Gymnasts“:

„The Gymnasts“ in der ZDF Mediathek

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Karsten Umlauf