Film

Roadmovie „Vamos a la playa“ – Drei Mittzwanziger zwischen Privilegien, Sex und Gutmenschentum auf Kuba

Stand
AUTOR/IN
Rüdiger Suchsland

Nach ihrem Kultfilm „Prinzessinnenbad“ erzählt Bettina Blümner in ihrem neuen Film von drei Berliner Mittzwanzigern auf einer Reise nach Kuba. Auf der Suche nach Spaß, Selbstbestimmung, Liebe und Lust werden ihre Privilegien europäischen Wohlstands mit den Realitäten der kubanischen Gesellschaft konfrontiert.

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Ein Protestsong getarnt als Urlaubsschlager

„Vamos a la playa" - es ist ein Welthit. Gute Laune, Sonne, Strand, Musik und Urlaubsfeeling. Aber wer hat je auf den Text geachtet? Es geht um eine Atombombe und der Welthit ist eigentlich ein sehr unbekannter Protestsong. So ähnlich verhält es sich auch mit diesem Film: Abgründe, Ambivalenz, Tiefe und politische Bedeutung verstecken sich unter der sonnigen Oberfläche eine leichten Urlaubsfilms um jugendliche Protagonisten.

 

Filmstill (Foto: Achtung Panda!, Marinka Filmes (Ko-Produktion))
Die Student*innen Benjamin (Leonard Scheicher), Katharina (Victoria Schulz) und Judith (Maya Unger) reisen nach Kuba, um Katharinas abgetauchten Bruder Wanja zu finden. Bild in Detailansicht öffnen
Doch der usprüngliche Plan wird schnell zur Nebensache. Bild in Detailansicht öffnen
Katharina sucht nach sexuellen Abenteuern, für die sie auch bereit ist zu zahlen. Bild in Detailansicht öffnen
Benjamin sucht nach echter Liebe und Judith will eigentlich gar keine Beziehung. Bild in Detailansicht öffnen
Zunehmend kollidieren zudem die klischeehaften Projektionen der westlichen Tourist*innen mit der komplexen Realität wirtschaftlicher Ungleichheit auf der Insel. Bild in Detailansicht öffnen

Mit Papas Geld auf Kuba

Die Geschichte handelt von drei deutschen Freunden auf Kuba. Auf der Suche nach Spaß, Selbstbestimmung, Liebe und Lust müssen sie sich der unbequemen Frage stellen, wie sie mit den eigenen Privilegien umgehen? Regisseurin Bettina Blümner erzählt ihre Geschichte über die deutsche Gesellschaft mit besonderer Klarheit, indem sie Personen zeigt, die das eigene Land verlassen, um sich in die Ferien begeben. In diesem Fall sind es drei Berliner Mittzwanziger, die üppig mit dem Geld eines Vaters ausgestattet nach Kuba fahren um den Bruder von Katharina zu suchen. 

Gutmenschentum und Sextourismus im im vermeintlichen Paradies

Der Gesuchte hat sich abgesetzt und beschlossen, mit seinem Erbe eine kubanische Familie zu unterstützen, ohne zu bemerken, dass er dadurch zu einem gedankenlosen, westlichen Gutmenschen wird. Seine Schwester Katharina verspottet zwar westliche Sextouristen, sucht aber selbst die käufliche Liebe. 

Blümner erzählt vor allem von den westlichen Projektionen auf Kuba: Ein tropisches Paradies, in dessen realen Lebensverhältnissen von dem westlichen Wunsch nach Individualismus nicht viel übrig bleibt. Es ist eine Coming-of-Age-Geschichte mit einem großartigen Ensemble: Victoria Schult, Maya Unger und Leonard Scheicher spielen die Hauptrollen.

Filmstill (Foto: Achtung Panda!, Marinka Filmes (Ko-Produktion))
Benjamin sucht nach echter Liebe und Judith will eigentlich gar keine Beziehung.

 Schwere Themen leichthändig erzählt

Bettina Blümner studierte während ihrer Ausbildung an der Filmakademie Baden-Württemberg im Rahmen eines Austauschprogramms einige Zeit an der renommierten kubanischen Filmhochschule. Sie war damals so alt wie ihre Figuren, deren ebenso großspurigen wie fragilen Selbstbildern der Film auf den Zahn fühlt. Besonders loben muss man die Leichtigkeit, mit der Blümner erzählt. Sie erzählt von Sextourismus und kultureller Aneignung, der Reise in ein fremdes Land, in dem Menschen zwangsläufig ausgebeutet werden, selbst wenn Touristen noch so achtsam sich benehmen – aber sie nimmt diese Themen nicht ernster als nötig.

Kein pädagogisches Kino

Dies ist kein Film, der immer weiß, was gut und richtig ist, in dem Figuren sich entweder vorbildlich benehmen oder von der Drehbuchhandlung bestraft werden. Die Regisseurin lehnt jenes pädagogische Kino erkennbar ab, das in Deutschland so gern eingefordert wird, in dem die Menschen sich im Laufe des Films zu besseren Menschen wandeln müssen, und das Publikum irgendetwas zu lernen und "mitzunehmen" hat. Vielleicht lernt es gerade dadurch eine ganze Menge. Unter dem Strand liegt der Untergang ...

Trailer „Vamos a la playa“, ab 26.4. im Kino

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Rüdiger Suchsland