Armando Iannucci wirft die Schwere über Bord
Bitterböse ist an „David Copperfield – einmal Reichtum und zurück“ überraschend wenig. Dabei birgt die Lebensgeschichte des jungen Helden schon früh einiges an Tragik: Vom Rauswurf durch den brutalen Stiefvater über die Kinderarbeit in einer Flaschenfabrik bis hin zum Tod der Mutter.
Doch Armando Iannucci wirft die viktorianische Schwere über Bord und macht aus der Geschichte einen komödiantisch überdrehten Bilderbogen, opulent ausgestattet und mit rasantem Tempo erzählt.
Vom Kindheitsidyll ins Elend vertrieben
Eigentlich lebt der kleine David Copperfield in einem ländlichen Idyll. Umsorgt von einer jungen Mutter und einer liebenden Kinderfrau bekommt der aufgeweckte Junge zu Hause Bildung für den Kopf. Für die Bildung des Herzens sorgen die Verwandten der Kinderfrau, grundgute Fischersleute, die David in ihre Patchworkfamilie integrieren.

Aus diesem Paradies vertreibt ihn der Stiefvater. David wächst stattdessen als Teil des Londoner Lumpenproletariats auf – beim Ehepaar Micawber, das ständig auf der Flucht vor den vielen Gläubigern ist und David den letzten Cent aus der Tasche zieht.
Erst als seine wohlhabende Tante und ihr versponnener Hausfreund den mittlerweile zum jungen Mann gereiften David aufnehmen, scheint es für ihn endlich bergauf zu gehen.
Eine Fülle an Figuren und Handlungen
Von Dickens autobiographisch gefärbtem Roman „David Copperfield“, der ursprünglich als Fortsetzungsgeschichte in einer Zeitung erschien, gibt es bereits einige Verfilmungen für TV und Kino. Alle kämpfen mit der Fülle des Stoffs, den unzähligen Nebenfiguren und ausufernden Handlungssträngen.
Armando Iannucci nimmt das Episodenhafte auf und unterteilt die Coming-of-Age-Geschichte in mehrere mit Überschriften versehene Kapitel. Dev Patel als David Copperfield bleibt stets als Erzähler seiner eigenen Geschichte sichtbar.
Verspielte Erzählweise
Auch visuell wird der Prozess des Erzählens auf der Leinwand integriert. So schreibt David Figuren in die Geschichte hinein oder wieder heraus, kommende Ereignisse werden schon in frühere Szenen eingeblendet oder eine riesige Hand setzt die Hauptfigur von einer Szene in die nächste.
Das macht Spaß anzusehen, auch wenn durch die verspielte Erzählweise nicht alle Handlungsstränge gleichermaßen stringent verfolgt werden und sich keine emotionale Tiefe entwickelt.
Diversität in der Besetzung
Die Besetzung ist mit Dev Patel, Tilda Swinton, Ben Wishaw und Hugh Laurie hochkarätig und zudem auffallend divers. So spielt eine schwarze Schauspielerin die snobistische Upper Class-Mutter eines weißen Schulfreundes.
Ein asiatischer Schauspieler ist der Vater einer schwarzen Tochter. Die Tatsache, dass das in diesem Historienfilm so auffällt, zeigt, wie selten ein solch farbenblinder Cast nach wie vor ist.
Hingebungsvolle Bekenntnis zur Leichtigkeit
Er passt auf jeden Fall zu Iannuccis Herangehensweise, in der es um Phantasie, Spiel, Dynamik und Witz geht. Allerdings muss man sagen: Nicht jede Pointe in dieser temporeichen Inszenierung zündet auch.
Manch skurriler Charakter wirkt ein bisschen zu gewollt. Das Düstere zu glatt gezogen. Insgesamt aber ist es ein Film, der gerade mit seinem hingebungsvollen Bekenntnis zur Leichtigkeit Spaß macht.