In seinem neuen Film erzählt Regisseur Martin McDonagh („Brügge sehen… und sterben?“, „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“) von der Freundschaft zweier einfacher irischer Männer, gespielt von Colin Farrell und Brendan Gleeson, die eines Tages in eine giftige Feindschaft umschlägt.
Ziemlich beste Freunde in Irland
Bis gestern noch waren Padraic und Colm ziemlich beste Freunde. Jahrelang verbrachten sie mehrere Tage in der Woche miteinander – zugegeben in einem ziemlich kleinen Fischerdorf an der irischen Küste, wo es so viele andere Möglichkeiten auch gar nicht gibt. Und wo man anderen Leuten schlecht aus dem Weg gehen kann. Aber Colm hat sich entschlossen, genau das zu tun. Seine Gründe bleiben unverständlich.

Das Ende einer Freundschaft
Man weiß nicht so recht, ob man diesen Film eine Komödie, eine Tragödie oder ein Melodrama nennen soll. Worum es am Ende geht, ist natürlich im Prinzip überaus ernst: die Irrationalität menschlicher Konflikte, aus der schlimme Dinge wachsen. Das Ende einer Freundschaft, der Wut und Hass richten sich nicht nur gegen den jeweils anderen; sie sind auch eine Form der Selbstverstümmelung.
Der Film ist komplett geprägt durch die Perspektive von Pádraic. Gespielt von Colin Farrell ist er die Identifikationsfigur, und er wirkt in diesem Konflikt der beiden Freunde als das Opfer, Colm als der Täter. Aber tiefe Verletzungen erzeugen noch tiefere Verletzungen. Und irgendwann schlägt Pádraic zurück.
Filmischer Blick aus der Stadt auf sonderbare irische Provinzler
Der Film blickt mit der etwas schmunzeligen Folklore städtisch geprägter Filmemacher auf sonderbare Provinzler, unserer Moderne entfremdete Hobbits, die in einem fernen Auenland ihre merkwürdigen Bräuche und Verhaltensweisen zelebrieren.
Zugleich sehen wir eine makabere, grausame Groteske, überlang und trostlos, die man durchaus auf heutige Konflikte beziehen muss. Denn alles spielt vor 100 Jahren, 1923 mitten im Britisch-Irischen Krieg, der auch ein irischer Bürgerkrieg war. Die nach wie vor ungelöste Nordirland-Frage ist eine Folge dieses Kriegs.
Trailer „The Banshees of Inisherin", ab 5.1. im Kino
„Banshees" sind wehklagende Feen
Regisseur Martin McDonagh, der aus London stammt, erforscht metaphorisch einen universalen Gefühlszustand. Die „Banshees“ des Titels, die auf der Insel Inisherin ihr Unwesen treiben, sind Feen, weibliche Geister, die als düstere Omen den Tod einer ihnen nahestehenden Person durch Schreie, Wehklagen oder Kreischen wie düstere Sirenen ankündigen.
Es ist trotzdem alles ein bisschen behauptet: Sind wirklich nur toxische Männlichkeit und irrationale Dummheit die Ursache von Konflikten wie dem in Nordirland oder jetzt der Ukraine? Spielen handfeste Interessen, Gier nach Reichtum und Macht und soziale Ungleichheit gar keine Rolle? An diesem Punkt macht es sich der Film zu einfach.
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