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„The Five Devils" von Léa Mysius: Ein Hauch von David Lynch in den französischen Voralpen

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Rüdiger Suchsland
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Katja Freidank

Eine Mutter kann extreme Kälte aushalten, eine Tochter auf viele Meter Entfernung die feinsten Nuancen von Gerüchen riechen. Es sind ungewöhnliche Menschen, die Léa Mysius in ihrem zweiten Spielfilm zusammenführt: Eine Handvoll Einzelgänger und Individualisten, die durch ein Geheimnis aus der Vergangenheit untrennbar miteinander verbunden sind.

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Nach ihrem hervorragenden Debüt „Ava" steht bei Léa Mysius wieder eine Frau im Zentrum, dieses Mal eine Erwachsene. Sie wird gespielt von Adèle Exarchopoulos, die vor fast zehn Jahren mit dem Film „Blau ist eine andere Farbe" zum Shooting Star wurde, danach aber nur noch selten und in eher schwachen Filmen zu sehen war.

Filmstill (Foto: Mubi/ ©FCommeFilm_TroisBrigandsProduction)
Vicky (Sally Dramé), ein achtjähriges Mädchen, lebt zusammen mit ihren beiden Eltern in einem kleinen Bergstädtchen in Frankreich an einem See mit dem Namen „Les Cinq Diables" – zu Deutsch: Die fünf Teufel. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: Mubi/ ©FCommeFilm_TroisBrigandsProduction)
Vicky steht ihrer Mutter Joanne (Adèle Exarchopoilos) sehr nahe. Bild in Detailansicht öffnen
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Für den Vater Jimmy (Moustapha Mbengue) ist es hingegen schwierig, seinen Platz im Kreise der Familie zu finden. Bild in Detailansicht öffnen
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Die achtjährige Vicky (Newcomerin Sally Dramé) hat eine geheimnisvolle Gabe. Bild in Detailansicht öffnen
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Sie kann jeden beliebigen Duft reproduzieren, der ihr begegnet, sogar den ihrer geliebten Mutter Joanne. Bild in Detailansicht öffnen
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Als Vickys entfremdete Tante Julia (Swala Emati) unerwartet in das Bergdorf zurückkehrt, stürzt die Heraufbeschwörung ihres Duftes das junge Mädchen in eine Zeitreise. Bild in Detailansicht öffnen
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Nach und nach lüftet sich das Geheimnis um Joannes flammende Vergangenheit mit ihrer heutigen Schwägerin. Bild in Detailansicht öffnen
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In ihrem gefeierten Durchbruch als Regisseurin mit „The Five Devils“ schmiedet Filmemacherin Léa Mysius (Drehbuchautorin für Claire Denis und Jacques Audiard) eine mystische und wilde fantasievolle Fabel aus Familiengeheimnissen und queerer Liebesgeschichte. Bild in Detailansicht öffnen

Hier spielt sie die junge Mutter Joanne, ihr Ehemann Jimmy ist schwarz. Die Hautfarbe wird aber nur ganz selten thematisiert, erst am Ende des Films wird die Tochter, die zweite Hauptfigur des Films, in der Schule deswegen gemobbt.

Heimliche Liebe ist dauernd präsent

Die Mutter ist unglücklich, weil sie nicht ihren Mann liebt, sondern dessen Schwester. Diese Liebe ist unausgesprochen dauernd präsent, auch wenn sie nicht wirklich thematisiert wird. Hinzu kommt, dass diese Schwester, das Objekt der Liebe, eine Trinkerin ist.

Der Film spielt in den französischen Voralpen. Man begegnet dieser Handvoll Figuren und der Dynamik zwischen ihnen. Dies ist ein Film, der von vielen guten und originellen Einfällen lebt, zum Beispiel hat die kleine Tochter einen außerordentlichen Geruchssinn. 

Netz aus rätselhaften Familienbanden

Der Film ist achronologisch erzählt und springt zwischen den Zeiten: Aus der Vergangenheit der Figuren wieder in die Gegenwart. Erst im Rückblick sind die Ebenen unterscheidbar, wenn man sich die Geschichte noch einmal in Ruhe zusammensetzt. Es gibt aber ein paar Merkmale, die einem helfen die verschiedenen Zeiten zu unterscheiden.

Wenn man die Figuren genau beobachtet, kann man erkennen, dass eine Szene früher oder später liegen muss. So taucht man als Zuschauer ein in ein Netz rätselhafter Familienbande, zwischen Eltern und Kindern, Geschwistern, Freunden. Allmählich entfaltet sich die Dynamik all dieser Menschen.

Enthüllung von Geheimnissen aus der Vergangenheit

Mysius setzt zugleich stark auf einen Dialog mit dem Übernatürlichen und auf eine Logik der Enthüllung von Geheimnissen über die Vergangenheit. Der Film und seine exzellente Kameraarbeit sind gespickt mit schöner Musik, deren Leichtigkeit im Gegensatz zu den schweren Themen steht, die nur am Rande behandelt werden, aber vor allem in der Figur von Joannes Mann und später den Kindern der Schule auftauchen.

Ganz am Ende des Films gibt es ein kleines Rätsel zu lösen. Das kann hier leider nicht verraten werden, dafür sollte man ins Kino gehen. Es lohnt sich: Dieser Film bringt einen Hauch von David Lynch in die französischen Voralpen.

„The Five Devils" läuft ab 13.4. im Kino

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