Künstliches Set, echte Menschen
Die totalitäre Sowjetunion aus der Stalin-Zeit im Miniaturformat, das ist das Konzept von DAU, einem Kunst-Projekt des Russen Ilya Khrzhanovskiy. In der ukrainischen Stadt Charkiw hat Khrzhanovskiy 2008 das wissenschaftliche Institut von Moskau nachgebaut, wie es 1952 existierte.

Mit Forschungsräumen und Kantinen, mit einer Zeitungsredaktion, Gefängniszellen und Wohnungen. Der Witz dabei: Dieses gigantische Set hat Khrzhanovskiy nicht mit Schauspielern besetzt, sondern mit echten Wissenschaftlern, echte Journalisten, ehemaligen Häftlingen und so weiter — unter ihnen auch etablierte Künstler*innen, wie Teodor Currentzis, Dirigent des SWR Symphonieorchesters.
700 Stunden Filmmaterial
Über drei Jahre lebten, arbeiten, liebten und stritten diese Menschen im Institut. Khrzhanovskiy ließ einfach die Kamera laufen, ohne Drehbuch, er wollte echte Emotionen in einem künstlichen Setting.

Herausgekommen sind 700 Stunden Material, das seitdem nach und nach zu Filmen und Serien umgebaut wird darunter die Auskopplung „DAU. Natasha“.
Machtmissbrauch-Vorwürfe gegen den Regisseur
Es gibt anonyme Vorwürfe gegen den Regisseur. Die Rede ist von Machtmissbrauch und sektenhaften Zuständen im Projekt, dass Khrzhanovskiy in der Idee eines totalitären Regimes aufgehe und wer sich dem Guru nicht komplett öffne, der müsse gehen.

Voyeurismus im Namen der Kunst
Beim Schauen des Films muss sich der Zuschauer selbst Positionieren zu diesem Konzept des Voyeurismus im Namen der Kunst. Muss man intellektuelle oder auch niedere Lust dabei empfinden, echte Menschen in echten Extremsituationen zu beobachten?
Einmal ist Natasha vollkommen am Ende, betrunken und voller Weltschmerz schreit sie „Der selbe verdammte Dreck jeden Tag!“ und „Fickt euch doch alle!“ – ist sie da noch in ihrer Rolle oder wendet sie sich in ihrer Wut gegen das DAU-Projekt an sich? Unklar, aber eigentlich auch nicht so spannend.