Zeitreisen sind beliebt unter Science-Fiction-Autoren. Cyberpunk-Pionier William Gibson hat mit seinem Roman „Peripherie“ 2014 eine besondere Art der Zeitreise entwickelt: Die junge Amerikanerin Flynn glaubt, sich in einem VR-Spiel zu befinden, dabei ist sie in einem ziemlich dystopischen London im Jahr 2099 gelandet – eine interessante und geistreiche Serie von Scott Smith.
Virtuelle Welten durch die VR-Brille
Ein ziemlich verlassener Ort in der amerikanischen Provinz im Jahr 2032. Flynn und ihr Bruder Burton wohnen mit ihrer blinden Mutter in einem windschiefen Haus am Waldrand. Tagsüber jobbt sie in einem 3D-Druckershop.
Burton ist Ex-Soldat einer Spezialeinheit und kämpft mit den Folgen biotechnologischer Experimente. Daneben verdienen beide ihr Geld im Cyberspace. Per VR-Brille tauchen sie ein in virtuelle Welten und sind dort mit ihren Avataren unter anderem als Sicherheitsdienst unterwegs.

Es geht um alles – wie so oft im Genre Science Fiction
Als sie ein neues Simulationsspiel austesten soll, ist Flynn völlig geflasht von der Realitätstreue. Was sie erst später erfährt: in diesem angeblichen „Spiel“ befindet sie sich nicht in einer künstlichen Welt, sondern in der Zukunft: London im Jahr 2099.
Sehr modern, aber auch ziemlich leer, scheinbar nur von einer überschaubaren Menge von Snobs bewohnt. Ganz verrückt wird es dann, als ihr ein gewisser Wilf eröffnet, dass ihr Geist ein sogenanntes Peripheral bewohnt, einen Roboter, der aussieht wie sie, quasi eine periphere Schnittstelle zur Zukunft.
Darin kann sie sich bewegen, ohne selbst körperlich anwesend zu sein. Wie so oft im Science-Fiction-Genre geht es um alles: Flynn soll helfen, ein Reihe von Katastrophen, die die Welt mitten im 21. Jahrhundert heimgesucht haben doch noch zu verhindern und in einer abgelegenen Zeitschleife zu verstecken. Doch es gibt auch Gegner, die um ihre Macht fürchten und ein Kopfgeld auf Flynn ausschreiben.

Ein faszinierendes und in sich versponnenes System
Man braucht eine Weile, um sich in den Koordinaten der Serie zurechtzufinden. Serienschöpfer Scott Smith und die Westworld-Produzent*innen Jonathan Nolan und Lisa Smith haben das komplexe Setting von William Gibsons Roman etwas gerafft und verkürzt, was nicht immer aufgeht.
Letztendlich bliebt es aber ein faszinierendes, in sich versponnenes System mit eigener Sprache, eigener Gesellschaftsordnung. Das alte Thema der Zeitreise als Cyberpunkballade: düster, hochtechnisiert, mit einer kleinen Gruppe von Rebellen in scheinbar aussichtsloser Mission.
Technikskepsis und Kapitalismuskritik
Die Nahe Zukunft 2030 erscheint als retrofuturistischer Outback, wo Flynn, Burton und ihre Kumpels noch mit 3D-Druckern herumhantieren, während das London des 22. Jahrhunderts kühl und neokolonial daherkommt und Realität und Simulation vollends verschmelzen.
„Peripherie“ ist hemdsärmeliger als der Sci-Fi-Erfolg „Westworld“ und erinnert in seinen Kampfszenen an die Ästhetik von Videospielen. Die Serie wartet mit viel technischem Schnickschnack auf und eröffnet immer wieder ein beeindruckendes visuelles Universum.
Sie fragt aber auch, wo in einer solchen Welt noch Nähe und Verbindung entstehen. Dem Gedankenspiel, dass sich die Zukunft in die Gegenwart reinhackt, um den Lauf der Dinge eventuell noch zu verändern, muss man nicht viel Bedeutung beimessen.
Es ist aber in seiner Technikskepsis und Kapitalismuskritik interessant und geistreich genug, dass man es sich halb schaudernd, halb begeistert ansieht.