Besinnungsloses Saufen garantiert
Zu Anfang der Serie ist die weißblaue Bierwelt noch in Ordnung: Das Budenwesen auf der Münchener Festwiese funktioniert im Jahr 1900 noch wie ein feudalistisches Reich. Von Generation zu Generation werden die Plätze von den Brauereien und Wirten weitergegeben. Die Pacht bekommt der Magistrat der Stadt. Eine geschlossene Münchener Gesellschaft. Bis der Nürnberger Großbrauer Prank sein protziges Modell einer „Bierburg“ vorstellt: Platz für 6.000 Leute, besinnungsloses Saufen garantiert, die Geburt des Bierzelts mit Kapelle und Gemütlichkeitsgejohle.

Dreckiges Spiel von Gut und Böse als Serienprinzip
Martina Gedeck spielt die störrisch-bajuwarische Besitzerin der Familienbrauerei Hoflinger, bei der Prank trotz brutalster Methoden auf Granit beißt. Gedeck stattet diese Frau mit einer speziell bayrischen Mischung aus Geschäftssinn und Gottesfurcht aus und einer großen Portion Halsstarrigkeit. Aber trotz ihrer meisterlichen Darstellung und der großartigen Präsenz von Mišel Matičević als Prank bleiben ihre Figuren wie so viele andere Schablonen im dreckigen Spiel von Gut und Böse. Aber das zelebriert die Serie mit großer Wonne.
Protest der echten Wiesenwirte
Mit Empörung haben die echten Wiesenwirte auf die Darstellung ihres Berufsstandes in der Serie reagiert, empfinden den skrupellosen Machtkampf, der so ähnlich 1898 wirklich stattgefunden haben soll, als rufschädigend. Dabei ist „Oktoberfest 1900“ nicht weniger — aber auch nicht mehr — als ein prall inszeniertes Schauermärchen im historischen Setting der Festwiese. Bei dem allerdings die Rollen der besonders knalligen Chargen dem Establishment des so genannten Münchener Bierkartells vorbehalten sind, allen voran Maximilian Brückner als Großbrauer Anatol Stifter.
Verstoß gegen das dramaturgische Reinheitsgebot
Herauskommt eine Serie, die wohl gegen manches dramaturgische Reinheitsgebot verstößt: Eine Lovestory zwischen den Fronten, ein düsterer Gesell als Mordbube, eine wundersame moralische Wandlung, ein bißchen Bohème, ein bißchen Biermadelfolklore und etwas zu coole Musik. Regisseur Hannu Salonen steuert dazu dramatische Kameraschwenks bei, die einem Harry Potter-Film zur Ehre gereicht hätten, kraftvoll bis surreal-subjektive Bilder. Und er nimmt dabei erzählerische Brüche ganz bewusst in Kauf.
So ähnlich hat er schon bei der Ferdinand von Schirach-Serie „Verbrechen“ die optische Opulenz über die erzählerische und psychologische Folgerichtigkeit gesetzt. „Oktoberfest 1900“ ist nicht ganz so zwingend, aber immer noch unterhaltsam genug. Oder als Bierbilanz ausgedrückt: am Ende ist die Maß halbvoll und das… basst scho!