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Ode an ein Lichtspielhaus- „Empire of Light“ von Sam Mendes

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AUTOR/IN
Simone Reber

„Empire of Light“ blickt hinter die Kulissen eines Kinobetriebs in Südengland in den 1980er-Jahren. Erzählt wird die Geschichte der Kassiererin Hillary, gespielt von Olivia Colman. Vorbild für diese Figur war die Mutter von Sam Mendes, die Schriftstellerin Valerie Mendes und ihr psychisches Leiden. Während das Drehbuch von Sam Mendes nicht immer überzeugt sind es die Bilder, die den Rhythmus dieses Filmpoems vorgeben und in jeder einzelnen Einstellung süchtig nach mehr machen.

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Der Glanz ist verblasst

Das „Empire of Light”, wie der Filmpalast an der englischen Südküste heißt, hat seine besten Tage hinter sich. Zwei Säle in dem Art-Deco Bau sind geschlossen. Dort nisten die Tauben. Wenn sich aber im Haupthaus der rote Samtvorhang öffnet, wenn im dunklen Zuschauerraum die Staubpartikel im Lichtstrahl des Projektors tanzen, entfaltet das Kino seinen ganzen Zauber.

Filmstill (Foto: Disney)
Das Empire ist ein wunderschöner und etwas in die Jahre gekommener Filmpalast in einer englischen Kleinstadt am Meer. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: Disney)
Für die Mitarbeiter*innen, eine bunt zusammengewürfelte Truppe skurriler und liebenswerter Typen, ist er Arbeitsstätte und Familie in einem. Kassierin Hilary (Olivia Colman) wird nach längerer Krankheit liebevoll begrüßt. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: Disney)
Hilary hat sich verändert, sie wirkt abwesend und deutlich zurückgenommener als früher. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: Disney)
Routiniert geht sie ihrer Arbeit nach und erträgt stoisch die Übergriffkeit ihres Chefs (Colin Firth). Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: Disney)
Als Stephen (Micheal Ward), ein charismatischer junger Mann im Empire, anfängt, entsteht zwischen den beiden eine spontane Zuneigung. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: Disney)
Hilary (Olivia Colman) und Stephen (Micheal Ward) finden aneinander den Halt, den sie so lange gesucht haben. Doch nach und nach werden sie von der Wirklichkeit eingeholt und es kommt für beide zu einem unerwarteten Aufbruch… Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: Disney)
„Hilary ist eine Frau in den besten Jahren, die allein in einem Küstenort lebt und seit ein paar Jahren in einem Kino arbeitet“, erklärt Regisseur Sam Mendes. „Sie hat eine komplizierte Vergangenheit und sieht sich immer wieder konfrontiert mit ihren inneren Dämonen...Sie sucht nach einer bedeutsamen Beziehung in ihrem Leben zu finden, als Stephen in ihr Leben tritt.“ Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: Disney)
„Filme erwecken mythische Landschaften zum Leben“, sagt Regisseur Sam Mendes. „Man sucht immer nach einem Punkt, an dem die Vergangenheit größer erscheint, sich ein größeres Thema eröffnet, sich mit dem Blick aus der Gegenwart magischer und wundersamer anfühlt. (Olivia Colman und Sam Mendes am Set) Bild in Detailansicht öffnen

Regisseur Sam Mendes erzählt die eigene Biographie

Es ist ein schräges Team, das Abend für Abend das Publikum empfängt. Ganz still am Rand die Kassiererin Hilary. Ausgewaschene Dauerwelle, schwarz geschminkte Augen und ein herzzerreißendes Lächeln, das von einer Sekunde auf die andere erlöschen kann.

Licht und Dunkel, Jauchzen und Trübsinn, die Grundmotive des Films treffen in Hilarys Seele aufeinander. Olivia Colman spielt sie mit der hauchdünnen Haut, die den Abgrund unter der Normalität verbirgt. Die Mutter von Sam Mendes, die Schriftstellerin Valerie Mendes, war Vorbild für diese Figur und ihr psychisches Leiden, das mit Scham verbunden ist.

Filmstill (Foto: Disney)
Hilary (Olivia Colman), ist längerer Abwesenheit ins Empire zurückgekehrt.

Hommage an Rainer Werner Fassbinder

Der Kinobesitzer, schaurig schmierig gespielt von Colin Firth, nutzt Hilarys Scham aus und verlangt heimlich sexuelle Dienste von ihr. Sie fühle sich wie betäubt, beschreibt sie dem Arzt ihren Zustand. Als aber Stephen, schwarz, Anfang zwanzig, im Kino angestellt wird, wacht sie auf. Natürlich erinnert das ungleiche Paar an Rainer Werner Fassbinders „Angst essen Seele auf“ von 1974.

Das Drehbuch schwächelt, die Kamera überzeugt

„Empire of Light“ wurde in Margate gedreht, dem Ort, an dem der Maler William Turner die Reflektionen des Lichts auf dem Wasser studierte. Dialoge sind vielleicht nicht die Stärke des Regisseurs Sam Mendes. Hier hat er zum ersten Mal auch das Drehbuch geschrieben. Es sind die Bilder, die den Rhythmus des Filmpoems vorgeben. Jede einzelne Einstellung macht süchtig nach mehr.

Cineastische Ode an ein Lichtspielhaus

Kameramann Roger Deakins leuchtet die etwas billigen Farben der Rezessionsjahre unter Margaret Thatcher warm aus. Wenn dann die Skinheads auf Motorrollern über die Uferpromenade knattern und Stephen wegen seiner Hautfarbe bedrohen, erstarrt die Szenerie kalt.

Rassismus und sexueller Missbrauch werden in „Empire of Light“ als eisig graue Unterströmungen spürbar. Aber die Illusion des Kinos ist in dieser Ode an ein Lichtspielhaus die Droge, die Trost verspricht in Arbeitslosigkeit und Erniedrigung.

Trailer „Empire of Lightness“, ab 20.4. im Kino

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Simone Reber