Seit über 30 Jahren ist Penélope Cruz im Filmgeschäft. Mit 16 Jahren drehte sie ihren ersten Film, Pedro Almodóvar wurde auf sie aufmerksam. Aber Cruz ließ sich nie festlegen, wagte den Sprung nach Hollywood, blieb aber auch dort selbstbestimmt. In „L'Immensità" spielt Cruz, diesmal als Italienerin, das, was sie auch bei Almodóvar oft spielt: Eine Mutter.
Ein Frauenleben nach den Regeln des Patriarchats
Der Film von Emanuele Crialese spielt in den 70er und 80er Jahren und erzählt die Geschichte einer traditionellen italienischen Familie. Der Ehebund wird im Schoß der heiligen katholischen Kirche geschlossen, das Leben folgt allen Ritualen des Patriarchats. In der Mitte der Familie aber gibt es zwei Menschen, die nicht in dieses System passen, und die die Gesellschaft in den Wahnsinn treiben will.

Ausbruch von Mutter und Sohn
Diese sogenannten „Verrückten" sind Clara, eine Frau, die zu groß ist für ein standardisiertes Frauenleben, die glaubt, dass sie die Freiheit der anderen ebenfalls haben kann. Und da ist Andrea, ein Junge, der das Leben leben muss, das die Gesellschaft will, denn er ist im falschen Körper geboren. Er muss zuerst mal sich selbst verstehen, um mit dem Unverständnis aller um ihn herum umgehen zu können. Andrea kleidet und präsentiert sich wie ein Junge, und erlebt das häusliche Unglück vor allem als Erweiterung seines körperlichen Unbehagens.

Gekonntes Spiel mit Humor und Drama
Crialeses Darstellung einer sexistischen, vorurteilsbehafteten und ausgrenzenden Gesellschaft hält zwischen Humor und Drama die Waage und ist in der gesamten Darstellung der Familie sehr greifbar. Sei es in der Dynamik des Alltags – in der Schwester, die nicht richtig isst, in den Streitereien des Paares – oder im „typisch Italienischen", der traditionellen Feiertagsfeiern mit getrennten Tischen für die Kinder, dem opulenten Essen und den Kinderstreichen.

Penélope Cruz zeichnet ein kraftvolles Frauenbild
Penélope Cruz ist unglaublich gut als Mutter, die zwischen so vielen Zuständen wechselt und sich in diversen Situationen wiederfindet. Noch überraschender ist die junge, unbekannte Luana Giuliani, die von Crialese ausgewählt wurde, um sein Alter Ego zu spielen. Ihr Andrea ist eine vielschichtige und komplexe Figur zwischen Weichheit und Aufbegehren, und es gelingt ihr, das alles darzustellen. Abgesehen von diesen beiden ist die Besetzung effizient, ohne große Höhepunkte, besonders geschickt ist der Regisseur im Umgang mit Kindern.
Italienischer Pop-Spirit der 70er und 80er Jahre trägt durch den Film
„L'immensità" versucht nicht, traditionell mit Anfang, Mitte und Ende zu erzählen. Was den Regisseur interessiert, ist eine Art freie Collage, die es erlaubt, die Essenz bestimmter Emotionen, die von bestimmten Situationen umrahmt werden, einzufangen. Ein heikles Unterfangen, das aber bei aller Sentimentalität hinreichend scharfsinnig ist und in regelmäßigen musikalischen Sequenzen den italienischen Pop-Spirit jener Epoche heraufbeschwören kann. Die Phantasie kam an die Macht und eine gewisse Zeit lang schien alles möglich zu sein.
Trailer „L'immensità- Meine fantastische Mutter“, ab 27.7. im Kino
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