Romy Schneider in „Sissi“ (1955) (Foto: IMAGO, Allstar)

Historienfilme

Sissi und kein Ende: Königliche Filmbiografien und Kaiserinnenschmarrn

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Dominic Konrad
Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik (Foto: SWR, Foto: Dominic Konrad)

Hochkonjunktur für die Habsburger: „Sisi“ bei RTL+, „Die Kaiserin“ bei Netflix, „Corsage“ und „Sisi und ich“ im Kino. Österreichs Kaiserin Elisabeth geistert aktuell in gleich vier Versionen über die Bildschirme. Warum fasziniert die Monarchin immer wieder das Publikum? Und erzählen die Filme Neues?

Die Kaiserin, Netflix (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance/dpa/Netflix | -)
Nein, nicht Romy Schneider und Karlheinz Böhm. Bei Netflix spielen nun Devrim Lingnau und Philip Froissan Kaiserin Elisabeth und Kaiser Franz-Joseph.

Elisabeth, die Kaiserin der royalen Filmbiografien

Dass gekrönte Häupter guten Stoff für die Bühne liefern, wusste schon Schiller mit seiner „Maria Stuart“, lange bevor die Bilder laufen lernten.

Im deutschsprachigen Raum hat keine Herrscherin den Sprung auf die Leinwand so oft vollführt wie sie: Elisabeth von Österreich, besser bekannt unter ihrem Rufnamen „Sisi“, je nach Verfilmung mit einem oder doppeltem „S“ geschrieben.

Geboren am Heiligabend 1837 als bayerische Prinzessin, wurde Elisabeth durch die Heirat mit ihrem Cousin, dem österreichischen Kaiser Franz Joseph I., Kaiserin der Donau-Monarchie.

Kaiserin Elisabeth im Film, von 1931 bis heute:

Lil Dagover „Elisabeth von Österreich - Der Leidensweg einer Frau“ (1931) (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture-alliance / brandstaetter images/Austrian Archives | Manasse)
Schon früh wird Kaiserin Elisabeth zur beliebten Filmfigur, meist als liebende Gattin Kaiser Franz Josephs. In der deutschen Filmbiografie „Elisabeth von Österreich“ (1931) steht die Kaiserin erstmals selbst im Zentrum, gespielt von Lil Dagover. Bild in Detailansicht öffnen
In Hollywood dreht Josef von Sternberg 1936 den Operettenfilm „The King Steps Out“. Der Kaiser verliebt sich in Prinzessin Elisabeth, die Schwester seiner Braut. Die Rechte kauft Sternberg von Ernst Marischka … Bild in Detailansicht öffnen
… der die Geschichte selbst 1955 verfilmt. „Sissi“ trifft mit seiner süßlichen Romantik den Nerv des Kinopublikums in Nachkriegsdeutschland. Der Film wird zum Inbegriff des Heimatfilms und erhält zwei Fortsetzungen. Bild in Detailansicht öffnen
Für Romy Schneider und Karlheinz Böhm sind die Filme Fluch und Segen zugleich. Beide werden zu den beliebtesten Gesichtern des deutschsprachigen Kinos, kämpfen aber zeitlebens mit dem Sissi-Image. Bild in Detailansicht öffnen
Weitere Fortsetzungen schlägt Romy Schneider aus. Nur noch einmal schlüpft sie für Luchino Viscontis „Ludwig II.“ in die Rolle der Kaiserin. Neben Helmut Berger spielt sie eine desillusionierte, zynische Exzentrikerin. Bild in Detailansicht öffnen
Als Nebenrolle tritt eine reifere Elisabeth in mehreren Verfilmungen der Mayerling-Tragödie auf. Kronprinz Rudolf und seine Geliebte Mary Vetsera begehen 1889 auf dem Jagdschloss bei Wien Doppelselbstmord. Ava Gardner spielt die Kaiserin 1968 an der Seite von Omar Sharif. Bild in Detailansicht öffnen
Der Kitsch der Marischka-Filme wird in den 2000er-Jahren zur Zielscheibe für den Komiker Michael Bully Herbig. In seiner TV-Show „Bullyparade“ und dem Animationsfilm „Lissi und der wilde Kaiser“ (2007) spielt er die Kaiserin mit Fistelstimme … Bild in Detailansicht öffnen
… und zehn Jahre später schlüpft er einmal mehr in die Rolle. In „Bullyparade – Der Film“ geraten Sissi und Franz (Christian Tramitz) auf der Suche nach einem Wochenenddomizil in eine Geistervilla. Bild in Detailansicht öffnen
Im Kinderfernsehen findet die Kaiserin auch ihren Platz. In der französisch-kanadischen Zeichentrickserie „Sissi“ erlebt die junge Prinzessin auf Schloss Possenhofen mit Kaiser Franz bunte Abenteuer. Bild in Detailansicht öffnen
Mehrfach widmet sich das Fernsehen der Geschichte von „Sisi“. 2009 zeigt das ZDF im Weihnachtsprogramm einen Zweiteiler mit Cristiana Capotondi und David Rott als Kaiserpaar. Martina Gedeck (links) spielt die Rolle der herrischen Kaisermutter Sophie. Bild in Detailansicht öffnen
Actionlastiger und erotischer nähert sich die Serie „Sisi“ aus dem Jahr 2021 der Biografie um die Kaiserin. Dominique Devenport und Jannik Schümann spielen das junge Kaiserpaar beim Streaming-Anbieter RTL+. Bild in Detailansicht öffnen
Kurz darauf entdeckt auch Netflix Elisabeth für sich. „Die Kaiserin“ (gespielt von Devrim Lingnau, mit Philip Froissant) soll eine rebellische, neue Perspektive auf die berühmte Monarchin werfen. Eine zweite Staffel ist in Produktion. Bild in Detailansicht öffnen
2022 inszeniert Marie Kreutzer in „Corsage“ Kaiserin Elisabeth als gebrochene Frau, die mit fortschreitendem Alter um ihren Status als Schönheitsikone fürchtet. Bild in Detailansicht öffnen
Die Beziehung zwischen der Kaiserin (Susanne Wolff) und ihrer Hofdame Irma (Sandra Hüller) steht im Zentrum des neuesten Films „Sisi und ich“. Historische Fakten interessieren Regisseurin Frauke Finsterwalder weniger als das Machtgefälle zwischen den Protagonistinnen. Bild in Detailansicht öffnen

Das Leben der Kaiserin bietet dem Film reichlich Stoff

Schon zu Lebzeiten wird die Verbindung als Liebesheirat romantisch verklärt. Nicht anders als bei den Royals heute werden Bilder des jungen Paares zur Verlobung und zur Hochzeit über Postkarten und Andenken verbreitet.

Bei Hofe aber widersetzt sich die junge Kaiserin dem restriktiven Hofzeremoniell und erzwingt für sich Privilegien, etwa das Reiten, einen Sportraum oder die Aufsicht über die Erziehung des Thronfolgers. Elisabeth inszeniert sich mit den Jahren immer mehr als Freigeist: Sie verehrt den indizierten Heinrich Heine und verhöhnt den Wiener Hof in Briefen und Gedichten.

Die Kaiserin zelebriert einen wahren Schönheitskult um ihre Wespentaille und die langen Haare. Wenn möglich, meidet sie Wien. Sie residiert auf Korfu oder zwingt ihre Hofdamen auf ausgedehnten Reisen zu Gewaltmärschen.

Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn (Foto: IMAGO, Leemage)
Kaiserin wider Willen? Der Drang nach Freiheit gehört fest ins Narrativ der Biografie von Kaiserin Elisabeth.

In den 1860er-Jahren wird die eigentlich unpolitische Regentin zur Wortführerin für die ungarische Eigenständigkeit. Die Anerkennung der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie, die mit der Krönung des Kaiserpaares 1867 in Budapest vollzogen wird, betrachtet die Kaiserin als ihren persönlichen Erfolg.

Schließlich wird auch Elisabeths Tod zum Teil ihres Mythos: Am 10. September 1898 wird die 60-Jährige bei einem Aufenthalt in Genf Opfer eines Attentats. Ein italienischer Anarchist ersticht sie mit einer Feile.

Romy Schneider in „Sissi“ (1955) (Foto: IMAGO, Allstar)
Romy Schneider verkörpert die junge Kaiserin in drei Filmen. Einen vierten Teil lehnte sie trotz einer Gage von einer Million Mark ab.

Romy Schneider schwebt über allem

Bei Elisabeths Tod steckt das Medium Film in den Kinderschuhen. Noch unter Franz Josephs Regierung wird seine Frau in Stummfilmen als „Mutter des Volkes“ verklärt. Sie bleibt als letzte große Monarchin Österreichs im Gedächtnis.

Vor allem Ernst Marischka zementiert das Märchenbild in seinen „Sissi“-Filmen mit Romy Schneider. Die Kaiserin wird zur unschuldigen Prinzessin, die sich gegen die gestrenge Schwiegermutter zur Wehr setzt, zur liebenden Mutter und zur Heilsfigur des österreichischen Vielvölkerstaats. Die Heimatfilm-Trilogie befriedigt mit ihrem romantisierten Bild der Kaiserzeit die „Heile-Welt-Sehnsucht“ der Nachkriegsjahre.

Romy Schneiders Popularität wirkt bis heute nach: Auch die jüngsten „Sisi“-Serien auf Netflix und bei RTL+ greifen in ihren Erzählungen auf die Marischka-Filme zurück. Die junge Sisi der Serienwelt ist eine proto-feministische Individualistin. Man sieht Intrigen bei Hofe, Franz Joseph im Schlachtengewimmel und eine gehörige Portion Sex. „The Crown“ und „Bridgerton“ lassen grüßen.

Sisi bei Netflix: „Die Kaiserin“

„Corsage“ als gelungener Gegenentwurf

Romy Schneider selbst kämpfte zeitlebens gegen das Sissi-Image an. Für Luchino Visconti nahm sie die Rolle aber nochmal an: In „Ludwig II.“ spielt sie Elisabeth als vom Leben enttäuschte, zynische Getriebene.

Die alternde Kaiserin porträtiert auch Marie Kreutzer in ihrem gelungenen Film „Corsage“. Hier hadert Elisabeth, gespielt von Vicky Krieps, mit dem Leben bei Hofe, ihrer Rolle als Kaiserin und ihrer schwindenden Jugend. Bedauerlich, dass der Film in der Presse von dem Strafverfahren gegen Hauptdarsteller Teichtmeister überschattet wird.

Nun zeigt auch „Sisi und ich“, der vorerst letzte Sisi-Film von Frauke Finsterwalder, eine ähnliche Elisabeth: Susanne Wolff spielt die Kaiserin als zerbrechliche Frau auf der Flucht vor ihren Pflichten, launisch und manipulativ, magersüchtig und menschenscheu.

Regisseurin Frauke Finsterwalder über ihren Film „Sisi und ich“

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Sisi und kein Ende?

Die Sehnsucht des Publikums ist groß nach royalen Liebesgeschichten mit prächtigen Kostümen, brennender Leidenschaft und willensstarken Heldinnen. RTL+ und Netflix haben mit ihren Wiederbelebungsversuchen des „Sisi“-Mythos Erfolg: Beide Serien gehen mit neuen Staffeln in die kommende Fernseh-Saison.

Die Kaiserin der Serienwelten wird zur Blaupause für einen modernen Frauentypus. Dass diese Darstellung einer der widersprüchlichsten Biografien des 19. Jahrhunderts kaum gerecht werden kann, wird dabei zur völligen Nebensache.

Umso erfreulicher ist es, dass es gerade zwei Regisseurinnen sind, die im Kino um ein deutlich weniger liebenswertes, psychologisch vielschichtiges und damit deutlich akkurateres Bild der Kaiserin bemühen.

Film „Sisi & Ich“ mit Sandra Hüller und Susanne Wolff – Schauspielerinnen fantastisch, Geschichte schwach!

Und wieder beleuchtet ein Film die Legende Sisi. Bei Regisseurin Frauke Finsterwalder lernen wir Elisabeth, Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn durch die Augen ihrer neuen Hofdame kennen. Leider reiht der Film nur Episode an Episode, eine wirkliche Geschichte entsteht nicht. Die fantastischen Schauspielerinnen Sandra Hüller und Susanne Wolff entwickelten ihre Magie leider um eine leere Mitte.

SWR2 am Morgen SWR2

Film Sisi neu entdeckt: Das Münchner Filmfest startet mit „Corsage“ von Marie Kreutzer

Sissi mal ganz anders - der Eröffnungsfilm des Filmfest München von Marie Kreutzer bildet den Auftakt zu zehn Tagen Sommerfestival mit 120 Filme aus 52 Ländern. Das Filmfest ist wieder im Guten wie Schlechten das „Cannes an der Isar“ und wiederholt einige Filme aus dem diesjährigen Cannes Programm. Wirklich neu sind die Kinofilme im deutschen Wettbewerb und die Serien.

SWR2 am Morgen SWR2

Film „Die Kaiserin“ bei Netflix: Sissi schielt nach dem Vorbild „The Crown“

Das Begräbnis von Elisabeth II. hat es wieder gezeigt: Das Interesse an Königlichem ist riesig, wenn es in historische Dimensionen geht und die adelige Familie genügend Gesprächsstoff bietet. Vor knapp einem Jahr ist RTL mit einer Sissi-Serie an den Start gegangen, jetzt zieht Netflix nach. „Die Kaiserin“ erzählt erneut die Geschichte von Elisabeth und ihrem Kaiser Franz.

SWR2 am Morgen SWR2

Musikthema So klingt Sisi: Die legendäre Kaiserin in Filmmusik, Musical und Oper

Sisi, die legendäre österreichische Kaiserin Elisabeth, ist auch in diesem Jahr präsent: RTL+ sendet zu Weihnachten bereits die zweite Staffel einer Sisi-Serie, und die Schriftstellerin Karen Duve hat ihr einen Roman gewidmet. Welchen musikalischen Fußabdruck aber hat die Kaiserin auf der Bühne und im Film hinterlassen?

SWR2 Treffpunkt Klassik SWR2

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Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik (Foto: SWR, Foto: Dominic Konrad)