
Elisabeth, die Kaiserin der royalen Filmbiografien
Dass gekrönte Häupter guten Stoff für die Bühne liefern, wusste schon Schiller mit seiner „Maria Stuart“, lange bevor die Bilder laufen lernten.
Im deutschsprachigen Raum hat keine Herrscherin den Sprung auf die Leinwand so oft vollführt wie sie: Elisabeth von Österreich, besser bekannt unter ihrem Rufnamen „Sisi“, je nach Verfilmung mit einem oder doppeltem „S“ geschrieben.
Geboren am Heiligabend 1837 als bayerische Prinzessin, wurde Elisabeth durch die Heirat mit ihrem Cousin, dem österreichischen Kaiser Franz Joseph I., Kaiserin der Donau-Monarchie.
Kaiserin Elisabeth im Film, von 1931 bis heute:

Das Leben der Kaiserin bietet dem Film reichlich Stoff
Schon zu Lebzeiten wird die Verbindung als Liebesheirat romantisch verklärt. Nicht anders als bei den Royals heute werden Bilder des jungen Paares zur Verlobung und zur Hochzeit über Postkarten und Andenken verbreitet.
Bei Hofe aber widersetzt sich die junge Kaiserin dem restriktiven Hofzeremoniell und erzwingt für sich Privilegien, etwa das Reiten, einen Sportraum oder die Aufsicht über die Erziehung des Thronfolgers. Elisabeth inszeniert sich mit den Jahren immer mehr als Freigeist: Sie verehrt den indizierten Heinrich Heine und verhöhnt den Wiener Hof in Briefen und Gedichten.
Die Kaiserin zelebriert einen wahren Schönheitskult um ihre Wespentaille und die langen Haare. Wenn möglich, meidet sie Wien. Sie residiert auf Korfu oder zwingt ihre Hofdamen auf ausgedehnten Reisen zu Gewaltmärschen.

In den 1860er-Jahren wird die eigentlich unpolitische Regentin zur Wortführerin für die ungarische Eigenständigkeit. Die Anerkennung der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie, die mit der Krönung des Kaiserpaares 1867 in Budapest vollzogen wird, betrachtet die Kaiserin als ihren persönlichen Erfolg.
Schließlich wird auch Elisabeths Tod zum Teil ihres Mythos: Am 10. September 1898 wird die 60-Jährige bei einem Aufenthalt in Genf Opfer eines Attentats. Ein italienischer Anarchist ersticht sie mit einer Feile.

Romy Schneider schwebt über allem
Bei Elisabeths Tod steckt das Medium Film in den Kinderschuhen. Noch unter Franz Josephs Regierung wird seine Frau in Stummfilmen als „Mutter des Volkes“ verklärt. Sie bleibt als letzte große Monarchin Österreichs im Gedächtnis.
Vor allem Ernst Marischka zementiert das Märchenbild in seinen „Sissi“-Filmen mit Romy Schneider. Die Kaiserin wird zur unschuldigen Prinzessin, die sich gegen die gestrenge Schwiegermutter zur Wehr setzt, zur liebenden Mutter und zur Heilsfigur des österreichischen Vielvölkerstaats. Die Heimatfilm-Trilogie befriedigt mit ihrem romantisierten Bild der Kaiserzeit die „Heile-Welt-Sehnsucht“ der Nachkriegsjahre.
Romy Schneiders Popularität wirkt bis heute nach: Auch die jüngsten „Sisi“-Serien auf Netflix und bei RTL+ greifen in ihren Erzählungen auf die Marischka-Filme zurück. Die junge Sisi der Serienwelt ist eine proto-feministische Individualistin. Man sieht Intrigen bei Hofe, Franz Joseph im Schlachtengewimmel und eine gehörige Portion Sex. „The Crown“ und „Bridgerton“ lassen grüßen.
Sisi bei Netflix: „Die Kaiserin“
„Corsage“ als gelungener Gegenentwurf
Romy Schneider selbst kämpfte zeitlebens gegen das Sissi-Image an. Für Luchino Visconti nahm sie die Rolle aber nochmal an: In „Ludwig II.“ spielt sie Elisabeth als vom Leben enttäuschte, zynische Getriebene.
Die alternde Kaiserin porträtiert auch Marie Kreutzer in ihrem gelungenen Film „Corsage“. Hier hadert Elisabeth, gespielt von Vicky Krieps, mit dem Leben bei Hofe, ihrer Rolle als Kaiserin und ihrer schwindenden Jugend. Bedauerlich, dass der Film in der Presse von dem Strafverfahren gegen Hauptdarsteller Teichtmeister überschattet wird.
Nun zeigt auch „Sisi und ich“, der vorerst letzte Sisi-Film von Frauke Finsterwalder, eine ähnliche Elisabeth: Susanne Wolff spielt die Kaiserin als zerbrechliche Frau auf der Flucht vor ihren Pflichten, launisch und manipulativ, magersüchtig und menschenscheu.
Regisseurin Frauke Finsterwalder über ihren Film „Sisi und ich“
Sisi und kein Ende?
Die Sehnsucht des Publikums ist groß nach royalen Liebesgeschichten mit prächtigen Kostümen, brennender Leidenschaft und willensstarken Heldinnen. RTL+ und Netflix haben mit ihren Wiederbelebungsversuchen des „Sisi“-Mythos Erfolg: Beide Serien gehen mit neuen Staffeln in die kommende Fernseh-Saison.
Die Kaiserin der Serienwelten wird zur Blaupause für einen modernen Frauentypus. Dass diese Darstellung einer der widersprüchlichsten Biografien des 19. Jahrhunderts kaum gerecht werden kann, wird dabei zur völligen Nebensache.
Umso erfreulicher ist es, dass es gerade zwei Regisseurinnen sind, die im Kino um ein deutlich weniger liebenswertes, psychologisch vielschichtiges und damit deutlich akkurateres Bild der Kaiserin bemühen.