Film

Horrorkomödie trifft auf Psychoanalyse: „Beau is Afraid“ mit Joaquin Phoenix

Stand
AUTOR/IN
Rüdiger Suchsland

Der US-amerikanische Regisseur Ari Aster hat sich mit intellektuellen Horror-Meisterwerken wie „Hereditary“ und „Midsommar“ einen Namen gemacht. In „Beau is afraid“ durchlebt Joaquin Phoenix einen Höllentrip durch die verdrängte Familienvergangenheit. Asters psychoanalytisches Epos ist jedoch ganz anders, als alles, was er bisher gemacht hat.

Audio herunterladen (3,7 MB | MP3)

Figur aus Sigmund Freuds Alpträumen

Der Held dieses Films ist ein Mann mittleren Alters namens Beau Wasserman, gespielt von Joaquin Phoenix. Er ist von Anfang an erkennbar eine Mischung aus dem zerknirscht-zweifelnden Helden eines Tschechow-Dramas und einer Figur aus Sigmund Freuds Alpträumen.

Er lebt allein, und verlässt nur selten das Haus. Schnell entpuppt er sich als eingesperrt in innere Traumata, als nicht sehr intelligent und als infantil. Schuld an allem ist seine Mutter. Beider Verhältnis ist angespannt, denn Beaus Vater starb in genau dem Moment, als Beau gezeugt wurde.

 

Filmstill (Foto: Leoniden Filmverleih)
Milquetoast Beau Wassermann (Joaquin Phoenix) lebt allein in einem Wohnhaus, in dem sich jeder Augenblick wie ein Albtraum anfühlt. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: Leoniden Filmverleih)
Anfällig für Angstzustände und Paranoia besucht er seinen langjährigen Therapeuten, um eine bevorstehende Reise zu seiner Mutter vorzubereiten. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: Leoniden Filmverleih)
Am Vorabend der Abreise bricht unvermittelt Chaos in Beaus Leben ein, das alles in eine neue, surreale Richtung lenkt. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: Leoniden Filmverleih)
Autor und Regisseur Ari Aster inszeniert eine wahnhafte Reise ins Unbekannte. (Regisseur Ari Aster und Joaquin Phoenix am Set.) Bild in Detailansicht öffnen

Realität und Fantasie verschmelzen in diesem Film

Der Film ist eine symbolische Abrechnung zwischen Beau und der mütterlichen wie väterlichen Abwesenheit. Eine Reise, bei der Realität und Fantasie bis zur Unkenntlichkeit miteinander verschmelzen.

Es scheint eine riesige Zeitverschwendung zu sein, die Grenzen zwischen diesen beiden Instanzen zu suchen, denn der Regisseur arbeitet hart daran, dass die Abgrenzungen einfach nicht existieren. 

Filmstill (Foto: Leoniden Filmverleih)
Autor und Regisseur Ari Aster inszeniert eine wahnhafte Reise ins Unbekannte. (Regisseur Ari Aster und Joaquin Phoenix am Set.)

Ari Aster bleibt weit hinter David Lynch zurück

Aster ist dabei jedoch weit von den Fähigkeiten eines David Lynch entfernt, einem Filmemacher, für den die Wahrnehmung der Figuren und des Publikums ebenfalls keine Rolle spielen. Lynch geht es nicht um das Spektakuläre dieser Verschmelzung. Aster hingegen scheint es darauf abzusehen, ein Crescendo von Absurditäten zu schaffen.

Animation und Theaterszenen verbildlichen Beaus Trauma

An einem bestimmten Punkt versucht der Regisseur mit Hilfe von Animation und Theater das Spielerische in die Abenteuer von Beau mit seinen ödipalen Wunden und den Resten der Unwissenheit über seine Vergangenheit einzubringen.

Diese extravaganten Passagen tragen wenig dazu bei sowohl Beaus innere Erfahrung als auch das Eintauchen des Zuschauers in die lange Reise ins Trauma zu verbessern.

Um Joaquin Phoenix als Beau Wasserman zu sehen, lohnt sich der Kinobesuch

Insgesamt ist dies ein virtuos inszenierter Film, dessen Besuch sich um der ungewöhnlichen Form willen lohnt.

Ebenso wegen des Hauptdarstellers Joaquin Phoenix, der einmal mehr aufblüht in der Rolle eines gestörten Menschen, der vielleicht bedauernswert ist, vielleicht einfach ein Idiot. Aber die Story des Films ist leider sehr flach.

Trailer „Beau is Afraid“, ab 11.5. im Kino

Mehr Kinofilme

Film Härtetest für einen unerschrockenen Finnen: „Die Geschichte vom Holzfäller“ von Mikko Myllylahti

Der finnische Regisseur Mikko Myllylahti hat als Dichter begonnen und dann an der Filmakademie Helsinki studiert. Er hat das Drehbuch zu „Der glücklichste Tag im Leben von Olli Mäki“ geschrieben und bringt mit „Die Geschichte vom Holzfäller“ sein Regiedebüt ins Kino. Bei Filmen aus Finnland denkt man sofort an die Werke der Brüder Kaurismäki: karge Dialoge, langes Schweigen, trockener Humor. Mikko Myllylatti gehört der nächsten Generation finnischer Filmemacher an.

SWR2 am Morgen SWR2

Das Ende der Selbstgerechtigkeit Nominiert für den Auslands-Oscar: İlker Çataks „Das Lehrerzimmer“

Die junge Lehrerin Carla Nowak (Leonie Benesch) ist neu an der Schule, als plötzlich immer wieder Geld verschwindet, vor allem aus Portemonnaies im Lehrerzimmer.

SWR2 am Morgen SWR2

Filmkritik „The Whale“ von Regisseur Darren Aronofsky –Allein Hauptdarsteller Brendan Fraser überzeugt

Der Protagonist von „The Whale“ ist ein fettsüchtiger homosexueller Mann, der dabei ist, sich selbst zu zerstören. Er liegt den ganzen Film über auf der Couch in seiner schummrigen Wohnung und weiß, dass er bald sterben wird. Brendan Fraser hat für sein eindrucksvolles Spiel der Hauptrolle einen Oscar erhalten. Die Filme von Darren Aronofskys sind allesamt provokant und kontrovers, sein neustes Werk „The Whale“ ist da nicht anders.

SWR2 am Morgen SWR2

Serie „The Sandman“: Netflix-Verfilmung des Comic-Klassikers von Neil Gaiman

Der Schriftsteller Norman Mailer hat die Graphic Novel-Reihe „The Sandman“ von Neil Gaiman als „Comic für Intellektuelle“ geadelt. Netflix hat die Geschichte um den Gott der Träume, Dream oder auch Sandman genannt, und seine Geschwister Destiny und Death verfilmt – als wildes Gemisch aus düsterem Horror und bunter Fantasygeschichte.

SWR2 am Morgen SWR2

Stand
AUTOR/IN
Rüdiger Suchsland