Ein unmoralisches Angebot?
Dieses Angebot ist zu gut, um wahr zu sein: Der ostdeutsche Nachwuchswissenschaftler Franz Walter, gespielt von Lars Eidinger, soll in naher Zukunft die Nachfolge seiner Professorin antreten. Für ihn völlig unerwartet und ohne die jahrzehntelange Ochsentour durchs Wissenschaftssystem der DDR. Der Haken: Bis es soweit ist, muss er beim Auslandsgeheimdienst der Stasi mitarbeiten.
Franz lässt sich darauf ein und genießt die vielen Vorzüge — eine wunderschöne Wohnung für sich und seine Verlobte, Dienstreisen in den Westen und Zugang zu Devisen mithilfe gefälschter Spesenabrechnungen.

Der Preis der Privilegien
Ohne seine Rolle zu hinterfragen, macht sich Franz gewissenhaft an die Überwachung des Fußballspielers Horst Langfeld. Dieser ist in den Westen übergelaufen und soll zurückgeholt werden. Um Druck auf den flüchtigen Sportler auszuüben, ist der Stasi — mit Devid Striesow als Franz Walters betreuendem Offizier — jedes Mittel recht. Der Psychoterror gipfelt in einer falschen Krebsdiagnose für die in der DDR verbliebene Frau von Horst Langfeld. Erst nach und nach begreift Franz, was er mit seiner Arbeit anrichtet und will aussteigen.
Inspiriert von einem wahren Fall
„Nahschuss“ ist vom wahren Fall des Stasi-Hauptmanns Werner Teske inspiriert, der 1981 per Genickschuss hingerichtet wurde. Es sollte das letzte in der DDR vollstreckte Todesurteil sein. Der Film ist sehr gut recherchiert, versprüht aber nichts unangenehm Didaktisches.
Regisseurin Franziska Stünkel geht es vor allem darum auszuloten, was ein repressives System mit zwischenmenschlichen Beziehungen anrichtet. Wie es Freundschaften unterminiert, Eheleute gegeneinander ausspielt und mit der allgegenwärtigen Überwachung jedes Vertrauen in Mitmenschen und Staat zersetzt.
Der Trailer zu „Nahschuss“:
Ruhiges, dichtes Kammerspiel
Ihre Geschichte erzählt Stünkel in Form eines beklemmenden Thrillers, ohne jede Effekthascherei. Lars Eidinger in der Hauptrolle zeigt furios, wie auch jemand, der sich selbst auf der Seite der Gewinner wähnt, an diesem System zerbricht, so lange er noch versucht, sich einen Rest Menschlichkeit zu bewahren. Innerhalb kurzer Zeit entwickelt sich Eidingers Franz von einem unbeschwerten, naiven Typen zum fahlgesichtigen Wrack: Ohne Ausweg gefangen im System, schon lange, bevor es zum Prozess gegen ihn kommt.
„Ich bitte den Hohen Senat, bei seiner Urteilsfindung, mir die Chance einzuräumen, mir noch einmal die Möglichkeit zu geben, ein Leben mir einzurichten, in dem ich voll den gesellschaftlichen und gesetzlichen Normen der DDR entspreche“, bittet er.
„Nahschuss“ ist ein ruhiges, dichtes Kammerspiel über die inneren Mechanismen eines Unrechtsstaats, das eindringlich zeigt: Jede*r, der ihm ausgeliefert ist, wird zum Opfer, auch die Täter*innen.