Neu im Kino: 7 Tage in Entebbe

Hochaktueller Politthriller

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AUTOR/IN
Julia Haungs

Filmkritik von Julia Haungs

Dass schon ein Jahr vor der Entführung der Passagiermaschine „Landshut“ 1977 deutsche Linksradikale an der Entführung einer Air France-Maschine beteiligt waren, ist heute in Deutschland kaum bekannt. Im Politthriller „7 Tage in Entebbe“ rekonstruiert der brasilianische Regisseur José Padilha die dramatischen Ereignisse, die sich 1976 in Uganda zutrugen. Die Art, wie er die Fragen, die sich aus dem Terrorakt ergeben, ausleuchtet, macht den Film hochaktuell.

Die Flugzeugentführer - Terroristen oder Freiheitskämpfer?

Diese Entführungsgeschichte ist kein Schwarz-Weiß-Drama. Das wird schon klar, bevor der Film überhaupt richtig angefangen hat. „Für die einen sind sie Terroristen, für die anderen Freiheitskämpfer“ sagt eine eingeblendete Schrift. Damit ist das Spannungsfeld abgesteckt, in dem sich „7 Tage in Entebbe“ bewegen wird und das diese Geschichte aus dem Jahr 1976 mit der Gegenwart verbindet.

Mit wild-entschlossenem Blick stehen die vier Terroristen plötzlich in der Air France-Maschine auf dem Weg von Tel Aviv nach Paris. Die beiden Deutschen und zwei Palästinenser zwingen den Piloten, das Flugzeug nach Entebbe in Uganda umzuleiten. Mit den israelischen Geiseln an Bord wollen sie palästinensische Terroristen freipressen. Israels Regierung muss sich entscheiden: verhandelt sie oder bleibt sie hart und riskiert eine möglicherweise blutige Erstürmung? Die Uhr tickt, denn der unberechenbare ugandische Diktator Idi Amin hat sich zum Schutzherrn der Entführer erklärt und scheint zu allem bereit.

Zunehmendes Gefühl der Ausweglosigkeit

Regisseur José Padilha inszeniert die Entführungsgeschichte als faktenbasierten Politthriller. Empathisch, aber ohne für eine Seite Partei zu ergreifen, erzählt er das Geschehen aus unterschiedlichen Perspektiven. Alle verbindet das zunehmende Gefühl der Ausweglosigkeit: während die israelische Regierung aus der Ferne ihre Handlungsoptionen abwägt, werden im klaustrophobischen Flughafen-Hangar sowohl die Entführten als auch die Terroristen immer panischer.

Anfänglicher Glaube an den Kampf für die gerechte Sache schwindet

Vor allem Daniel Brühl als Wilfried Böse. Der Mitbegründer der Revolutionären Zellen hinterfragt das eigene Handeln, je länger die Aktion dauert. Anfangs ist Böse wie seine Mit-Terroristin Brigitte Kuhlmann fest davon überzeugt, als Antifaschist für die gerechte Sache der Palästinenser zu kämpfen.

Die palästinensischen Co-Terroristen können mit der ideologischen Kampfrhetorik der Deutschen allerdings gar nichts anfangen. Für sie geht es bei dieser Aktion schlicht um ihre Existenz. Irgendwann soll Böse die jüdischen Passagiere, darunter auch eine KZ-Überlebende, selektieren. Spätestens da merkt er: als Deutscher ist es unmöglich, in dieser Situation als Antifaschist wahrgenommen zu werden.

Machtkampf in der israelischen Regierung

Auch auf israelischer Seite ist die Lage komplex. Mit genauem Blick zeigt Padilha, wie hinter den Kulissen ein Machtkampf entbrennt. Während Verteidigungsminister Shimon Peres auf eine militärische Lösung drängt, erwägt Premierminister Yitzhak Rabin, zum ersten Mal zu verhandeln. Von seiner Vision, dass man irgendwann reden muss, wenn man Frieden will, da die Feinde leider auch die Nachbarn sind, scheint Israel heute weiter entfernt denn je.

Flughafen-Erstürmung mit Tanzszenen

Der größte Clou dieses genau erzählten Films ist neben seiner differenzierten Herangehensweise der ungewöhnliche Einsatz von Tanzszenen. Zu wuchtiger Musik tanzt die Bathseva Dance Company eine Choreographie, in der es um Gewalt und Schmerz geht. Diese Szenen ziehen sich durch den gesamten Film bis zur furiosen Montage des Finales, in dem die zappelnden, fallenden Körper mit dem Maschinengewehrfeuer der Flughafen-Erstürmung zu verschmelzen scheinen.

„7 Tage in Entebbe“ ist ein klug inszenierter Thriller. Erhellend erzählt er vom Teufelskreis der Gewalt, der mit jeder weiteren Umdrehung den Terror von morgen hervorbringt.

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Julia Haungs