Der Kapitalismus macht krank. Also muss man aus der Krankheit eine Waffe machen und den Kapitalismus zerstören. So in Kurzform die Devise des SPK, des sozialistischen Patientenkollektivs Heidelberg.
Der Berliner Filmemacher Gerd Kroske ist tief hinab getaucht in die Welt von Archiven und Aktenschränken, um die Geschichte des SPK mithilfe von Dokumenten, Bild- und Tonmaterial sowie einer Reihe interessanter Zeitzeugen zu rekonstruieren.
SPK als Alternative zur als menschenfeindlich empfundenen "Verwahr-Psychiatrie"
Der Uniklinik-Arzt Wolfgang Huber gründete das SPK 1970, weil er nicht länger Teil einer als menschenfeindlich empfundenen "Verwahr-Psychiatrie" sein mochte. Statt Elektroschocks und Zwangseinweisungen wollte er die Selbstorganisation von Patienten stärken und die klare Trennung zwischen Behandelnden und Behandelten aufheben.
Hubers These: Nicht der Kranke ist das Problem, sondern die Verhältnisse, die ihn krank machen. Die Folge: Ein riesiger Skandal und der Rauswurf aus der Universität. Für Hubers Schützlinge ein Schock.
Mit rund 50 Patienten zieht sich Huber in ein besetztes Gebäude zurück und veranstaltet dort Therapiesitzungen oder wie es im SPK-Sprech heißt: Einzel- und Gruppenagitationen. Zwischenzeitlich wächst die Gruppe auf 500 Mitglieder. Zusammen lesen sie Hegel, diskutieren über ihre psychischen Probleme und verfassen jede Menge Flugblätter beziehungsweise "Patienteninfos".
SPK als Bindeglied zwischen Studentenbewegung 68 und der RAF
Die sorgfältig recherchierte Geschichte dieses Zwitterwesens aus innovativer Therapie und politischer Agitation ist ein wenig bekanntes, aber hochinteressantes Kapitel des "Deutschen Vorherbstes". In den Aussagen von ehemaligen Patienten, Mitstreitern und Gegnern wirkt das SPK wie ein Bindeglied zwischen der Studentenbewegung 68 und der RAF. Wolfgang Huber selbst ist im Film nur auf Bildern und Tonaufnahmen präsent.
Der Regisseur, in der DDR aufgewachsen, schaut 'von außen' auf das SPK
Mit der unvoreingenommenen Neugier von einem, der diese Zeit in der DDR verbracht hat, blickt Regisseur Gerd Kroske auf den damaligen Zeitgeist und Hubers Kampf, der immer politischer wird. Die Gruppe steht unter Druck. Einige Mitglieder laufen zur RAF über.
Nachdem bei Huber Waffen gefunden werden, gilt auch das SPK als kriminelle Vereinigung. 1972 werden er und seine Frau zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt.
Schillerndes, manchmal auch widersprüchliches Bild der Ereignisse
Der Film erzählt diese dramatischen Ereignisse auf eine angenehm unaufgeregte Art. Er kommt ohne einen alles erklärenden Off-Text aus und setzt stattdessen auf die Vielstimmigkeit seiner Protagonisten. So entsteht ein schillerndes, manchmal auch widersprüchliches Bild der Ereignisse.
Das Ziel des SPK: Modernisierung der Psychiatrie
Kroske ist ein empathischer Zuhörer. Seinen Gesprächspartnern, darunter auch ehemalige RAF-Mitglieder, gibt er viel Zeit, sich zu öffnen. Es ist ein Verdienst dieses Films, das er bei allen politischen Aspekten herausarbeitet, worum es dem SPK ursprünglich ging: die Modernisierung der Psychiatrie.
Politisch mag das SPK auf ganzer Linie gescheitert sein. Therapeutisch ist heute einiges, was Huber damals forderte, Standard. Und wenn man sich ansieht, wie sich die Depression zur Volkskrankheit entwickelt hat, dann sollte man vielleicht auch über Hubers These von der krankmachenden Gesellschaft zumindest noch einmal nachdenken.