Es ist der erste deutsche Film über den Völkermord an den Herero und Nama im heutigen Namibia. Regisseur Lars Kraume erzählt in „Der vermessene Mensch“ wie brutal das deutsche Kaiserreich in seiner Kolonie agierte und wie die deutschen Völkerkundemuseen die Lage für einen unerhörten Beutezug nutzten. Ein wichtiger Film, der aufklärt und aufrüttelt.
Deutsch-Südwestafrika 1904. Das heutige Namibia ist eine Kolonie, in der die Deutschen mit eiserner Faust herrschen. Als es zu einem Aufstand der Herero und Nama kommt, wird dieser brutal niedergeschlagen. Es folgt der erste Völkermord des 20.Jahrhunderts. „Der vermessene Mensch" erzählt davon aus der Perspektive des jungen Ethnologen Alexander Hoffmann.

Im Windschatten des Völkermords
Alexander Hoffmann reist im Windschatten der deutschen Schutztruppen und beobachtet entsetzt, wie die Soldaten sogar Frauen und Kinder umbringen. Doch auch sein eigener Auftrag bringt Hoffmann in Gewissenskonflikte.
Zwar bemüht er sich, die Kultur der Herero zu achten. Aber für die wissenschaftliche Vermessung soll der Ethnologe deren Schädel beschaffen. Außerdem soll er Alltags- und Kunstgegenstände der afrikanischen Kulturen für das Berliner Völkerkundemuseum sichern.
Unbekanntes Kapitel deutsche Kolonialzeit
Kolonialverbrechen – was das heißt, davon haben auch heute viele Deutsche nur eine ungefähre Vorstellung. Anders als die gut dokumentierten und oft verfilmten Verbrechen des Holocaust ist die Kolonialzeit eine visuelle Leerstelle. „Der vermessene Mensch" will das ändern.
Dieses didaktische Bemühen merkt man dem Film durchaus an. Manches an der Handlung und der Figurenkonstellation wirkt konstruiert. Dennoch entfaltet das Geschichtsdrama in seiner Kombination aus Härte und Genauigkeit Wucht.
Lars Kraume ist Spezialist für düstere Teile der deutschen Geschichte
Regisseur Lars Kraume ist ein Spezialist für historische Stoffe und insbesondere für die düstersten Kapitel der deutschen Geschichte. Er schildert, wie die Armee zehntausende Menschen aus den Völkern der Herero und Nama umbringt. Die Übriggebliebenen werden in Konzentrationslager gepfercht und als Zwangsarbeiter versklavt.
Die deutschen Kolonialherren rechtfertigen ihr Handeln mit der angeblichen Minderwertigkeit der afrikanischen Rasse. Diese meinen Wissenschaftler aufgrund von Schädelvermessungen bewiesen zu haben.
Regisseur Lars Kraume über seinen Film „Der vermessene Mensch“ bei SWR2:
Raubkunst-Stücke aus Afrika finden sich bis heute in den Museen
Lars Kraume taucht mit „Der vermessene Mensch“ tief ein ins koloniale Herz der Finsternis und zieht eine klare Linie bis zum Rassenwahn der Nationalsozialisten und dem Holocaust. Er untersucht die unrühmliche Rolle der Wissenschaft und wie sich deutsche Museen schuldig machten.
Die aktuellen Restitutionsdebatten erscheinen vor diesem Hintergrund in einem grellen Licht. Denn in den Sammlungen europäischer Museen befinden sich nach wie vor zahlreiche Raubkunst-Stücke aus Afrika und im Keller tausende Totenschädel.
Trailer „Der vermessene Mensch“ ab 23.3. im Kino
Zur deutschen Kolonialgeschichte
Kino Der verdrängte Genozid: Lars Kraume über seinen Film „Der vermessene Mensch“
Wie kann man den Völkermord an 100.000 Herero und Nama vor über 100 Jahren realistisch und mit viel Respekt erzählen? Diese Frage hat Regisseur Lars Kraume bei seiner Arbeit am Film „Der vermessene Mensch“ beschäftigt.
Völkermord und Raubgüter Deutschland und der Kolonialismus
Die Frage nach kolonialen Raubgütern hat Diskussionen über die Bedeutung des deutschen Kolonialismus ausgelöst. Der Afrikanist Andreas Eckert beschreibt diesen Perspektivwechsel.
Gespräch Völkermord verjährt nicht – Herero-Aktivist Israel Kaunatjike
Israel Kaunatjike ist der einzige Herero-Aktivist in Deutschland und kämpft seit Jahrzehnten um Aufarbeitung der Kolonialgeschichte.
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Leben Wunden heilen – Die emotionale Seite der Restitution
Können koloniale Wunden heilen? Die geplante Rückgabe von über tausend Benin Bronzen in deutschen Museen soll ein Schritt in Richtung Aufarbeitung von Kolonialgeschichte sein.
SWR2 Zeitwort 19.12.1887: Die Deutsche Kolonialgesellschaft wird gegründet
Die Kolonialgesellschaft machte Propaganda für Deutschlands „Platz an der Sonne“ in Afrika. Nach 1945 wurde sie als „verbrecherische Organisation“ verboten.
Zeitwort 18.10.1890: Die Stadt Windhoek wird gegründet
Windhoek ist die Hauptstadt Namibias und seit der Unabhängigkeit des Landes von Südafrika vor 30 Jahren ist die Stadt stark gewachsen und hat mittlerweile fast 350.000 Einwohner. Sie wurde kurz nach Beginn der deutschen Kolonialherrschaft als moderne Stadt gegründet wurde.