Moralkompass mit Schlagseite
Ein Mann erkrankt an Alzheimer und plötzlich bekommt sein Moralkompass Schlagseite. Er wird zum Serienkiller. Das klingt nach einer reißerischen Story über wild gewordene Senioren. Aber die Serie „Ein guter Mensch“ lässt sich viel Zeit, diese Geschichte zu entwickeln. Und sie tut dies mit einer guten Portion schwarzem Humor.

Rache nehmen, solange es noch geht
Agah Beyoglu hat Alzheimer im Anfangsstadium. Er ist schon kurz davor, depressiv zu werden: was, wenn sich die Persönlichkeit völlig auflöst? Agah will Rache nehmen für ein altes Verbrechen, solange er sich noch daran erinnern kann, so viel ist von Anfang an klar. Er bringt reihenweise Leute um, die aus seinem Heimatdorf stammen.
Worum es genau geht, das findet der Zuschauer langsam heraus, indem die Serie die junge Polizistin Nevra bgleitet, wie diese es wiederum langsam herausfindet. Und auch, was das Ganze mit der Rolle von Frauen in der türkischen Gesellschaft und damit auch mit ihr selbst zu tun hat.
Seniler Alter oder Krimi-Mastermind
Vor allem durch Hauptdarsteller Haluk Bilginer gewinnt die Serie eine hochinteressante Mischung aus charmantem Rachethriller, brutaler Komödie, Gesellschaftsdrama und Familien-Beziehungsgeschichte. Bilginer ist ein grauhaariger Herr mit Schnauzer und Weste, bei dem man nie so ganz genau weiß, ob man einen senilen Alten oder ein kriminelles Mastermind vor sich hat.
„Ein guter Mensch“ ist ein lebenskluges, lakonisches Katz und Maus-Spiel
„Ein guter Mensch“ mag nicht unbedingt repäsentativ sein für das türkische Serienschaffen. Es hat aber auch hierzulande oder in den USA nicht jede Serie einen Autor wie Hakan Günday, der ein lebenskluges, lakonisches Katz und Maus-Spiel geschaffen hat, das in seinem Inneren berührende Geschichten erzählt über Neugier und Angst gegenüber dem Unbekannten.
Es ist eine Geschichte über großstädtische Entfremdung und Schweigemauern auf dem Land. Über die ambivalente Kraft von Erinnerungen, die einen in die Verzweiflung treiben oder einem Halt geben können. Und darüber, was angesichts dessen einen „guten Menschen“ ausmacht.