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Die Serie ,„Sam – Ein Sachse“: Vom Posterboy zum Straftäter

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Karsten Umlauf

Die erste deutsche Disney+ Serie erzählt eine wahre Geschichte: die Geschichte des ersten afrodeutschen Polizisten der DDR, der nach der Wende erst zum Gesicht einer sächsischen Image-Kampagne wurde und dann in die Kriminalität abrutschte. Der Cast ist fantastisch, die Serie hat jedoch Schwächen, so Karsten Umlauf in seiner Kritik.

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 Zwischen allen Stühlen

Zwischen allen Stühlen. Das ist das Lebensgefühl, das Sam schon von klein auf kennt und das er als schweren Rucksack mit sich herumschleppt. Der Vater aus Kamerun stirbt aus ungeklärten Gründen am Tag seiner Geburt, die Mutter ist Alkoholikerin. Als Fußballer wird er von rechten Hooligans gejagt. Erst recht in Dresden nach der Wende. Anerkennung, Struktur, Ordnung und Kameradschaft, das was er bei der Polizei gefunden hatte, erfährt er in anderer Form bei einer Truppe von schwarzen Türstehern, die ihn bei sich aufnehmen.

Filmstill (Foto: Disney+)
„Sam – Ein Sachse“ basiert auf der unglaublichen und wahren Geschichte von Samuel „Sam“ Njankouo Meffire (Malick Bauer), Ostdeutschlands erstem Schwarzen Polizisten. Bild in Detailansicht öffnen
Sams Entscheidung, zur Polizei zu gehen, führt zu Spannungen mit seiner Familie. Der Konflikt spitzt sich in der Nacht des Mauerfalls zu, als seine Einheit losgeschickt wird, um Ostdeutsche am Verlassen ihres Landes zu hindern. Bild in Detailansicht öffnen
Die Serie begleitet Sam auf seiner rastlosen Suche nach Heimat und bei seinem Kampf für Gerechtigkeit gegen ein übermächtiges System. Bild in Detailansicht öffnen
Sam erlebt eine Kindheit als Außenseiter, geprägt durch die Ermordung seines Vaters. Bild in Detailansicht öffnen
Es folgt ein kometenhafter Aufstieg als Symbolfigur und Mediensensation eines neuen Deutschlands und Sams tiefer Fall, seine Flucht als international gesuchter Staatsfeind. Bild in Detailansicht öffnen
Sam steht unter Mordverdacht und flieht in den Kongo. Er trifft seine afrikanischen Verwandten (Gontse Ntshegang, Thabo Malema), bleibt aber ein Fremder in der Welt, die sein Vater verließ, um in Ostdeutschland zu studieren. Bild in Detailansicht öffnen
Die erste Original Disney + Serie basiert auf dem autobiographischen Buch „Ich, ein Sachse“ von Samuel Njankouo Meffire. Bild in Detailansicht öffnen
Malick Bauer über seine Figur Sam: „Dass ich diese Rolle in Deutschland so spielen darf, ist ein wahrgewordener Traum. Die Geschichte erzählt eine hochemotionale Achterbahnfahrt, eine Heldenreise, von Held bis Antiheld und zurück.“ Bild in Detailansicht öffnen
„Sam ist nicht nur ein Schwarzer Deutscher, sondern ein Schwarzer ostdeutscher Mann. Er ist einer der vielen ostdeutschen Menschen, die nach dem Mauerfall auf einen reformierten Sozialismus gehofft haben – der dann nicht kam. Die DDR wurde geschluckt. Damit kämpfen die Menschen in Deutschland bis heute, es gibt immer noch genügend Ressentiments.“ (Malick Bauer, „Sam“) Bild in Detailansicht öffnen

Keine MultiKulti-Erfolgsstory

„Sam – Ein Sachse“ erzählt, wie dieser baumstarke Mann dann zum Gesicht einer Imagekampagne wird, kurzzeitig sogar mit Innenminister Heinz Eggert durch Talkshows tingelt. Aber auch, wie er in Mafiastrukturen abdriftet, straffällig wird. Das überaus Bemerkenswerte ist, dass die Seriennmacher Jörg Winger und Tyron Rickets hier keine MultiKulti-Erfolgsstory erzählen, aber auch nicht einfach ein historisches Biopic. Sondern eine allgemeingültige Geschichte von Zugehörigkeit.

Filmstill (Foto: Disney+)
„Sam ist nicht nur ein Schwarzer Deutscher, sondern ein Schwarzer ostdeutscher Mann. Er ist einer der vielen ostdeutschen Menschen, die nach dem Mauerfall auf einen reformierten Sozialismus gehofft haben – der dann nicht kam. Die DDR wurde geschluckt. Damit kämpfen die Menschen in Deutschland bis heute, es gibt immer noch genügend Ressentiments.“ (Malick Bauer, „Sam“)

Hauptdarsteller Malick Bauer trägt die Serie

 Warum sagt man „Schwarz" und nicht „Farbig"? Wer fühlt sich mit dem Begriff „afrodeutsch" gemeint? Gehören „,Heimat" und „Gemeinschaft" nur dem rechten Rand? Wie und das überhaupt solche Begriffe und Identitätszuschreibungen verhandelt werden, das macht die Serie „,Sam - Ein Sachse" so außergewöhnlich und so aktuell.

Getragen von einem außergewöhnlichen Cast um Hauptdarsteller Malick Bauer, der spielt als ginge es um alles. Und das tut es ja, auch hinter der Kamera: Bauer ist das Gesicht einer Produktion, die genau auf eine diverse, vielfältige Besetzung geachtet hat. Die eine andere Geschichte von Deutschland erzählen will, aber auch eine andere Geschichte von schwarzem Empowerment.

„Sam – Ein Sachse“: Unbedingt anschauen

Das gelingt ihr nicht immer durchgängig gut, weil sich jede der sieben Folgen in verschiedenen Genres bewegt, ästhetisch experimentiert, den Figuren manchmal Sätze oder literarische Zitate zumutet, die ganz schön in der Luft hängen.

Und doch verliert die Serie ihr Ziel nicht aus den Augen, die Erfahrung eines schwarzen Deutschen zu schildern, strukturellen Rassismus auf der einen, Zerrissenheit und Verbundenheit auf der anderen Seite. Das gelingt ihr in einem auffallend verbindlichen Ton und das sollte man sich unbedingt ansehen.

Trailer „Sam – Ein Sachse“, ab 26.4. auf Disney+

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Gespräch „Hitler-Fake“: ARD-Doku erzählt die Geschichte einer Jahrhundertfälschung

Vor 40 Jahren stellte der Stern die gefälschten Hitler-Tagbücher vor. Regisseur Christian Bock arbeitet den Medienskandal jetzt im Rahmen einer Doku-Serie auf. Und hat dafür sogar den maßgeblich beteiligten Stern-Reporter Gerd Heidemann vor die Kamera bekommen.
Helmut Dietl hat eine Komödie daraus gemacht: „Schtonk“. Die Filmsatire prägt die Wahrnehmung der gefälschten Hitler-Tagebücher noch heute. Und auch Christian Bock ist der Überzeugung, um das komödiantische Moment, das in diesem Medienskandal stecke, komme man nicht herum. Ihm ist es dennoch ernst mit dem Fall. Vor allem sei er daran interessiert gewesen, den Skandal in die „damalige Zeitgeschichte“ einzubetten, sagt er im Interview mit SWR2: „Warum fand man Hitler privat eigentlich interessant? Wer hat diesen ganzen Hitler-Kram eigentlich gesammelt und warum? Und vor allen Dingen: Was ist davon heute noch übrig?“
Mittlerweile ist bekannt, dass die Tagebücher ein Bild von Hitlers vermitteln, das ihn in vielen Hinsichten entschuldet. Das wirft natürlich ein politisch fragwürdiges Licht auf die Journalisten (in dem Fall wirklich nur Männer), die an die Echtheit der Aufzeichnungen unbedingt glauben wollten. Eine rechte oder revanchistische Gesinnung sieht Bock aber zumindest bei Gerd Heidemann nicht. Der Reporter, mittlerweile über 90 Jahre alt, der die Veröffentlichung der Tagebücher maßgeblich vorangetrieben hatte, sei eher durch „Eitelkeit“ und „Geld“ verblendet gewesen, so Bock. „Die Inhalte, die kamen dann doch eher später.“
Auch die Zusammensetzung der Redaktion habe wahrscheinlich dazu geführt, dass die Fälschungen veröffentlicht wurden, meint Bock außerdem: Eine reine Männerrunde, eine Ingroup, die Kritik von außen kaum zugelassen habe. „Hätte es mehr Frauen in verantwortlichen Positionen gegeben damals“, spekuliert der Regisseur, „hätten sie diese Boy-Groups aufgesprengt und ich bin mir sicher, dann hätte man dieses ganze Männergehabe viel kritischer hinterfragt.“

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SWR-Miniserie Karohemd, Smartfahrradhelm, Alman: Phil Laude über die neuen Folgen von ,,Almania”

“Jeder kann ein Alman sein!”, sagt Komiker Phil Laude, “losgelöst von der Nationalität”. Man müsse diesen Begriff mit Humor sehen. Man verbinde mit ihm ja auch positive deutsche Eigenschaften, wie etwa Pünktlichkeit oder Beständigkeit. Solch ein Alman-Bild verkörpert die Hauptfigur Frank Stimpel in Laudes SWR-Miniserie “Almania”. Ein Lehrer, der sich als Alman an einer sogenannten Brennpunktschule erstmal integrieren muss.
“Am Ende mag man auch diese Figur”, verrät Laude schon über den Fortgang der Serie. Man wolle mit dem Projekt auch verbinden und versöhnen. “Wir müssen alle gemeinsam über unserer Unterschiede lachen”, findet Laude. Man müsse eben nur auch in alle Richtungen gleich austeilen.

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Karsten Umlauf