Serien-Kritik

Der schöne Klaus und seine Bande – Sankt-Pauli-Serie „Luden“

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Karsten Umlauf

Klaus Barkowsky gilt in Hamburg immer noch als eine der schillerndsten Figuren der 80er Jahre. Als Chef der sogenannten „Nutella-Bande“ kontrollierte der Frauenschwarm einen großen Teil der Rotlichtszene. Die Amazon-Serie „Luden“ erzählt nun seine Geschichte und die von Sankt Pauli als Mischung aus sexuellem Aufbruch und toxischer Männlichkeit.

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Die große Liebe auf dem Kiez

Wo der blond gelockte Klaus Barkowsky auftaucht, ist gute Laune. Eigentlich jobbt er in den Kneipen von St. Pauli, um Künstler werden. Zufällig lernt er die Prostituierte Jutta kennen. Zwischen den beiden herrscht gleich eine besondere Chemie. Auch wenn „Judda“ schon deutlich älter ist und vor allem von ihrem brutalen Zuhälter weg will und Klaus außer seinem gewinnenden Wesen und viel Ambition wenig zu bieten hat.

Klaus wird schließlich der Zuhälter, der „Lude“ von Jutta. Zu der Zeit ein Berufsstand von mafiöser Ehrenhaftigkeit. Sein Kumpel Bernd verwaltet das Geld und der verkrachte Boxer Andi gibt der alteingesessenen Luden-Konkurrenz von der „GmbH“ eins auf die Nase, wenn es sein muss. 

Filmstill (Foto: Amazon Prime Video)
Im Mittelpunkt der Serie „Luden" steht Klaus Barkowsky (Aaron Hilmer), der in den 70er und 80er Jahren im Rotlichtviertel von St. Pauli zum legendären „Lamborghini-Klaus" aufstieg. Amazon Prime Video Bild in Detailansicht öffnen
Mit dem Aufstieg der Reeperbahn entsteht eine unbändige Partymeile, auf der Sehnsucht und Freiheit großgeschrieben werden. Sex, Drogen und Disco sind hier an der Tagesordnung. Der ehrgeizige Klaus Barkowsky (Aaron Hilmer) hofft auf Anerkennung in dieser schillernden Parallelwelt. Amazon Prime Video Bild in Detailansicht öffnen
Die abgebrühte Prostituierte Jutta (Jeanette Hain) beschließt kurzerhand, dass Barkowsky zum Zuhälter wird. Sie erklärt in der Serie erotisch und gleichzeitig distanziert aus dem Off, wie sie Klaus zum erfolgreichen Luden erzogen und selber ihren Platz in der Szene erobert hat. Amazon Prime Video Bild in Detailansicht öffnen
Wenn Jutta zu sehen ist, verbirgt sie geschickt ihre seelischen Verletzungen. Die restliche Gelassenheit bringen Drogenspritzen, die sie zwischen die Zehen setzt. Amazon Prime Video Bild in Detailansicht öffnen
Klaus Barkowsky will sein Geschäft groß aufziehen, gerät dabei aber bald mit den Platzhirschen der Branche aneinander, die vor wenig zurückschrecken, um ihre Stellung zu verteidigen. Amazon Prime Video Bild in Detailansicht öffnen
Während sich der entbrennende Machtkampf immer weiter zuspitzt, droht mit der aufkommenden AIDS-Krise und den mit der Kokain-Welle einhergehenden Gefahren letztlich alles zusammenzubrechen. Amazon Prime Video Bild in Detailansicht öffnen

„Luden“ basiert auf einer wahren Geschichte

Die Serie ist inspiriert von der wahren Geschichte der 20-jährigen Jungspunde, die unter dem Spitznamen „Nutella-Bande“ in die Kiezgeschichte eingingen. Und die möglichst viel von der angeblichen Schokoladenseite des Sexgeschäfts abbekommen wollten.

Als eine Art „Sex-Startup“ geben sie rauschende Partys und behandeln ihre Sexarbeiterinnen nicht ganz so grausam wie die Konkurrenz. Aber auch wenn sich einzelne Frauen als Teil der sexuellen Revolution begreifen, bleibt das Geschäft doch eine moderne Form der Sklaverei.

 Eine Geschichte aus dem Wilden Westen der BRD

„Luden“ erzählt eine Geschichte aus dem Wilden Westen der Bundesrepublik mit grobschlächtigen Gesichtern und breiten Hemdkragen. Hamburg ist das Eldorado des käuflichen Sex, die Kneipen heißen „Ritze“ „Rutsche“ oder „Reitclub“.

Vor expliziten Szenen sollte man da keine Scheu haben, auch nicht vor einem ganzen Kübel toxischer Männlichkeit. Die Serie nutzt die vielleicht einzige Möglichkeit, das aus heutiger Sicht einigermaßen anständig zu erzählen: die Perspektive der desillusionierten Jutta

Jeanette Hain spielt sie mit einer berührenden Mischung aus Eleganz und Traurigkeit und verleiht der Serie damit Tiefe. Aaron Hilmer als Klaus Barkowsky mit einprägsamem Hamburger Singsang deutet an, das seine „Ich geb Gas ich will Spaß“-Oberfläche auch Brüche hat.

Unterhaltsam, aber etwas flach

Aber die Serie fängt damit wenig an. Im Auf und ab der Ludenkonkurrenz, zwischen schnellen Autos und schrulligen Typen verliert sie sich in Zwei-Minuten-Dramen und verbrämt die Schattenseiten mit ironisch gebrochener Musik.  

Das Bemühen ist erkennbar, die fast familiär frivole Stimmung auf dem Kiez einzufangen und auch ein Stück weit zu romantisieren. Fragen von sexueller Identität werden angetextet, AIDS-Krise, die zunehmende Drogenkriminalität und damit auch Brutalität. Aber an vielen Stellen bleibt das Ganze kulissenhaftes Stationentheater.

Das ist schon unterhaltsam, bleibt aber hinter anderen Serien, die sich auch im modischen Rotlicht der 80er Jahre sonnen, zurück.

Trailer zur Amazon-Serie „Luden“:

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