
Eine Reise zu dem Vater und sich selbst
Lange irrt der Popmusiker aus Mannheim über den Friedhof in Mainz Drais, bis er das Grab gefunden hat. Seit sein Vater vor zwei Jahren starb, war er nicht mehr hier. Nun ist er zurückgekehrt, um eine Reise anzutreten:
„Ich suche mich halt irgendwie selbst in der Welt und kann mich nicht so richtig finden, so lange ich ihn nicht gefunden habe.“
Volker David Kirchner war ein namhafter Komponist für zeitgenössische Musik, schrieb Opern, Sinfonien, Klangtheaterstücke. Über 30 Jahre gehörte er zur Crème de la Crème der deutschen Avantgarde.

Die Musik stand über allem
Mit vielversprechenden Klassik-Talenten verbrachte er mehr Zeit als mit seinen eigenen Kindern: Erika Geldsetzer war eine von ihnen. Für ihr renommiertes Fauré-Quartett schrieb der Vater mehrere Kompositionen. David trifft sie an der Musikhochschule Karlsruhe.
„Weißt du, was das für ne Ehre für mich wahr, als dein Vater mit dem ersten Klavierquartett vor mir stand, ich hab damit nicht gerechnet, das war ne Überraschung! Das vierte wartet noch auf die Uraufführung, das kommt auch bald.“

Musik statt Ruhm
David ist sich sicher, sie hat seinen Vater von der „wahrhaftigsten Seite“ kennengelernt. Von ihr will er wissen, ob für Volker David Kirchner Ruhm wichtig war.
„Ihm war seine Musik wichtig. Ihm war wichtig, dass die Musik gespielt wird, aber nicht um bedeutend zu sein, sondern um der Musik willen. Darum haben wir ihn auch alle sehr verehrt und ernst genommen“.
„Bekannt im Land“ Porträt über Volker David Kirchner:
Der 10jährige David staunte
Die Spurensuche führt auch in den Mainzer Dom. 1993 kam hier die Missa Moguntina von Volker David Kirchner zur Uraufführung. „Ich bin als Kind schon oft in diesem Dom gewesen und hab sehr frühzeitig den Wunsch gehabt: Ich möchte für diesen Raum mal ein Stück schreiben“, so Kirchner über den Ort.
David, damals 10 Jahre alt, war als Sängerknabe an der Aufführung beteiligt und sehr beeindruckt:
„Meine erste musikalische Erfahrung ist die Musik meines Vaters und ich hatte eine furchtbare Angst vor dieser Musik als kleiner Junge. Ich konnte mir das immer nicht vorstellen: Wie kann aus meinem Vater solch dämonische Musik kommen?“
Wirklich genial!

Nach 30 Jahren trifft David hier den damaligen Domkapellmeister wieder, Matthias Breitschaft. Mit ihm war sein Vater eng befreundet:
„Die Musik deines Vaters war in vielen Bereichen wirklich genial. Vor allem deshalb, weil er einen Sinn hatte für Klang. Für den Klang unserer Zeit aber auch für versöhnliche Töne.“

Scharfe Kritik am Kulturbetrieb
Aber warum wurde Volker David Kirchner, dieser große Sohn der Stadt, in Mainz seit der Jahrtausendwende nicht mehr aufgeführt, will David wissen. Lag es an der vernichtenden Kritik am der Mainzer Kultur-Politik zum Gutenberg-Jahr 2000?
„Was die Stadt Mainz angeht, kann man von Kultur ohnehin nicht reden. Was sich da allein im Gutenbergjahr abgespielt hat, das ist alles ganz schlimm.“
David Julian Kirchner forscht und stößt auf teils unbequeme Wahrheiten
„Irgendwie überträgt sich da auch was auf mich, ich bin ja selber Musiker und Künstler und existentiell abhängig von staatlich subventionierten Kultur-Playern. Überall ist das Theater DER Arbeitgeber gewesen. Es schüchtert mich irgendwie ein, die zu kritisieren, weil ich Angst habe, keine Jobs zu bekommen.“
Immer mehr wird die Vater-Suche zur Selbstfindung. David entdeckt eine entscheidende Ähnlichkeit zu seinem Vater: „Die Musik stand für ihn über allem, über seinen persönlichen Interessen und über menschlichen Konflikten. So ist es bei mir auch“.
Für seine Kunst nimmt David Julian Kirchner ein Leben an der Armutsgrenze in Kauf. In dieser Entschlossenheit fühlt er sich seinem vor zwei Jahren verstorbenen Vater ganz nah. Von ihm hat er gelernt: „Immer den eigenen Weg gehen!“.