Auf der Suche nach der eigenen Identität
Kurze blonde Strubbelhaare, Schlabberpulli und darunter meist zwei enge Sport-BHs. Was sie als Frau kenntlich machen könnte, versucht Charlie zu verstecken. Was das genau bedeutet, checkt die 20-Jährige noch nicht wirklich. Die Attitüde in der Offenbacher Plattenbausiedlung geht Richtung Vorstadt-Hip-Hopper. Aber eher zart als hart.

Die Serie „Becoming Charlie" findet den richtigen Ton im Umgang mit ihrem Thema
Drehbuchautor*in Lion Lau und die Regisseurinnen Kerstin Polte und Greta Benkelmann jagen Charlie so ein bisschen durch das Labyrinth von Erwartungen, Sehnsüchten und Gefühlen und unterlaufen damit die Gefahr, dass die eigene Identität zum Kampfplatz wird. Das Format von sechsmal 15 Minuten gibt den Rhythmus vor, schnelle Schnitte und eine verspielte Bildgestaltung nehmen dem Ganzen wohltuend die Schwere, ohne das Thema auf die leichte Schulter zu nehmen.

Hauptdarstellerin Lea Dindra überzeugt in der Titelrolle
Die junge Hauptdarstellerin Lea Dindra ist nach einem bemerkenswerten Auftritt bei der Neuauflage von „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ hier in ihrer ersten richtigen Hauptrolle zu sehen. Und sie schafft eine großartige Balance, ist draufgängerisch und verletzlich, spielt mit Blicken, Bewegungen, Stimmlagen, die das scheinbar Weibliche, und vermeintlich Männliche in der Schwebe halten. Charlie tastet sich vorsichtig voran an die Frage wer oder was sie eigentlich ist.
Kein Abdriften in den Sozialkitsch
Queere und Transgender-Themen sieht man nun häufiger in Fernsehserien. Im Vergleich zu internationalen Topserien wie „Queer as Folk“ oder „Pose“ wirken deutsche Geschichten zu häufig noch belehrend oder driften ab in Sozialkitsch. „Becoming Charlie“ ist anders - die Serie trifft einen guten Ton, glänzt mit einem tollen Ensemble, zerredet nichts und macht Queerness nicht zum „Problemfall“, sondern feiert, wie „krass“ und vielfältig die Natur sein kann. Das sollten sich alle Geschlechter unbedingt anschauen