Serie

ARD Serie „Eldorado KaDeWe“ – eine lesbische Liebe im Berlin der 1920er

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AUTOR/IN
Karsten Umlauf

„Eldorado KaDeWe“ erzählt vom Schicksal des berühmten Berliner Kaufhauses in den 1920er Jahren aus der Sicht von vier jungen Menschen. Sie sind auf der Suche nach Liebe, Aufbruch, einer Zukunft – während Homosexualität noch als Krankheit gilt und Deutschland zwischen Revolutionswirren und Wirtschaftskrise taumelt. Mit begeisternden, jungen Schauspieler*innen ist die Serie poetisch, anarchisch – und auch ein weiblicher Gegenentwurf zu „Babylon Berlin“.

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Luxus und Leichen

Das Kaufhaus des Westens: Der Name steht für Luxus und das Exquisite. Während in den Berliner Straßen nach dem 1. Weltkrieg die Leichen gesammelt und die Grenzen zwischen Obdachlosen, Revolutionären und Banditen verschwimmen. Der Kriegsheimkehrer und Firmenerbe Harry Jandorff will das alte Image des KaDeWe retten und in die Zukunft führen.

Neues Frauenbild in den Goldenen Zwanziger Jahren

Seine Schwester Fritzi bekommt keinen Platz in der Geschäftsleitung. Aber sie hat Ideen: Neue Mode, neue Bilder, ein Katalog für die Frauen, die nach dem Krieg fast drei Viertel der Berliner Bevölkerung ausmachen. Die Serie stellt gleich klar: ohne diese Frauen wären die 1920er Jahre nie so golden und modern geworden, inklusive Wahlrecht, neue Jobchancen, gleichgeschlechtliche Beziehungen.

Filmstill (Foto: ard-foto s1, ARD Degeto/ UFA Fiction)
Hedi (Valerie Stoll) ist Verkäuferin in der Textilabteilung des KaDeWes. Ihr Vater ist Droschkenfahrer und ihre jüngere Schwester Mücke hat das Down-Syndrom. Die kleinbürgerliche Familie ist vom Abstieg bedroht. Eine Heirat mit dem KaDeWe-Buchhalter Rüdiger scheint die einzige Lösung zu sein. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: ard-foto s1, ARD Degeto/ UFA Fiction)
Fritzi (Lia von Blarer) ist die Tochter des Gründers und Besitzers des KaDeWes, Adolf Jandorf. Sie fühlt sich zu Frauen hingezogen und feiert im „wilden Berlin“ die neue lesbische Subkultur. Ihre Mutter Cordula beobachtet die Neigungen ihrer Tochter mit Sorge. Fritzi liebt ihre Arbeit: In Harrys Reklame-Abteilung wird sie die erste Frau in einer Führungsposition, wenn auch unbezahlt. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: ard-foto s1, ARD Degeto/ UFA Fiction)
Als sie Hedi kennenlernt, ist es Liebe auf den ersten Blick. Für Hedi verblasst die Aussicht auf eine gewöhnliche Ehe mit ihrem fürsorglichen, aber biederen Verehrer Rüdiger gegen die Leidenschaft ihrer Liaison mit Fritzi. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: ard-foto s1, ARD Degeto/ UFA Fiction)
Harry (Joel Basman) ist Fritzis älterer Bruder und der einzige Sohn – damit auch: Erbe des Jandorf-Imperiums. Er kehrt hochdekoriert, aber traumatisiert aus dem Ersten Weltkrieg zurück und unterdrückt seine Depressione durch einen exzessiven Lebenswandel. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: ard-foto s1, ARD Degeto/ UFA Fiction)
Georg (Damian Thüne) kommt aus schwierigen Verhältnissen und hat es mit viel Fleiß in kürzester Zeit ins Direktorium des KaDeWes geschafft. Schnell stellt sich heraus, dass sich Harry und Georg ergänzen und aufeinander angewiesen sind, wenn es darum geht, das glanzvolle Kaufhaus durch unruhige Zeiten zu führen. Bild in Detailansicht öffnen

Fritzi verliebt sich in eine Mitarbeiterin: die aus einfachen Verhältnissen stammende Hedi. Und Harry hat mit dem sparsamen Buchhalter Georg zu kämpfen. Die beiden verbindet aber auch eine gegenseitige Sympathie. „Eldorado KaDeWe“ erzählt, wie diese vier mit dem Kaufhaus durch die Zeit der Wirtschaftskrise kommen, wie sie sich anfreunden und auseinanderdriften  bis zu den ersten Wahlerfolgen der Nazis, die viele solcher zarten Pflanzen platttrampeln.

Filmstill (Foto: ard-foto s1, ARD Degeto/ UFA Fiction)
Trotz ihrer Gegensätze lassen sich die beiden Frauen aufeinander ein – ohne zu wissen, wohin dies führen kann.

Poetische Hommage an das jüdische Berlin

Mit begeisternden, jungen Schauspieler*innen und wunderbaren Bildern ist die Serie eine poetische Hommage an das jüdische Berlin, an das Berlin des Jugendstils, das anarchische Berlin. Mit ihrem dezidiert weiblichen Blick bildet sie tatsächlich ein Gegengewicht zu dem opulenten Gesellschaftsdrama „Babylon Berlin“, für das in erster Linie vier Männer verantwortlich zeichnen.

Serie erzählt auch aus heutiger Sicht

Regisseurin Julia von Heinz vermischt immer wieder ganz subtil die Zeitebenen, „schmuggelt“ ein Graffiti ihres Mentors Rosa von Praunheim hinein: nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation in der er lebt. Und die Situation, in der die Frauen, vor allem Fritzi und Hedi sich bewegen, kann plötzlich auch eine moderne Berliner Straße mit S-Bahn-Verkehr und Regenbogenfahnen sein. Eldorado KaDeWe zelebriert so nicht 1920er Jahre Nostalgie, sondern spannt den Bogen zu hundert Jahren Kampf und Sehnsucht nach Freiheit, Anerkennung, dem Sinn für das Besondere. Das ist auch heute wieder sehr aktuell.

Tandem Großes Kino – Jörg Schweinitz über den deutschen Film der 20er und 30er Jahre

In den späten 1920er Jahren löste der Ton- den Stummfilm ab. Filmwissenschaftler Jörg Schweinitz gibt Einblicke in eine faszinierende Kino-Epoche.

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Zeitwort 10.12.1991: Rosa von Praunheim outet schwule Promis

„Ich wusste, das ist unanständig. Aber Kerkeling und Biolek haben später gesagt, dass sie befreit sind, dass das Versteckspiel vorbei ist“, sagte Rosa von Praunheim zu seinem Auftritt in der RTL-Talkshow „Der heiße Stuhl“. Vor laufender Kamera outete der Regisseur und Schwulenaktivist die beiden TV-Promis darin als homosexuell.

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