Filmemacher Heinz Emigholz weiß, wie politisch Architektur ist und so kommen in seiner neuen analytischen Dokumentation „Schlachthäuser der Moderne” auch solche Bauten vor. Von der quasi-faschistischen Architektur Francisco Salamones bis zu utopischen Bauwerken des indigenen Architekten Freddy Mamani Silvestre hin zum restaurierten Stadtschloss in Berlin. Der Film ist weniger eine Dokumentation, sondern mehr ein Essayfilm zum Mitdenken.
Der Zusammenhang von Architektur und Politik
Was tun, wenn Denken zu Stein wird? Architektur ist politisch. Keiner weiß das besser als der deutsche Filmregisseur Heinz Emigholz, der sich seit jeher mit dem Zusammenhang von Architektur und Politik beschäftigt.
Für Emigholz ist die Architektur das Gesicht der Welt. Wenn er Gebäude betrachtet, sieht er den Zustand einer Gesellschaft und ihrer Kultur.
Für seinen neuen Film hat er eine Reihe ganz besonders ungewöhnlicher politischer Bauten und Baumeister aufgespürt und ihre Werke zu einer auf den ersten Blick überraschenden assoziativen Argumentationskette verbunden: Er zeigt Schlachthäuser – im Wortsinn.

Schlachthäuser der Architekturmoderne
Und er zeigt Gebäude, die zu Schlachthäusern werden, Schlachthäusern der Architektur und vor allem der Architekturmoderne. So gesehen ist der Titel dieses Films doppelsinnig gemeint: Er bedeutet auch "Häuser, in denen die Moderne geschlachtet wird".
Francisco Salamone war ein argentinischer Baumeister, der in der Pampa quasi-faschistische Rathäuser, Friedhofsportale und Schlachthäuser wie vom Fließband des Modernismus gebaut hat. Freddy Mamani Silvestre (geboren 1971) ist in bolivianischer Architekt, dessen quietschbunte Zweckbauten im Hochland jeder Beschreibung und Vorstellung spotten.
Zusammenhänge in Hülle und Fülle
Und dann die namenlosen Planer der Restauration des neuen Palast der Republik mitten in Berlin, der Restauration der Fassade des preußischen Stadtschloss, das euphemistisch "Humboldt Forum" genannt wird.
Dazwischen Jorge Luis Borges’ Erzählung "Deutsches Requiem" von 1946, deutsche Nazis in Südamerika, die Kolonialpolitik des deutschen Kaisers Wilhelm II.

Zusammenhänge zwischen alldem gibt es in Hülle und Fülle, erbaulich sind sie alle nicht. Heinz Emigholz nutzt sie in seinem analytischem Dokumentarfilm für ein Pamphlet wider Stilvergessenheit und Geschichtsfälschung, das sarkastisch, wütend und sehr angriffslustig ist.
Emigholz erklärt nicht, er zeigt
Die Tatsache, dass vieler dieser Bauwerke leer stehen und teils sogar Bauruinen sind, eröffnet Möglichkeiten zum genauen Hinsehen. „Schlachthäuser der Moderne“ ist weniger eine Dokumentation, sondern mehr ein Essayfilm, der mit einer provokanten These beginnt und diese anhand von Beispielen erläutert.
Dieser Filmemacher erklärt nicht. Er zeigt. Und die Zuschauer*innen müssen sehen. Sie müssen auch sehen, wie sie damit zurechtkommen. Emigholz findet es überflüssig, in Filmen alles zu erklären.
Seine Zuschauer*innen dürfen mitarbeiten. So vergnügt polemisch über deutsche Geschichte und ihre hässlichen Ausprägungen hat man Emigholz bisher nicht erlebt. So ist dies kein Alterswerk, sondern ein neuer Aufbruch.