Viel schwarzer Humor
Ein Mann erkrankt an Alzheimer und plötzlich bekommt sein Moralkompass Schlagseite. Er wird zum Serienkiller. Das klingt nach einer reißerischen Story über wild gewordene Senioren. Aber die Serie „Ein guter Mensch“, lässt sich viel Zeit, diese Geschichte zu entwickeln. Und sie tut dies mit einer guten Portion schwarzen Humors.

Alzheimer im Anfangsstadium
Agâh Beyoğlu lebt nach dem Tod seiner Frau allein in einer Wohnung in Istanbul. Als er seinen geliebten Kater Münir tot unter dem Bett findet merkt er, das irgendetwas nicht in Ordnung ist. Agâh hat Alzheimer im Anfangsstadium. Er ist schon kurz davor, depressiv zu werden: was, wenn sich seine Persönlichkeit völlig auflöst? Doch da bricht sich eine Erkenntnis bei ihm Bahn: könnte das ewige Vergessen eventuell ein Segen sein? So, dass er zum Beispiel nie mit Gewissensbissen zu kämpfen hätte?
Rachefeldzug gegen das Vergessen
Agâh will Rache nehmen für ein altes Verbrechen, solange er sich noch daran erinnern kann, so viel ist von Anfang an klar. Er bringt reihenweise Leute um, die aus seinem Heimatdorf stammen. Worum es genau geht, das findet man als Zuschauer erst langsam heraus – beziehungsweise man beobachtet die junge Polizistin Nevra dabei, wie sie es langsam herausfindet. Und, was das Ganze zum Beispiel mit der Rolle von Frauen in der türkischen Gesellschaft und damit auch mit ihr selbst zu tun hat. Ihr hinterlässt Agâh an den Tatorten anonyme Hinweise.
Emmy für Hauptdarsteller Haluk Bilginer
Hauptdarsteller Haluk Bilginer hat schon in einem Indiana Jones Film und im Cannes-Gewinnerfilm „Winterschlaf“ mitgespielt. Vor allem mit ihm gewinnt die Serie eine hochinteressante eigene Mischung aus charmantem Rachethriller, brutaler Komödie, Gesellschaftsdrama und Familien-Beziehungsgeschichte. Ein grauhaariger Herr mit Schnauzer und Weste, bei dem man nie so ganz genau weiß, ob man einen senilen Alten oder einen kriminellen Mastermind vor sich hat.
Hakan Günday ist das Enfant terrible der türkischen Literatur
„Ein guter Mensch“ mag nicht unbedingt repäsentativ sein für das türkische Serien-Schaffen. Es hat aber auch hierzulande oder in den USA nicht jede Serie einen Autor wie Hakan Günday, den manche als „Enfant terrible der türkischen Literatur“ bezeichnen. Er hat ein lebenskluges, lakonisches Katz und Maus-Spiel geschaffen, das in seinem Inneren berührende Geschichten erzählt über Neugier und Angst gegenüber dem Unbekannten.
Über großstädtische Entfremdung und Schweigemauern auf dem Land. Über die Gefahr und den Reiz von Lügen und frisierten Wahrheiten. Über die ambivalente Kraft von Erinnerungen, die einen in die Verzweiflung treiben oder einem Halt geben können. Und darüber, was angesichts dessen einen „guten Menschen“ ausmacht.