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Der 75. Odenthal-Tatort – Wer vermisst schon Systemsprenger-Kinder?

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Karsten Umlauf

Jubiläum beim Tatort aus Ludwigshafen: Ulrike Folkerts löst ihren 75. Fall als Lena Odenthal. Und der ist besonders bitter: Der neunjährige Marlon wird in seiner Schule tot aufgefunden, offensichtlich wurde er die Treppe herabgestoßen. Die Trauer hält sich jedoch in Grenzen: der Junge war auffällig, aggressiv und scheint kaum Freunde gehabt zu haben. Aber könnte das wirklich ein Grund sein, ein Kind umzubringen? „Marlon“ ist ein sensibler Film, ohne jedes Klischee, mit vielen wichtigen Fragen und beeindruckenden Darsteller*innen.

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„Systemsprenger“ sind anstrengend

Ein totes Kind - das geht auch den Ermittlerinnen Lena Odenthal und Johanna Stern an die Nieren. Erst recht als klar wird, dass es der neunjährige Marlon an der Schule schwer hatte, weil er anderen das Leben schwer gemacht hat. Als „schwer erziehbar“ hat man das früher abgetan, heute nennt man die ganz harten Fälle „Systemsprenger“. Akten füllen sich, Strafenkataloge werden abgearbeitet. Aber schutzbedürftig sind die Kinder trotzdem. Und abhängig von der Erwachsenenwelt um sie herum.

Filmstill (Foto: SWR)
Der neunjährige Marlon wird in seiner Schule tot aufgefunden. Johanna Stern und Lena Odenthal beginnen zu ermitteln. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: SWR)
Marlon wurde die Treppe hinuntergestoßen, es gibt Spuren eines vorangehenden Kampfes. Der Sozialarbeiter der Schule, Anton Leu (Ludwig Trepte), unterstützt die Kommissarinnen. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: SWR)
Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) bemerken bald, dass dieser Todesfall in der Schule ambivalente Reaktionen hervorruft. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: SWR)
Marlons auffälliges Verhalten machte ihn zum Außenseiter, der seine Lehrer, die eigenen Eltern und auch die der Mitschüler an ihre Grenzen brachte. Sozialarbeiter Anton Leu (Ludwig Trepte) hatte sich sehr für den Jungen eingesetzt. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: SWR)
Für die Kommissarinnen ist es bedrückend, dass in Marlons Umgebung fast mehr Erleichterung als Trauer über seinen Tod zu spüren ist. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: SWR)
Johanna Stern kommt als Mutter selbst an ihre Grenzen. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: SWR)
Umso mehr sind Lena und Johanna bei ihren Ermittlungen auf Marlons einzigen Freund Pit Stanovic (Finn Lehmann) angewiesen. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: SWR)
Marlons einziger Verbündeter unter den Erwachsenen war der Sozialarbeiter Anton Leu. Bild in Detailansicht öffnen

Grenzerfahrung für die Eltern

Eltern sein ist eine Grenzerfahrung, bei der viele mal an einen Punkt kommen, wo sie nicht weiter wissen oder die Kontrolle verlieren. An manchen Stellen scheint durch, wie schnell dieser Tatort in Betroffenheitsklischees und Küchenkinderpsychologie hätte untergehen können. Aber diese Gefahr umschifft er an den meisten Stellen doch ganz geschickt. Zum Beispiel werden hier keine abgehängten Familien gezeigt, sondern normal bis gut situierte, durchaus pädagogisch vorgebildete Elternteile, die möglichst alles richtig machen wollen.

Überfordertes Schulsystem

Was macht es mit einem Kind, wenn es zu früh eingeschult wird, wenn es die Schule wechseln muss, weil Probleme auftauchen? Und was, wenn zwischen dem eigenen Anspruch und der wütenden Wirklichkeit immer wieder eine Lücke klafft? Im Schulalltag geht sowas viel zu schnell unter. Dass unterbesetzte oder unterbezahlte Schulsozialarbeit etwas mit der Lösung zu tun hat, ist sehr schnell klar. So viel soziales Engagement darf ruhig sein.

Wie umgehen mit den negativen Gefühlen?

„Marlon“ ist ein sensibler Tatort, der durch die beeindruckenden Kinderdarsteller und vor allem Ludwig Trepte als Sozialarbeiter noch einmal auf ein anderes Level gehoben wird. Wie geht man mit seinen negativen Gefühlen um und welche Verantwortung übernimmt man, sobald man in Beziehung tritt, nicht nur mit Kindern? Das sind in diesem Fall die gut formulierten und wichtigen Dinge, die man möglichst klären sollte, bevor es zu spät ist. Und nur noch die Frage übrig bleibt: wer hat Schuld?

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Karsten Umlauf